Werkstätten müssen sich vermehrt mit Fahrerassistenzsystemen sowie dem Justieren von Radarsensoren auseinandersetzen. Worauf ist hierbei zu achten, warum müssen nicht mehr alle Sensoren justiert werden und was sind Ursachen für deren Fehlfunktion?
Wenn man so will, gehen die Ursprünge von Notbremsassistenten auf die adaptive Geschwindigkeitsregelung zurück – auch als Adaptive Cruise Control (ACC) genannt. Damit dieses System neben Tempomatfunktion zusätzlich automatisch abbremsen und automatisch wieder beschleunigen kann, muss es den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug erkennen. Dies erfolgt durch einen Radarsensor (oft auch als ACC-Sensor bezeichnet). Der Radarsensor ist nicht nur für die automatische Geschwindigkeitsregelung eine Schlüsselkomponente, sondern auch für Notbremsassistenten. Meist im Zusammenspiel mit einer Kamera erkennt der Sensor Hindernisse wie vorausfahrende Fahrzeuge oder die Fahrbahn überquerende Fußgänger.
Geschütztes Herzstück
Bei vielen Fahrzeugen ist der Radarsensor hinter dem Kühlergrill oder einem Lüftungsgitter der Stoßstange platziert. Um die Oberfläche von hinter dem Kühlergrill verbauten Radarsensoren vor Verschmutzungen zu schützen, befindet sich davor das sogenannte Radom (siehe Bild). Der Begriff setzt sich aus Radar und Dom zusammen. Dazu muss man wissen: Verschmutzungen direkt auf der Sensoroberfläche oder auch Vereisungen würden dessen Funktion beeinträchtigen.
Kommt es dennoch dazu, kann der Sensor nicht mehr einwandfrei arbeiten. Im Fehlerspeicher findet sich dann ein entsprechender Eintrag. Doch auch mit Radom sind Probleme nicht auszuschließen. Beispielsweise wenn es über eine integrierte Heizung zur Enteisung verfügt und diese ausfällt, etwa aufgrund einer gestörten Spannungsversorgung.
Durch die stetig fortschreitende Sensortechnologie ist es inzwischen möglich, den Sensor auch an anderen Stellen zu platzieren. Etwa unmittelbar hinter der Stoßstangenverkleidung. Ein Radom zum Sensorschutz ist dann nicht mehr zwingend erforderlich. Aber unabhängig vom Einbauort muss auf jeden Fall sichergestellt sein, dass der Sensor den Bereich vor dem Fahrzeug zuverlässig überwachen kann. Nur so erkennt der Sensor etwa, wenn ein Wagen von der Nachbarspur vor dem eigenen Fahrzeug mit zu geringem Abstand einschert.
Justage notwendig
Voraussetzung für die einwandfreie Funktion der auf den Radarsensor angewiesenen Systeme ist dessen exakte Ausrichtung zur Fahrachse. Und an dieser Stelle kommt die Werkstatt ins Spiel – zumindest wenn der Sensor wegen einer Unfallinstandsetzung oder aus anderen Gründen demontiert werden musste. Denn bei Sensoren der ersten Generation beispielsweise muss mit dem Wiedereinbau beziehungsweise dem Erneuern des ACC-Sensors dessen Justage einhergehen. Nach Arbeiten am Fahrwerk oder dem Einstellen der Spur schreiben das Fahrzeughersteller ebenso vor.
Im Grunde ist das Feinjustieren des Sensors mit dem Einstellen von Scheinwerfern vergleichbar – nur aufwendiger. So ist für die ACC-Sensorjustage etwa an Fahrzeugen von Audi eine spezielle Kalibriervorrichtung (siehe Bilder links) notwändig. Die etwa auch für die Kalibrierung der Kamera des Nachtsichtsystems erforderliche Wand mit Justagetafel muss im 90°-Winkel zur Fahrachse stehen. Deshalb steht vor dem Einstellen des Sensors zunächst eine entsprechende Ausrichtung der Kalibriervorrichtung zur Hinterachse an.
