Fertigung

Karosserieproduktion der Zukunft?

Gigapressen ermöglichen Karosserievorder- und -hinterwagen aus einem Guss. Tesla setzt darauf, BMW und VW winken ab – auch mit Verweis auf die Reparaturfreundlichkeit.

Gigapresse zur Produktion von Autokarosserien
Gigapressen sind eine Alternative zur klassischen Karosserieproduktion, indem sie mit mehreren tausend Tonnen Presskraft große Teile der vorderen und hinteren Fahrzeugkarosserie in einem Guss fertigen. Bilder: Tesla (3), BMW (1)

Tesla ist anders – auch in der Produktion von Autos: Während die etablierten Hersteller eine Fahrzeugkarosserie aus über 400 Blechteilen mit 4.000 Schweißpunkten zusammenfügen, geht der Elektroauto-Pionier ganz anders vor.

Die tragenden Teile des Vorder- und Hinterwagens werden in einem einzigen Arbeitsschritt im Spritzgussverfahren aus flüssigem Aluminium gegossen. Das geschieht in einer sogenannten Gigapresse. Das Verfahren soll den Karosseriebau deutlich billiger und schneller machen.

Wie ein Auto nach einem Unfallschaden mit einer Bodengruppe aus wenigen großen Pressteilen zu reparieren ist, gehört zu den ungeklärten Fragen.

Ein Vorbild für VW, BMW und Co? Nicht unbedingt.

BMW baut gerade das Stammwerk in München für die Produktion der elektrischen „Neuen Klasse“ um. Eine Herkulesaufgabe während der laufenden Produktion, wie Werksleiter Peter Weber beim „Automobil Produktion Kongress“ erklärt: Im Werk im Münchner Norden sollen ab 2026 nur noch Elektroautos gebaut werden. Schon im November endet dort die Motorenproduktion – nach über 100 Jahren. Eigentlich wäre der Einsatz einer neuen Fertigungsmethode wie mit der Gigapresse also ideal.

BMW Karosserie-Produktion
BMW will auch nach dem Umbau seines Stammwerks an der klassischen Karosserieproduktion festhalten, bei der je nach Modell mehr als 400 Blechteile und 4.000 Schweißpunkte das blecherne Grundgerüst eines Autos bilden.

Doch Weber winkt ab: „Wir sind immer offen für neue Ideen und schauen uns solche Technologien genau an. Wir müssen aber sicherstellen, dass sie auch zu den Anforderungen passen hinsichtlich Crashtests, Reparaturkosten, Qualität.“

Ungeklärte Reparaturfragen

Offenbar passt die Tesla-Methode, größere Chassisteile in einem Stück zu gießen, nicht in das BMW-Konzept der Neuen Klasse.

Ohnehin kann BMW die angeblichen Kostenvorteile nicht nachvollziehen: „Der Karosseriebau ist bei uns schon hoch automatisiert.“ Und wie ein Auto nach einem Unfallschaden repariert werden kann, dessen Bodengruppe aus wenigen großen Pressteilen besteht, gehört ebenso zu den ungeklärten Fragen.

Zu einem ähnlichen Schluss wie BMW kommt auch Volkswagen: Für das Elektroauto Trinity und das neue Werk in Wolfsburg hatte VW den Einsatz großer Spritzgusspressen erwogen. Mit dem Trinity-Werk ist dieser Plan dann aber verworfen worden. Beim ID 2, VWs Einstiegsmodell der Elektroflotte, wird die Karosserie herkömmlich gebaut – allerdings auch hier hoch automatisiert.

Kein Teil der Karosserie wird noch von Menschenhand berührt, wenn der „Body in Black“ die Lackiererei verlässt und in die Endmontage geht. Künftig will VW auch die Endmontage stärker automatisieren. Statt Menschen sollen Roboter große Teile des Innenraums und der Technik montieren, so der Plan.

10.000 Euro pro Auto

Denn durch die Elektrifizierung steigt nochmals der Kostendruck auf die Hersteller. Der Mehrpreis für den batterieelektrischen Antrieb, rund 10.000 Euro pro Fahrzeug, kann nicht voll auf den Endkunden abgewälzt werden. Oder der Absatz bräche ein.

Mit einer 9.000-Tonnen-Presse soll sich die gesamte Bodengruppe des Tesla Cybertruck in einem Teil fertigen lassen.

Tesla setzt deswegen voll auf die neue Technologie: In jedem Tesla-Werk, auch in Grünheide, stehen Gigapressen des norditalienischen Unternehmens Idra Group. Angeblich sind sie der Hauptgrund dafür, dass ein Model Y in zehn Stunden gefertigt werden kann. Wettbewerber brauchen mehr als doppelt so lange, bis ein Elektroauto fertig ist.

Tesla Model-Y-Karosserie
Die blauen Abschnitte der Model-Y-Karosserie werden per Mega-Casting (Fachbegriff für Druckgussverfahren von Großbauteilen) in einem Teil von Gigapressen gefertigt. Bei konventioneller Produktion braucht es für einen solchen Abschnitt im hinteren Bereich zig Blech-/Stahlteile.

Idra gehört seit 2008 zur chinesischen LK Industries. Mit 6.000 Tonnen Presskraft können die Maschinen von der Größe eines Einfamilienhauses die vordere und hintere Fahrzeugkarosserie beziehungsweise die tragenden Teile in einem Stück aus Aluminium gießen. 60 einzelne Blechteile mussten dafür früher gepresst und verschweißt werden. Damit wird die Karosserie um bis zu 40 Prozent kostengünstiger, sagte Idra-Geschäftsführer Riccardo Ferrario in einem Reuters-Interview.

Die Karosserie ist nach dem Antrieb die zweitteuerste Komponente eines Autos. Für seinen Cybertruck plant Tesla sogar den Einsatz einer 9.000-Tonnen-Presse. Damit soll sich die gesamte Bodengruppe des Pickups in einem Teil fertigen lassen, wie Tesla-Chef Elon Musk beim jüngsten Investorentag angedeutet hat. Laut Idra gibt es neben Tesla noch weitere Automobilhersteller als Kunden – ohne Namen zu nennen.

Angeblich sind es Hyundai und Kia, ist zu hören. Auch Toyota, General Motors, Volvo und Nio sollen sich für die Gigapressen interessieren. Die deutschen Autohersteller winken derzeit ab.

2 Kommentare

  • Gunter Scholz

    Hallo !

    zwei Fragen:

    1) Warum braucht man für das Gießen so hohe Pressdrücke?
    2) Was geschieht eigentlich bei einem Modellwechsel mit den sehr teuren Formen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Gunter Scholz

  • Torsten Schmidt Chefredakteur

    Hallo Herr Scholz, ohne es im Detail zu wissen, denke ich hängt das damit zusammen, dass der Spritzguss entsprechend verdichtet werden soll. Bei der Größe der Teile ist dann hoher Druck notwendig.

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