Krafthand-Online im Gespräch: Hella Nussbaum Solutions zum Kältemittelstreit
Die Diskussion um das richtige Kältemittel beschäftigt die Branche seit Monaten. Daimler hat sich bereits im Herbst 2012 nach den ‚Brand-Tests‘ von R1234yf distanziert. Auch bei BMW und Audi sind Absetzbewegungen von dem neuen Kältemittel zu verzeichnen. Doch was sagen eigentlich die Hersteller der Klimaservicegeräte zur aktuellen Diskussion? Krafthand-Online hat bei Mark Degenhardt, Geschäftsführer von Hella Nussbaum Solutions, nachgefragt.
Herr Degenhardt, wie beurteilen Sie die Diskussion um das Thema Kältemittel in den vergangenen Monaten?
Die Ankündigung von Daimler, Ende September letzten Jahres aus dem Thema 1234yf aussteigen zu wollen, hat die Branche schon sehr überrascht. Seitdem hat sich auch die Verunsicherung bei den Werkstätten und Endkunden weiter verstärkt. Nach den vielen Diskussionen braucht die Branche nun endlich verlässliche Aussagen seitens der EU und klare Bekenntnisse. Fakt ist, dass die Ausnahmegenehmigung für 134a am 31.12.2012 ausgelaufen ist und somit diejenigen Fahrzeughersteller gegen gültiges Recht verstoßen, die ihre neu typgeprüften Fahrzeuge nicht auf ein Kältemittel mit einem GWP <150 umstellen.
Wie sehr haben Sie ihre Produktpolitik und damit auch Ihre Klimaservicegeräte in der Vergangenheit auf R1234yf ausgerichtet?
Die besagte EU-Richtlinie 2006/40/EG ist ja nicht neu. Entsprechend frühzeitig hat im Hause ATT, aus deren Joint Venture mit der Hella Gutmann-Gruppe 2012 die Hella Nussbaum Solutions hervorgegangen ist, die Entwicklung der neuen Geräte begonnen. Diese wurde in Abstimmung mit verschiedenen Automobilherstellern konsequent bis zur Serienreife vorangetrieben. So konnte ein breites Produktspektrum für den1234yf-Klimaservice aufgebaut werden. Es umfasst neben verschiedenen Husky-Geräten auch alle benötigten Serviceteile, Werkzeuge und Flüssigkeiten. Doch es war vollkommen klar, dass uns das Kältemittel 134a noch viele Jahre lang begleiten wird, da Neufahrzeuge bekanntlich noch bis Ende 2016 mit dem alten Kältemittel ausgeliefert werden dürfen. Deshalb haben wir parallel zu den Neuentwicklungen auch die 134a-Geräte auf den neuesten technologischen Stand weiterentwickelt. Die komplette Steuerung, die Mess- und Befülltechnik sowie die Rückgewinnungsraten der Huskys für 134a lassen sich nicht mit alten Klimaservicegeräten vergleichen.
Haben die Hersteller von Klimaservicegeräten durch die Verunsicherung einen wirtschaftlichen Schaden erlitten?
Zunächst einmal ist es aus meiner Sicht sehr bedauerlich, dass kürzlich einige Fahrzeughersteller aus dem Ingenieurszirkel SAE ausgetreten sind. Dieses Team besteht aus 13 internationalen Automobilherstellern und hatte sich anlässlich der Testergebnisse bei Daimler zur Aufgabe gemacht, die Sicherheit des Kältemittels 1234yf zu beweisen. Da Audi und auch BMW meines Wissens im Jahr 2013 keine neuen Modelle auf den Markt bringen, die bereits mit 1234yf ausgerüstet werden müssen, ist den Herstellern von Klimaservicegeräten bisher lediglich durch den Ausstieg von Daimler Umsatzpotenzial entgangen. Da die anderen Automobilhersteller jedoch weiterhin von der Sicherheit des Kältemittels überzeugt sind und es einsetzten werden, wird der Markt wachsen und es werden neue Potenziale entstehen.
Wie beurteilen Sie die Abkehr der Hersteller von R 1234yf?
Das Problem ist, dass in Ermangelung einer gesetzeskonformen und serienreifen Alternative zu 1234yf einfach weiterhin 134a verwendet wird. Dieses Kältemittel besitzt ein Global Warming Potential (GWP) von >150. Damit verstoßen diese Hersteller gegen gültiges Recht.
Für welches Kältemittel sollten sich die Hersteller nun Ihrer Ansicht nach entscheiden?
Meines Wissens gibt es keine erprobte und serienreife Alternative, die gesetzeskonform ist.
Was halten Sie von anderen Kältemitteln wie CO2, AC-5 und AC-6?
Mir ist nicht bekannt, das eines dieser alternativen Kältemittel die Anforderungen erfüllt und bis zur Serienreife entwickelt und getestet worden ist. Bei neuen Kältemitteln entstehen neue Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Sicherheit. So arbeiten zum Beispiel CO2-Anlagen mit weitaus höheren Drücken. Dies hat auch Einfluss auf verschiedene Komponenten wie zum Beispiel Schlauchleitungen, Adapter und Ventile. Auch bei der Genauigkeit im Befüllprozess entstehen neue Anforderungen.
Wie lange dauert die Entwicklung von Klimaservicegeräten für alternative Kältemittel bis zur Marktreife?
Das ist natürlich von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Es hängt sicher davon ab, ob in der Vergangenheit bereits Entwicklungsarbeit in diese anderen Kältemittel investiert wurde – zum Beispiel wie bei ATT , als CO2 noch aktuell aktuell war. Unabhängig davon kann die zielgenaue Entwicklungsarbeit bei uns Geräteherstellern nur auf Basis von Anforderungen und Spezifikationen der Hersteller erfolgen. Somit sitzen wir in einem Boot, denn wir sind auf entsprechende Vorgaben angewiesen und müssen auch rechtliche Aspekte beachten.
Herr Degenhardt, wir bedanken uns für das Gespräch.
Die Fragen stellte Ralf Lanzinger
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