Arne Joswig im Krafthand- Interview über seinen Start als ZDK-Präsident, die größten Herausforderungen und Chancen für freie Werkstätten, das Engagement des Verbands in Sachen E-Fuels sowie über seine Ziele für 2024
Herr Joswig, wie fällt Ihre Bilanz nach knapp sechs Monaten im Amt aus?
Das Warmlaufen war nicht schwierig, da ich den ZDK und die Branche lange genug kenne und auch alle wichtigen Themen verinnerlicht habe. Seit dem Amtsantritt hat sich mein Kalender sehr schnell gefüllt, mit Terminen bei Medien, Verbänden, Herstellern, der BFC in Northeim und bei Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing. Die IAA Mobility in München war ein wichtiger Branchentreff, etwa mit der vom Verkehrsminister initiierten E-Fuels-Konferenz und unserer ZDK-Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit im Kfz-Betrieb. Leider war eine Reihe von Fabrikaten auf der Messe gar nicht vertreten. Das ist sicher auch ein Grund, warum der größte Teil der Kfz-Betriebe nicht bereit war, nach München zu kommen. Ein aktueller Verbandserfolg ist sicher die digitale Kfz-Zulassung im Autohaus, die seit dem 1. September möglich ist. Dafür haben wir im ZDK lange gekämpft.
In vielen europäischen Ländern ist ein schneller Hochlauf der Elektromobilität schwierig. Auch deswegen müssen wir synthetische Kraftstoffe als Option offenhalten.
Als Branchenverband vertreten Sie sowohl die Interessen freier Werkstätten als auch die von Markenbetrieben. Inwiefern ist das mitunter ein Spagat?
Ein Spagat ist das in den wenigsten Fällen. Wir haben viele Themen, die sowohl für die freien als auch für die fabrikatsgebundenen Betriebe gleichermaßen wichtig sind. Ein Stichwort ist der Zugang zu den im Fahrzeug generierten kundenspezifischen Daten. Autohäuser und Werkstätten können nur dann erfolgreich innovative Dienstleistungen anbieten, wenn sie einen fairen und direkten Zugang zu den im Fahrzeug generierten Daten haben. Die dürfen nicht mehr nur dem Hersteller zur Verfügung stehen. Als ZDK setzen wir uns auf europäischer Ebene weiterhin mit Nachdruck für eine sektorspezifische Regulierung ein.
Das SERMA-Projekt ist ein weiteres Beispiel, auch wenn sich die Einführung jetzt etwas verzögert. Dabei geht es um den Zugriff auf diebstahl- und sicherheitsrelevante Fahrzeug-OBD-Funktionen sowie Reparatur- und Wartungsinformationen in den Fahrzeugherstellerportalen und über die Hersteller-Diagnosegeräte. Darüber hinaus gibt es viele weitere Themen, wie etwa AÜK, die PN-Messung oder die digitale Kfz-Zulassung, die für alle Betriebe wichtig sind.
Auch für die markenungebundenen Betriebe gilt es, sich aktiv auf die Transformation hin zur E-Mobilität und zu alternativen Antrieben vorzubereiten.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Freie und inwiefern leistet der ZDK hier Hilfestellung?
Auch für die markenungebundenen Betriebe gilt es, sich aktiv auf die Transformation hin zur E-Mobilität und zu alternativen Antrieben vorzubereiten. Noch wächst die Zahl der E-Fahrzeuge nicht in der Geschwindigkeit, wie sie von der Bundesregierung postuliert wurde. Und nach wie vor gibt es überwiegend Fahrzeuge mit Kolbenmotoren, die zudem immer länger gefahren werden und daher mittelfristig noch für die Werkstattauslastung sorgen. Trotzdem wird die Zahl der E-Fahrzeuge bis zum Jahr 2035 nach unserer Schätzung auf acht bis zehn Millionen wachsen. Im Vergleich zu den Verbrennern haben sie einen um etwa 40 bis 50 Prozent niedrigeren Reparatur- und Wartungsaufwand. Im Rahmen der Transformation gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie Kfz-Betriebe von der E-Mobilität profitieren und sich als ein Rundum-Dienstleister präsentieren können.
Können Sie uns ein oder zwei Beispiele nennen?
Dazu gehört beispielsweise, Dienstleistungen rund um das Laden anzubieten. Wenn man ein wenig weiter in die Zukunft schaut, gibt es weitere Möglichkeiten wie die eines Energieanbieters. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Tarifen für öffentliche Ladenetze. Mit den neuen Regelungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, Stichwort Photovoltaik, können Kfz-Betriebe gar zu Stromproduzenten werden und den Strom entweder selbst nutzen oder weiterveräußern. Weitere Möglichkeiten für unsere Unternehmen ergeben sich etwa für Dienstleistungen im Bereich des Energiemanagements. Wir wissen, dass dies komplett neue Themenfelder für unsere Kfz-Betriebe sind und die Transformation Zeit benötigt. Dabei werden sie mit unserer fachlichen Expertise unterstützt.
Angesichts dieser Herausforderungen: Wieso setzt sich der ZDK so sehr für E-Fuels ein, obwohl sich selbst viele Hersteller auf das Elektromobilitätszeitalter einstellen?
Der Bestand an Pkw mit Benzin- oder Dieselmotoren lag laut KBA zum 1. Januar 2023 bei 45 Millionen Einheiten und bei 2,05 Millionen Elektrofahrzeugen. E-Fuels bieten die Möglichkeit, die vielen Millionen Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotor im Kfz-Bestand ohne technische Anpassungen in die Klimaschutzbemühungen einzubeziehen. CO2-neutrale Kraftstoffe sind damit ein unverzichtbarer Baustein der Energiewende im Verkehr. Dabei haben wir im Blick, dass die Europäische Union ihre Entscheidung zu den CO2-Flottengrenzwerten 2026 überprüfen wird. In vielen europäischen Ländern ist ein schneller Hochlauf der Elektromobilität schwierig. Auch deswegen müssen wir synthetische Kraftstoffe als Option offenhalten. Da sind wir uns gerade auch mit Bundesverkehrsminister Wissing einig.
Insgesamt müssen wir einen Spagat schaffen: Auf der einen Seite gute Löhne zahlen, um gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Auf der anderen Seite müssen unsere Leistungen für die Kunden bezahlbar bleiben.
Was sind Ihre Ziele für das nächste Jahr als Verbandspräsident?
Ganz wichtig sind die Themen Mitarbeitergewinnung und Fachkräftesicherung. Hier brauchen wir neue Initiativen. Ein Weg wird sein, neue Bevölkerungsgruppen als Arbeitskräfte zu gewinnen. Wir müssen auch bei der Ausbildung ansetzen. Unsere Azubis brauchen mehr technische Kompetenz. Insgesamt müssen wir einen Spagat schaffen: Auf der einen Seite gute Löhne zahlen, um gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Auf der anderen Seite müssen unsere Leistungen für die Kunden bezahlbar bleiben. Eine weitere Aufgabe betrifft das schon genannte Thema Fahrzeugdaten. Und nicht zuletzt geht es im fabrikatsgebundenen Handel um das Thema Franchise- und Agenturvertrieb. Wir brauchen hier Lösungen, die nicht nur für die Hersteller gut sind.
Herr Joswig, vielen Dank.
Die Fragen stellte Kerstin Thiele.