Hat der Verbrenner im Pkw durch E-Fuels doch noch eine Chance?
Eigentlich war das Aus für Verbrennungsmotoren in Neufahrzeugen ab 2035 bereits klar – zumindest innerhalb der EU. Ende Juni hat die Bundesregierung aber quasi in letzter Minute erreicht, dass die EU-Kommission einen Vorschlag formuliert, der klimafreundliche Kraftstoffe auch für Neuwagen mit Verbrennungsmotor berücksichtigt.
Die von Deutschland eingebrachte und von den EU-Mitgliedstaaten unterstützte Klausel verpflichtet die Europäische Kommission nun, bis 2026 einen Bericht zu erstellen, der sich unter anderem mit E-Fuels befasst.
Verkehrsminister Volker Wissing erklärte dazu: „Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 neu zugelassen werden sollen, wenn sie nachweislich nur mit E-Fuels betrieben werden.“ Als E-Fuels bezeichnet der Minister dabei synthetische Kraftstoffe, die aufgrund ihrer Herstellungsmethode den Betrieb von Verbrennern klimaneutral machen.
Krafthand-Redakteurin Kerstin Thiele verwundert die Entscheidung, sich nicht klar auf eine Technologie festzulegen. Gerade weil sich die meisten großen Automobilhersteller im Pkw-Bereich damit abgefunden haben, ab 2035 nur noch E-Fahrzeuge zu bauen. Was im Nutzfahrzeug- oder Luftfahrtsektor geschieht, steht ihrer Meinung nach auf einem anderen Blatt. Krafthand-Redakteur Florian Zink findet die Fixierung auf nur eine Technologie im Pkw-Sektor weltfremd und ist der Meinung, dass es immer gut ist, einen Plan B zu haben.
Gleich vorweg, das Elektroauto kommt, und das macht auch Sinn. Allerdings sollten Neuwagen und Bestandsfahrzeuge mit Verbrenner nicht zu schnell verschwinden, da diese ebenfalls in bestimmten Situationen und Regionen ihre Berechtigung haben – selbst in der EU und erst recht weltweit.
Denn wollen wir die Welt CO2-neutral gestalten, müssen wir auch global denken. Etwa 1,4 Milliarden Fahrzeuge weltweit (davon etwa 252 Millionen in der EU) lassen sich nicht einfach so durch E-Autos ersetzen. Und selbst wenn, würde dies um einiges mehr an CO2 verbrauchen als der Versuch, bestehende Verbrenner durch E-Fuels klimaneutral zu machen.
Darüber hinaus haben wir eine weltweit funktionierende Infrastruktur im Bereich der Kraftstoffversorgung – von der Ölförderung bis zur Zapfsäule. Und der Zufall will es, dass die ölexportierenden Länder genug regenerative Energie erzeugen könnten, um im großen Stil E-Fuels herzustellen. Zudem würden weitere Länder zusätzlich in Frage kommen, etwa Chile, das Strom aus Windkraft mit etwa 6.000 Volllaststunden pro Jahr liefern könnte – viermal mehr, als es in Deutschland möglich wäre.
Dieser Überfluss an regenerativer Energie, den manche Länder besitzen, ist allerdings auch notwendig für die Herstellung von E-Fuels, da die Erzeugung auf einen günstigen grünen Strom angewiesen ist. Hierzulande wäre die Herstellung nicht bezahlbar. Auf ein einzelnes Fahrzeug umgerechnet beziffern Experten der TU-Freiberg den Energiebedarf auf etwa 50 kWh pro 100 Kilometer, wenn der Verbrenner fünf Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Mit rund 20 kWh verbraucht ein E-Fahrzeug somit deutlich weniger.
Trotzdem sehe ich hier die einzige Chance, zusammen mit der Elektromobilität, bis 2035 klimaneutral zu werden. Vorausgesetzt natürlich, das Herstellungsverfahren (Direct Air Capturing) bindet genauso viel CO2 aus der Umgebungsluft, wie später im Verbrennungsprozess wieder freigesetzt wird.
Natürlich sind in Sachen E-Mobilität noch längst nicht alle Probleme gelöst. Um sich aber einen Verbrennungsmotor, der mit E-Fuels betrieben wird, CO2-neutral zu reden, braucht es schon eine gehörige Portion Wunschdenken.
Denn die Herstellung von E-Fuels ist nicht nur sehr energieaufwendig, sondern verursacht auch sehr lange Lieferketten, weil sie in entlegenen Regionen produziert werden. Volkswagen-Chef Herbert Diess veranschaulichte vor einiger Zeit in der Süddeutschen Zeitung an einem Beispiel, dass im Jahr 2030 ein E-Fahrzeug für zehn Euro 500 Kilometer weit kommt, während ein Fahrzeug mit E-Fuels für die gleiche Strecke 60 Euro kostet.
Außerdem geht es um utopisch große Mengen solcher synthetischer Kraftstoffe. Alleine die Versorgung in Deutschland wäre eine globale Herausforderung. So lag der Benzinverbrauch – ohne Diesel – laut Statistischem Bundesamt 2019 in Deutschland bei 16 Millionen Tonnen, in Liter umgerechnet sind das mehr als 21 Milliarden Liter.
In einer kommerziellen Großanlage in Chile – der weltweit ersten –, in der Porsche und Siemens E-Fuels erzeugen wollen, sollen ab 2026 gerade mal 550 Millionen Liter Kraftstoff entstehen. Vor 30 Jahren hätten solche Überlegungen zur wirksamen CO2-Reduktion vielleicht Sinn gemacht, aber jetzt rennt uns die Zeit davon.
Um es nochmal zusammenzufassen: Es ist zum einen zu spät, um Anlagen zu bauen, die den weltweiten Markt mit E-Fuels abdecken sollen, und zum anderen ist der Energieaufwand für die Herstellung und den Transport viel zu hoch. Die Idee, Strom in Regionen mit einem hohen Potenzial an regenerativer Energie zu erzeugen, ist nicht neu. Und sie ist gut. Aber es sollten mehr Anstrengungen unternommen werden, diese Energie ohne aufwendige Umwandlungsprozesse direkt in die Stromnetze einzuspeisen. Nur so lassen sich die Klimaziele der EU und weltweit lösen.
Im Klartext: Für die Mobilität im Pkw-Bereich brauchen wir keinen Plan B, sondern sollten unsere Kräfte auf die E-Mobilität bündeln, um eine sinnvolle Technologie möglichst schnell und effizient weiterzuentwickeln.
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