‚Juristischer Parkettboden – neu gefliest’
Der Ersatzteilelieferant stellt bei defekten Zubehörartikeln häufig nur das mangelfreie Produkt zur Verfügung. Die Kosten des nochmaligen Einbaus gehen zulasten der Werkstatt, so die bisherige Rechtssprechung. Ob das allerdings so bleibt, muss jetzt in Luxemburg entschieden werden.
Eigentlich war alles geklärt:
Der BGH hatte bereits am 15. 07. 2008 (Az.: VIII ZR 211/07) entschieden, dass der Aufwand, welcher der Werkstatt durch die nachträgliche Reparatur entsteht, nicht zulasten des Ersatzteilhändlers geht (siehe dazu die KRAFTHAND 20/2008 Seite 62).
Allerdings scheinen die Karlsruher Richter sich ihrer Sache nicht mehr sicher zu sein und haben vorsorglich die Luxemburger Kollegen gebeten, einen ähnlich gelagerten Fall zu klären (Az.: VIII ZR 70/08).
Im Zentrum des Streits stehen wiederum „Bodenfliesen“, die sich ein Wohnungseigentümer aus einem Baustoffhaus besorgte und durch eine Firma in seiner Wohnung verlegen ließ (im eingangs erwähnten BGH-Fall ging es um Parkettstäbe). Bald darauf zeigten sich bereits diverse Mängel, infolgedessen forderte der Kunde den Baustoffhändler auf, sowohl die kaputten Fliesen als auch die „zukünftig noch entstehenden Aus- und Einbaukosten“ zu ersetzen. Der Händler erklärte sich lediglich dazu bereit, neue Fliesen bereitzustellen.
Unterschiedliche Meinungen
Trotz einiger einschlägiger Urteile scheinen sich die juristische Fachliteratur und die Rechtsprechung nicht darüber einig zu sein, welche Kosten denn tatsächlich zu den Nacherfüllungskosten gehören:
Einer Ansicht zufolge könne der Händler die Fliesen nur dann wechseln, wenn er die Kosten für das Entfernen der kaputten Teile sowie den Aufwand für das Verlegen der neuen Fliesen übernimmt (OLG Karlsruhe, Az.: 12 U 144/04 – diese Ansicht teilt auch der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes bezogen auf die Kfz-Branche). Teilweise reduzieren einige Experten die Kosten um die des Einbau, denn allenfalls sei der Ausbau notwendig, um die Mangelhaftigkeit zweifelsfrei feststellen zu können.
Nur in solchen Fällen, in denen der Käufer nachweisen kann, dass der Händler selbst die Mangelhaftigkeit der Teile verschuldet oder er offensichtlich gewusst hat, dass es sich um Ausschuss handelt, kann der Käufer die Einbaukosten als „Schadensersatz“-Position geltend machen (OLG Köln, Az.: 11 U 46/05; OLG Frankfurt, Az.: 15 U 5/07).
Eine dritte Auffassung, und zwar aus der juristischen Fachliteratur, sieht weder die Ausbau- noch die Einbaukosten als Nacherfüllungskosten an. Die einzige Pflicht des Händlers bestehe nur in der mangelfreien Lieferung der Fliesen, der Einbau durch den Käufer oder einer weiteren Person entziehe sich bereits seinem eigenen Einflussbereich. Der Bundesgerichtshof schließt sich dieser Meinung an, allerdings mit einer anderen Begründung:
Die BGH-Richter lehnen zwar auch die nachträglichen Einbaukosten durchwegs ab (Az.: VIII ZR 70/08 ), räumen allerdings dem Ausbauaufwand durchaus ‚formelle’ Chancen ein. Faktisch kann der Händler nach deutschem Recht bei „absoluter Unverhältnismäßigkeit der dafür erforderlichen Kosten“ sich den Ausbaukosten entziehen.
Ein solcher Fall liegt nach Ansicht des BGH dann vor, wenn „die Kosten der Nacherfüllung (Lieferung neuer Fliesen und Ausbau der mangelhaften Fliesen) […] den Wert der Fliesen im mangelfreien Zustand, der nicht mehr als den Kaufpreis beträgt, um deutlich mehr als 150 Prozent überschreiten“. Bei einem Zahnriemenwechsel ist beispielsweise diese Grenze schnell überschritten, der Materialwert nimmt im Vergleich zur Arbeitszeit einen verschwindend geringen Teil ein.
Deutsche Regelung ungültig?
Die Karlsruher Richter geben indes zu bedenken, dass „das deutsche Recht […] im Widerspruch zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie“ stehen könnte. Die Gewährleistungsvorschriften sind seit dem 01. 01. 2002 durch europarechtliche Vorgaben modifziert worden.
Für die Auslegung dieser Normen ist letztlich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zuständig. Deswegen war es nur eine Frage der Zeit, bis wieder Europa über deutsches Recht entscheidet – hoffentlich noch in 2009! @bi8: KRAFTHAND-Wissen Nacherfüllung im deutschen Recht @te9:Der Begriff der Nacherfüllung ist für deutsche Rechtspraktiker relativ neu, denn erst mit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 wurde er ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen. Darunter ist ein modifizierter „Erfüllungsanspruch“ zu verstehen. Verkauft ein Händler eine mangelhafte Ware, so hat er im Rahmen der Nacherfüllung entweder eine neue mangelfreie Ware zu liefern oder nachzubessern und somit seine ursprünglichen Pflichten zu „erfüllen“. @te9e:Problematisch ist allerdings der Umfang der Nacherfüllung. In § 439 Absatz 2 des BGB steht zwar, dass der Käufer von Transport- und sonstigen Kosten freigestellt werden soll, indes geht dieser Anspruch nur so weit, wie der Händler auch tatsächlich ‚leisten muss’. Im Kaufrecht erstreckt sich der Leistungsumfang bis zur Übertragung des Gegenstandes. Ein Weiterverarbeiten der Ware soll dagegen nicht mehr dem Risikobereich des Händlers zuzuordnen sein.
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