Bei Audi wird das über Kameras und das Achsmessgerät sichergestellt. Erst dann kann der Mechatroniker den Sensor über die Einstellschrauben ausrichten. Außerdem muss er noch den Diagnosetester anschließen und dabei die vorgeschriebenen Schritte abarbeiten, zum Beispiel die Einstellwerte übernehmen. Bei BMW sieht das Prozedere zur Sensorjustage ähnlich aus, nur mit anderem Spezialequipment.
Anderer Weg beim Justieren
Einen einfacher erscheinenden Weg geht Mercedes-Benz bei entsprechenden Modellen. Bei den Fahrzeugen der Stuttgarter mit ACC muss zunächst eine spezielle Vorrichtung auf dem Sensor befestigt werden. Wie das im Detail aussieht, zeigt Romess, der Hersteller der Vorrichtung, auf www.romess.de > Engineering > Distronic-09807-10 in einem Kurzfilm.
Nachdem der Mechatroniker die Justiervorrichtung mit integriertem Laser angebracht hat, muss er das Scheinwerfereinstellgerät von Mercedes-Benz vor dem Fahrzeug platzieren und zur Fahrachse ausrichten. Denn die Sensoreinstellung erfolgt anhand des in das Scheinwerfereinstellgerät einfallenden Laserstrahls. Wie die genannten Beispiele zur Vorgehensweise bei der Sensorjustage zeigen, ist dafür herstellerspezifisches und teures Equipment notwendig. Doch es gibt auch universelle Lösungen – etwa von Hella Gutmann. Mehr dazu in der Ausgabe 17-2015.
Folgen einer falschen Einbaulage des Sensors
Jedoch unabhängig von der Vorgehensweise und vom Equipment: Sind die Anschraubpunkte zur Befestigung des Sensors hinsichtlich ihrer Ausrichtung zur Fahrachse beispielsweise wegen eines Parkplatzremplers nicht (mehr) im Originalzustand, lässt sich der Radarsensor schlimmstenfalls nicht mehr nachjustieren.
Schließlich bieten die Einstellschrauben nur einen begrenzten Verstellweg. Im Übrigen ist das ein Grund mehr, um bei einer Unfallreparatur auf eine exakte Ausrichtung des Vorbaus und der Sensorbefestigungspunkte zu achten. Immerhin hängt die einwandfreie Funktion des ACC vom optimal justierten Sensor ab.
Wie wichtig eine korrekte Einbaulage ist, zeigt folgendes Beispiel: Ist der Sensor nur um ein Grad zur Fahrachse verstellt, weicht sein Radarfeld auf einhundert Meter Entfernung um etwa zwei Meter zur Seite ab. Das heißt, der Sensor detektiert dann nicht mehr die direkt vorausliegende Fahrbahn, sondern je nachdem, zu welcher Seite die Einbaulage des Sensors abweicht, die linke oder rechte. Ein fehlerhaftes ACC ist die Folge.
(Vermeintliche) Fehlfunktionen
Selbst wenn das ACC korrekt arbeitet, kann es technisch bedingt zu Situationen kommen, die der Fahrer eventuell und fälschlicherweise als Fehlfunktion wahrnimmt. Deshalb sollten Autoverkäufer, Serviceberater und Werkstattmeister ihren Kunden die Grenzen des Systems unbedingt näher bringen – obwohl diese im (meist nicht gelesenen) Fahrzeughandbuch aufgeführt sind.
Je nach ACC- und Sensorgeneration können folgende Situationen ‚Systemstörungen’, die eigentlich keine sind, nach sich ziehen:
- Der Radarsensor kann keine stehenden Objekte erfassen.
- Bei hohen Geschwindigkeitsunterschieden zwischen dem eigenen und dem vorherfahrenden Fahrzeug ist eventuell ein Bremseingriff des Fahrers notwendig, weil das System dann technisch bedingt nicht eingreift. Gleiches gilt, wenn Fahrzeuge sehr knapp und schnell vor einem einscheren.
