KI versus Gutachter
Dekra-Experte Bernd Grüninger im Krafthand-Interview über künstliche Intelligenz bei Schadengutachten.
Herr Grüninger, vor einigen Jahren sagten Sie in einem Krafthand-Interview sinngemäß, dass künstliche Intelligenz einen Schadengutachter nie ersetzen können wird. Würden Sie mit Blick auf die zwischenzeitliche Entwicklung diese Aussage heute und vor allem auch in fünf Jahren immer noch treffen? Immerhin hat sich die Bilderkennung nochmal deutlich weiterentwickelt und für Schäden unter dem Blechkleid könnten (selbstlernende) Algorithmen auf Basis anderer Unfälle entsprechende Daten zur Kalkulation liefern.
Vollkommen ersetzen wird die künstliche Intelligenz die Sachverständigen nicht – dabei bleibe ich, vor allem wenn es um vollumfängliche, gerichtsfeste Schadengutachten geht. Im Gegenteil: Im Zug der zunehmenden Automatisierung der Fahrzeuge wird immer aufwendigere Sensorik verbaut. Mit der Komplexität von Fahrzeugen nimmt natürlich auch die Komplexität der Schäden zu. Und gerade bei komplexen Schäden gibt es so viele Faktoren und Parameter zu berücksichtigen, dass sich das auch weiterhin kaum für alle Fälle automatisiert abbilden lässt.
Was aber natürlich nichts daran ändert, dass digitale Werkzeuge mit künstlicher Intelligenz als Unterstützung für Sachverständige immer wichtiger werden: Selbstlernende Algorithmen für tiefergehende Unfallschäden brauchen entsprechende Anknüpfungspunkte, um belastbare Ergebnisse zu liefern. Diese sind zurzeit nicht in ausreichender Quantität und Qualität verfügbar. Wir erwarten, dass die zunehmende Verfügbarkeit von geeigneten Telematikdaten diese Situation verbessert. Unsere Systeme wären schon heute in der Lage, diese Daten zu verarbeiten.
Einigen wir uns darauf: KI wird auch im Bereich Schadengutachten (erhebliche) Veränderungen mit sich bringen. Was kann sie besser als der Mensch?
Vor allem sind KI-gestützte Systeme prozesssicher und viel schneller als der Mensch. Gleichzeitig ist es so, dass sie in der Lage sind, Routineprozesse schnell abzubilden und große Datenmengen zu verarbeiten. Beispielsweise ist es möglich, aktuelle Schadendaten mit historischen Daten abzugleichen. Die KI übernimmt den notwendigen Vergleich und kann eingesetzt werden, um eine erste Einschätzung zur voraussichtlichen Schadenhöhe abzugeben. Das spart zeitlichen und finanziellen Aufwand für alle Beteiligten.
In welchem Stadium befindet sich Dekra? Welche Projekte laufen zum Thema KI beim Thema Unfallgutachten oder Bewerten von etwa Leasingrückläufern? Oder wird KI sogar schon aktiv genutzt?
Dekra ist bei Schadengutachten Vorreiter, was den Einsatz von KI angeht. Schon seit Jahren halten wir eine Beteiligung am Unternehmen Spearhead, dessen Geschäftsmodell es ist, nach einem Unfall – im Idealfall in Echtzeit – die entsprechenden Parameter mit KI-Unterstützung zu ermitteln. Das System wurde auf Basis von Hunderttausenden echten Schadengutachten entwickelt und gibt zum Beispiel Versicherern oder Flottenbetreibern innerhalb kürzester Zeit eine qualifizierte Ersteinschätzung zur Schadenhöhe und zum Fahrzeugwert.
Somit weiß man, ob es sich um einen Bagatellschaden, einen größeren Schaden oder gar einen Totalschaden handelt und kann sofort proaktiv und situationsgerecht Maßnahmen ergreifen – also direkt einen Abschleppdienst oder eine Werkstatt beauftragen, einen Sachverständigen entsenden oder eine Remote-Expertendienstleistung veranlassen. Die Dienstleistungen von Spearhead stoßen gerade bei unseren Kunden in der Versicherungsbranche auf großes Interesse – weil die Prozesse durch diese Art des digitalen Schadenmanagements eben deutlich effizienter werden.
Herr Grüninger, herzlichen Dank.
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