Kurioser Motorschaden
Vor einigen Wochen musste unser Notdienst ausrücken, um einen Liegenbleiber von der Autobahn abzuschleppen. Nach Angabe des Kunden gab es während zügiger Fahrt ein lautes Geräusch, der Motor verlor schlagartig an Leistung und aus dem Auspuff kam eine „dunkle Wolke“.
Da bei diesem Vorgang der Motor aus und sämtliche Kontrollleuchten angegangen waren, stellte der Kunde das Fahrzeug ab. Beim Versuch des Wiederstartens waren ebenfalls laute mechanische Geräusche zu hören. Um den Schaden nicht noch zu vergrößern, unterließ er weitere Startversuche und rief bei unserem Notdienst an.
Aufgrund der Schadensschilderung tippte unser Werkstattmeister zuerst auf einen gerissenen Zahnriemen. In Anbetracht einer Laufleistung von knapp unter 10000 km wäre dies allerdings äußerst ungewöhnlich gewesen. Wir demontierten also zuerst die Zahnriemenabdeckungen, mussten aber feststellen, dass der Riemen unbeschädigt und mit korrekter Spannung montiert war. Vermutlich weil sich das Fahrzeug noch innerhalb der Gewährleistung befand, wagte unser Meister noch einen Startversuch. Die Geräusche, die dabei ertönten, ließen ihn aber den Schlüssel schnellstens wieder in die Aus-Stellung zurückdrehen.
„Ventil gerissen oder Nockenwelle gebrochen“, diagnostizierte er. In beiden Fällen, egal ob nur zur Schadensfeststellung oder zur Reparatur, der Zylinderkopf musste demontiert werden. Nach getaner Arbeit bot sich unserem Mechaniker ein Bild der Zerstörung.
Doch weder ein abgerissenes Ventil noch eine gebrochene Nockenwelle hatten den Schaden verursacht, noch hatte ein gebrochener Kolbenring oder eine abgebrochene Glühkerze zur Zerstörung von Kolben und Zylinder geführt: Der Kolbenboden des dritten Zylinders war teilweise weggeschmolzen!
Im gesamten Zylinderkopf sowie im Ventilöffnungsbereich fanden wir eingetragenes Kolbenmaterial. Diverse Metallpartikel hatten schon ihren Weg über den Auslasskanal in den Turbolader gefunden. Aufgrund des Schadensbildes war der Reparaturweg klar: Der Motor samt Zylinderkopf und Turbolader mussten erneuert werden.
Doch was war die Ursache für diese Zerstörung? An der Zylinderwandung des dritten Zylinders waren neben den Einschlagspuren auch noch deutliche Reib- bzw. Fressspuren zu sehen, die von einem Ölmangel herrühren mussten.
Eine Überprüfung der Restmenge des im Motor verbliebenen Öls ergab ein Volumen von 1,5 l. Und das, obwohl der Motor bis zum Ausfall und endgültigen Stillstand sicher noch eine größere Menge Öl verbrannt hatte. Unter diesen Umständen konnte der Motorschaden nicht durch alleinigen Ölmangel entstanden sein. Deshalb führten wir die Klemmspuren auf Abwaschen des Schmierfilmes zurück.
Die Ursache musste demzufolge in einer zu großen eingespritzten Kraftstoffmenge zu suchen sein. Um es kurz zu machen: Als Übeltäter konnten wir den Nadelhubgeber des dritten Zylinders ausmachen, der wegen hohen Verschleißes undefinierte Signale an das Steuergerät sandte. Was dabei herauskam, konnten Sie gerade lesen!
Zu Ende denken… Band 2 – Knifflige Fälle aus dem Werkstattalltag
8. Auflage 2017, von Georg Blenk, 116 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 12,80 Euro
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