- In Kurven mit entsprechendem Radius reicht das Sichtfeld des Sensors möglicherweise nicht aus, um das vorausfahrende Fahrzeug zu erfassen. Das kann beispielsweise zu einem Beschleunigen oder Geschwindigkeitsabfall führen, weil das ACC nicht mehr die Wunschgeschwindigkeit (kurzzeitig) und den definierten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einstellen kann. Mit dem Geschwindigkeitsabfall beugt das System einem Auffahren auf das kurzzeitig aus dem Radarfeld verschwundene vorausfahrende Fahrzeug vor.
- Schneebelag auf dem Sensor setzt das System außer Kraft.
- Starker Nebel, Regen- und Schneefall behindern im Extremfall die Funktion des Radarsensors.
- Kuppen oder Senken führen dazu, dass der Sensor ein vorausfahrendes Fahrzeug nicht mehr detektieren kann.
- In seltenen Fällen führen Reflexionen der Radarstrahlen – etwa durch Tunnelwände oder Leitplanken – zu falschen Messwerten und fehlerhafter ACC-Regelung.
- Sehr niedrige Temperaturen (z.B. unter minus 20 °C) ziehen unter Umständen eine zeitverzögerte Betriebsbereitschaft des ACC nach sich.
Wichtig: Bei den aufgeführten Punkten handelt es sich um allgemeine Hinweise, die nicht auf jedes Modell mit ACC zutreffen müssen. Außerdem hängt das ‚Können’ der automatischen Geschwindigkeitsregelung von der verbauten Sensorgeneration und vom Sensortyp ab. Hersteller wie TRW, Bosch oder Continental bieten den Fahrzeugherstellern Mittelbereichs- und Fernbereichssensoren an. Die Unterschiede liegen in der Reichweite, dem Winkel des Erfassungsradius und der Erfassungsgenauigkeit, aber auch in der Wetterempfindlichkeit. An dieser Stelle soll jedoch nicht weiter auf die Sensordetails eingegangen werden.
Justieren ist nicht immer Pflicht
Viel wichtiger für die Werkstattpraxis ist die Tatsache, dass beispielsweise die ACC-Sensoren der vierten Generation von Continental selbstkalibrierend sind. Das heißt: Das aufwendige mechanische Feinjustieren der Sensoren via Einstellschrauben entfällt. Im Grunde muss der Mechatroniker – wie bei anderen Elektronikkomponten auch – nach einer De/-Montage beziehungsweise einem Austausch des Bauteils nur eine Initialisierung mit dem Diagnosetester vornehmen. Danach justiert sich der Sensor innerhalb einer bestimmten Fahrstrecke selbst. Diesbezüglich sind stets herstellerspezifische Vorgaben zu beachten.
Außerdem ist wichtig: Für einen selbstjustierenden ACC-Sensor gilt ebenso wie für die einstellbaren – die Befestigungspunkte müssen der Originalposition zur Fahrachse entsprechen, da sich der Sensor selbstverständlich nur in einem begrenzten (Winkel-)Bereich selbst justieren kann. Jedem Kfz-Profi muss klar sein, dass ein stark nach rechts oder links ‚schauender’ Sensor die Fahrbahn vor dem Fahrzeug nicht mehr im Blick haben kann.
Leider setzen die Fahrzeughersteller – wohl auch aus Kostengründen – noch nicht durchgängig auf die Sensoren der neuesten Generationen. Liegen der Werkstatt keine Informationen vor, ob eine manuelle mechanische Justage notwendig ist oder nicht, kann ein Blick auf den Sensor weiterhelfen: Vorhandene Einstellschrauben sind ein Indiz dafür, dass eine Grundeinstellung vorgenommen werden muss. Wo diese fehlen, braucht auch nichts mehr von Hand eingestellt zu werden.