Seit zehn Jahren setzen die sogenannte Aftermarket-GVO sowie die Vertikal-GVO ganz wesentlich den Wettbewerbsrahmen für einen möglichst offenen Kfz-Ersatzteil- und -Servicemarkt. Läuft das Regelwerk im Mai 2023 aus, braucht es vor allem aus Sicht freier Werkstätten eine zeitgemäße Neufassung. Was bisher gilt und was für Kfz-Profis auf dem Spiel steht.
Seit dem 1. Juni 2010 regeln verschiedene Rechtsinstrumente unter anderem für den fairen Wettbewerb im Kfz-Ersatzteil- und -Servicemarkt, gleichzeitig sind sie auch relevant für Verträge zwischen Fahrzeughersteller und deren Vertriebspartner für den Autoverkauf. Die für den freien Servicemarkt (Independant Aftermarket IAM) brisanten Regeln finden sich in der Kfz-Guppenfreistellungsverordnung (Aftermarket-GVO) mit den Leitlinien für den Verkauf und die Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und den Vertrieb von Kraftfahrzeugersatzteilen. Diese Vorschriften gelten bis zum 31. Mai 2023 und bei deren Evaluierung dürfen bisherige Vorgaben nicht verschwinden und müssen neue Aspekte ergänzt werden, damit der freie Markt nicht ins Hintertreffen gerät.
Darum ist die GVO für Freie so wichtig
Fünf wichtige Punkte regeln bislang den fairen Wettbewerb und sollen verhindern, dass Fahrzeughersteller ihre Marktmacht in Sachen Ersatzteile und technische Informationen ausnutzen.
- Der Zugang für IAM-Akteure zu technischen Informationen der Fahrzeughersteller, wie Reparatur- und Wartungsinformationen, sowie Daten, die Teilehandel und Werkstätten für eine eindeutige Identifizierung der für ein bestimmtes Fahrzeug geeigneten Ersatzteile benötigen, muss gewährleistet sein.
- Ebenso der Zugang für freie Servicebetriebe zu allen Ersatzteilen und Originalwerkzeugen/Equipment der Fahrzeughersteller. Das heißt, der Handel zwischen Servicebetrieben darf nicht vom OEM eingeschränkt werden. Gebundene Betriebe dürfen Ersatzteile an ihre Werkstattkollegen verkaufen („Querbezug“).
- Die Möglichkeit der vertragsgebundenen Servicebetriebe, im freien Markt zu kaufen, darf der Fahrzeughersteller nicht verhindern. Allerdings muss es sich um „qualitativ gleichwertige“ Ersatzteile handeln, die die Reputation des Fahrzeugherstellers nicht schädigen oder nach dessen Spezifikationen und Produktionsnormen hergestellt wurden.
- Die Möglichkeit für die Teileindustrie, ihre Produkte direkt in den Aftermarket zu liefern und ihr Markenzeichen auch auf Fahrzeugherstellern zugelieferten Teilen anzubringen (Double Branding), muss gegeben sein.
- Die Definition des Begriffs „Originalersatzteil“ auf Grundlage der Teilequalität und nicht der Teileherkunft.
Es gibt aber noch weitere Aspekte. So hat die Aftermarket-GVO für den Teilebezug der Servicebetriebe Hindernisse für ihre Lieferanten abgebaut. Das heißt, die Lieferanten von Erstausrüstungsteilen (OES) dürfen ihre Produkte ungehindert in den gesamten Aftermarket liefern.
Serviceverträge und Gewährleistung
Bezüglich des Zugangs zu Serviceverträgen mit Fahrzeugherstellern heißt es: Wer die qualitativen Anforderungen des OEM erfüllt, dem darf ein Servicevertrag nicht verweigert werden. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung.
Laut dem Gesamtverband Autoteile-Handel GVA stellen die jetzigen Leitlinien zudem klar, dass ein Fahrzeughersteller die gesetzliche Gewährleistung oder Garantieansprüche weder von der Reparatur oder Wartung eines Fahrzeugs in seinem Netz, noch von der Verwendung von Ersatzteilen seiner eigenen Marke abhängig machen darf. Der Fahrzeughalter soll sein Eigentum in einer Werkstatt seiner Wahl warten oder reparieren lassen können, ohne Nachteile in Garantie- und Gewährleistungsfall zu haben.
Auch wenn sich Werkstätten für trockene Gesetzestexte wie die GVO eher wenig interessieren, zeigen diese Fakten doch auf, welche unmittelbaren Nachteile sie hätten, würden einzelne Punkte des Regelwerks bei einer bevorstehenden Evaluierung verwässert oder gar entfallen. Bleibt zu hoffen, dass GVA und ZDK und andere Protagonisten am Ball bleiben und sich entsprechend einsetzen.
Hier lesen Sie den Gastkommentar von GVA-Präsident Hartmut Röhl zum Thema.