Höhere Gewalt oder Pflichtverletzung? In der Regel ist der Kfz-Profi nicht verantwortlich für Schäden nach einem Unwetter an Kundenfahrzeugen, die vor oder nach einer Reparatur auf dem Werkstattgelände abgestellt werden.
Nach heißen Tagen entlädt sich die aufgestaute Hitze oft in schweren Gewittern mit Hagel. Die Verwüstungen nach solchen Ereignissen beschäftigen häufig Versicherungsträger und Gerichte. Bei Einbußen am Pkw übernimmt in der Regel die Teilkaskoversicherung die Reparaturkosten am Fahrzeug. Dessen Halter muss allerdings nachweisen, dass der Schaden unmittelbar durch Hagelkörner verursacht wurde. Mit Daten des regionalen Wetterdienstes lässt sich dieser Nachweis führen. Dennoch: In vielen Fällen muss der Pkw-Halter einen ‚Rest’-Nachteil tragen – angesichts des vereinbarten Selbstbehalts (Selbstbeteiligung).
Angesichts der soeben zitierten Unsicherheiten (Nachweis des Hagelschauers, Selbstbehalt) treffen viele Pkw-Halter bereits im Vorfeld eines Gewitters Vorkehrungen, um Schäden am Fahrzeug zu verhindern. Deswegen stellen sich viele Betroffene zurecht die Frage, ob die Verantwortung des Halters auf den Kfz-Profi übergeht, wenn sich das Fahrzeug während eines Gewitters reparaturbedingt auf dem Werkstattgelände befindet.
Obhutspflicht im Rahmen des Reparaturauftrags
Schließt der Kunde mit dem Kfz-Profi einen Reparaturauftrag ab (im rechtlichen Sinne einen Werkvertrag, siehe OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 1014), so hat der Kfz-Profi das Fahrzeug in seine Obhut zu nehmen und vor weiteren Schäden zu bewahren (vergleiche OLG Bremen, VersR 1969, 524). Verletzt der Kfz-Profi diese Nebenpflicht in schuldhafter Weise, ist er zum Ersatz der daraus entstandenen Nachteile für den Kunden verpflichtet.
In schuldhafter Weise heißt, dass der Kfz-Profi oder seine Mitarbeiter zumindest fahrlässig das Fahrzeug ungeschützt dem Hagel überlassen hatten. Fahrlässigkeit setzt jedoch ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit voraus (Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 276 Randnummer 23).
Vorhersehbar und vermeidbar
Es wäre deswegen zu fragen, ob der Hagelschaden am Fahrzeug vorhersehbar war. Dem Kfz-Profi ist dabei nur eine ‚verkehrstypische’ Sorgfaltspflicht zu unterstellen. Diese verkehrstypische Sichtweise soll verhindern, dass der Kfz-Profi eine umfassende ‚Garantiehaftung’ (Verantwortung) für alle (nur) denkbaren Schäden an den sich in der Obhut des Kfz-Profis befindlichen Fahrzeugen übernimmt. Er hat jedoch nicht auf jeden Wetterbericht zu reagieren, sondern nur auf Hagelwarnungen des Wetterdiensts für seine Region.
Auch wenn ein Unwetter mithilfe des Wetterberichts vorhersehbar ist, müsste immerhin der mögliche Schaden am Fahrzeug vermeidbar gewesen sein. Das heißt, für den Kfz-Profi und für seine Mitarbeiter wäre im Rahmen des Zumutbaren der Schaden am Kundenfahrzeug abwendbar gewesen. Indes stehen nicht für sämtliche Kundenfahrzeuge ausreichend überdachte Abstellmöglichkeiten zur Verfügung; insbesondere für solche Pkw, die noch auf ihre Instandsetzung warten oder bereits repariert wurden und zur Abholung bereit stehen.
Selbst in diesem Zusammenhang ist abzuwägen, ob und inwieweit der Kfz-Profi jegliche Arbeiten zu unterbrechen und den Werkstattraum mit Fahrzeugen ‚aufzufüllen‘ hat, die sich noch auf dem Werkstatthof befinden. Maßgebend wären unter anderem die Warnstufe, mit der die Behörden das Unwetter belegen und die angesetzte Dauer der vom Kfz-Profi angenommenen Aufträge.
Mitverschulden des Kunden
Selbst wenn dem Kfz-Profi eine Verantwortung für die Schäden unterstellt werden kann, könnte der Ersatzanspruch noch am Mitverschulden des Kunden scheitern. Für fahrbereite Fahrzeuge (bereits reparierte Pkw oder solche mit geringen Mängeln) hat auch der Kunde eine gewisse Verantwortung, insbesondere dann, wenn er die Räumlichkeiten und Platzverhältnisse des Kfz-Profis kennt.
Im Übrigen kann die Sorgfaltspflicht des Werkstattinhabers bei beengten Verhältnissen nicht weiterreichen als die des Kunden oder Halters. Er würde sein Fahrzeug auch außerhalb des Gebäudes abstellen. Diesen Umstand muss deswegen der Kunde in Erwägung ziehen und selbst Abhilfe schaffen.
Schadenersatz nach dem Deliktsrecht
Grundsätzlich schließen vertragliche Beziehungen Ansprüche nach dem allgemeinen Deliktsrecht, das sich mit den Rechtsfolgen unerlaubter Handlungen beschäftigt, nicht aus. Zudem hat die Rechtsprechung die Haftung für unerlaubte Handlungen an fremden Rechtsgütern (etwa Eigentum) in den letzten Jahren sukzessive erweitert.
Gleichwohl muss eine Person nur solche Gefahrenquellen sichern (Verkehrssicherungspflicht; Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 823 Randnummer 35), die sie selbst geschaffen hat. Auf ein Gewitter und seine Folgen hat ein Kfz-Profi grundsätzlich keinen Einfluss (‚höhere Gewalt‘). Deshalb ist ein Schadenersatz nach dem Deliktsrecht in der Regel ausgeschlossen.
Bisherige Reparaturen am Fahrzeug
Grundsätzlich kann der Kfz-Profi die Vergütung für seine Tätigkeiten nur dann verlangen, wenn der Auftrag vollständig abgearbeitet und dem Kunden das Fahrzeug übergeben wurde. Ein Hagelschaden könnte zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen, der weitere Arbeiten am Fahrzeug unmöglich macht. In einem solchen Fall muss – die Schuldlosigkeit des Kfz-Profi unterstellt – der Kunde dennoch die bisherigen Tätigkeiten vergüten.