Egal ob ein Porsche 356 A mit Zündaussetzern oder ein Triumph TR 6 mit Motorruckeln beim Anfahren – AVL versucht als technischer Partner der Ennstal-Classic, die Fehlerursachen vor Ort zu finden und zu beheben. Oft verwundert es allerdings auch die Experten, dass die Raritäten optisch in einem Top zustand sind, die Technik jedoch hin und wieder zu wünschen übrig lässt.
Den Mechanikern steht der Schweiß auf der Stirn. Im durch die Sonne aufgeheizten Zelt staut sich die Hitze und vermischt sich mit dem beißenden Abgasgeruch der aufheulenden Motoren. Willkommen im Technikzelt der Firma AVL, willkommen auf der Ennstal-Classic – eine der bekanntesten Oldtimer-Rallyes in Österreich. Nach der technischen Abnahme können die Teilnehmer hier die Motoren ihrer Fahrzeuge noch zusätzlich prüfen und einstellen lassen. Die meisten Oldtimerbesitzer wollen zwar nur sichergehen, dass ihr Schätzchen wirklich fit für die zahlreichen Berg etappen ist, bei einigen Fahrzeugen läuft der Motor allerdings dermaßen unrund, dass sogar die gesamte Rallyeteilnahme gefährdet ist.
Trotz der vermeindlich überschaubaren Technik eines Oldtimers ist bei der Fehler suche Fingerspitzengefühl gefragt. Schließlich fahren auf der Ennstal-Classic nicht einfach nur alte Autos durch Österreichs Berglandschaft. Das Teilnehmerfeld besteht zum großen Teil aus Schätzen der Automobilgeschichte, die sich nicht im Vorbeigehen reparieren und einstellen lassen. Beispielsweise bezeichnet Hannes Bloder, Technikexperte bei AVL, den Vierzylinder-Leichtmetall-DOHC-Motor mit Doppelvergaser im Alfa Romeo GT 1300 Junior auch liebevoll als Diva. So können beispielsweise undichte Gummiflansche an den Vergasern den Motor Falschluft ansaugen lassen. Das Gemisch läuft dann zu mager und die Kolben brennen durch. Kurz gesagt: Es ist oft egal, ob es sich um den Vierzylinder eines Alfas handelt oder um einen eindrucksvollen Zwölfzylinder wie in einem Ferrari 330 GT, die mechanischen Meisterwerke haben alle ihre Eigenheiten, die ein Kfz-Profi respektieren und beachten muss.
Am falschen Ende gespart
Unabhängig ob aufwendig konstruiertes Aggregat oder zuverlässiger Dauerläufer, die Techniker bekommen es sehr oft mit falschen Zündwinkeleinstellungen, viel zu mager laufenden Motoren und extrem verstellten CO-Werten zu tun. Des Weiteren sind die Leerlaufdrehzahlen manchmal weit von den Sollvorgaben entfernt, der Motor läuft unrund und hat einen eklatanten Leistungsverlust. An das Befahren einer Alpenpassstraße – dem Hauptbestandteil der Ennstal-Classic – ist in vielen Fällen erstmal nicht zu denken. Für Kopfschütteln bei den Experten sorgt zudem, dass manche Oldtimerbesitzer am falschen Ende sparen: Da werden dann an Raritäten im fünf- oder sechsstelligen Eurobereich Zündkabel aus dem Baumarkt verbaut. Bei einem Widerstand von weit über 6 Kiloohm braucht man sich dann nicht zu wundern, wenn der Motor schlecht läuft.
Lambda 1 ist nicht das Ziel.
Um herauszufinden welche Fehler vorliegen, ist die anfängliche Vorgehensweise bei der technischen Überprüfung in der Regel stets die gleiche. Punkt eins: Sichtprüfung am Motor nach Beschädigungen. Punkt zwei: Prüfen der Zündung am Oszilloskop und somit des Sekundär- Spannungsverlaufs. Zündwinkel, Funkendauer und Nachschwingphase. Nebenbei prüfen die Oldtimerspezialisten die Generatorleistung sowie Ladestrom und Spannung. Punkt drei: die Abgasmessung. Ermittlung des Lambdawerts und des CO-Gehalts.
Bei der Gemischzusammensetzung verrieten die Experten übrigens, dass Lambda 1 nicht der Zielwert für Oldtimer sein sollte. Für die alten Motoren ist das eine zu große thermische Belastung – vor allem bei Rallyes mit zahlreichen Bergetappen wie der Ennstal-Classic. Um die Verbrennungstemperatur zu senken, sollte das Gemisch nach Ansicht der Experten bei 0,85 Lambda liegen. Die leicht fette Einstellung schont den Motor, da sie eine bessere innermotorische Kühlung gewährleistet.
Pragmatische Lösungen gesucht
In einigen Fällen ist eine korrekte Einstellung nicht möglich da ein Bauteil defekt ist. So wie es beispielsweise bei einem Mercedes-Benz 220 S geschehen ist. Das Fahrzeug ist erst vor Kurzem komplett und auf höchstem Niveau restauriert worden. Nebenbei bemerkt: Der überholte Motor sieht so neu aus, als hätte er gerade erst das Werk in Sindelfingen verlassen. Aber warum läuft er nicht richtig? Die Zündeinstellung passt überhaupt nicht und lässt sich auch durch Verdrehen des Zündverteilers nicht einstellen. Beim Blick unter die Verteilerkappe offenbart sich ein ebenso neuer Verteilerfinger. Trotzdem zieht Bloder instinktiv den Finger ab. Treffer! Die Nase ist herausgebrochen. Das muss vor Kurzem beim Zusammenbau des Motors passiert sein , bemerkt er mit einem leichten Grinsen.
Jetzt zeigt sich, dass die Oldtimerszene eine eingeschworene Gemeinschaft ist. Denn plötzlich machen sich alle Schaulustigen – und das waren einige – auf die Suche nach einem passenden Ersatzteil oder zumindest einer Reparaturlösung. Nur kurz darauf befanden sich dutzende Verteilerfinger in allen möglichen Ausführungen auf den Werkzeugkisten im Technikzelt. Das passende Ersatzteil aber war leider nicht dabei. So entschieden sich die Experten für ein Provisorium. Das heißt, sie wickelten etwas Isolierband um die Verteilerwelle und pressten den Verteilerfinger fest drauf, fertig. Du solltest den Finger zwar bei der nächsten Gelegenheit tauschen aber mit der Klebeband-Konstruktion kommst du problemlos 100.000 Kilometer , scherzten die Techniker.
Am Ende des Tages sieht man nur zufriedene Gesichter an der technischen Abnahme bei AVL herumstehen. Manch einer ist sich allerdings nicht ganz sicher, ob es an den erfolgreichen Fehlersuchen oder den ungefilterten Abgasdämpfen im Zelt liegt. Sicher ist, so Bloder: Was wir in den zwei Tagen an Abgasen eingeatmet haben, reicht erstmal für dieses Jahr.