Garantieverweigerung (un-)möglich durch OEM
Kann ein Fahrzeughersteller eine Garantieleistung verweigern, wenn die freie Werkstatt eine Wartung nicht exakt nach dessen Vorgaben ausführt? Und muss diese dann haften? Entgegen dem, was man erwarten würde, nicht unbedingt.
Mittlerweile ist die Rechtslage bezüglich der Wartung von Fahrzeugen innerhalb des Gewährleistungs-/Garantiezeitraums in einer freien Werkstatt klar: Hersteller dürfen eine Garantieleistung nicht allein deswegen ablehnen, weil eine freie Werkstatt die Service- oder Reparaturleistung vorgenommen hat. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Leistungen (z. B. Inspektionsumfang) der freien Werkstatt den Vorgaben des jeweiligen Fahrzeugherstellers entsprechen. Denn dieser kann grundsätzlich über die Garantiebedingungen entscheiden.
Das heißt, der OEM kann als Garantiegeber weitgehend selbst bestimmen, welche Leistungen wie zu erbringen sind, um an sein Garantieversprechen gebunden zu sein. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass zwischen Garantie und Gewährleistung zu unterscheiden ist, wie der Exkurs im Wissenskasten auf Seite 72 zeigt.
Geht man nun davon aus, dass grundsätzlich auch freie Werkstätten die Serviceleistungen durchführen dürfen, ohne dass die Herstellergarantie entfällt, stellt sich die Frage:
Wie ist die Rechtslage, wenn die Serviceleistung nicht gemäß den Herstellervorgaben durchgeführt wird und der Hersteller aus diesem Grund die Garantieansprüche zurückweist? Und muss in einem solchen Fall die freie Werkstatt gegenüber dem Kunden haften?
Zum besseren Verständnis dazu zwei Fallbeispiele:
Fallbeispiel 1 – Schaden ohne Zusammenhang
Die freie Werkstatt hat bei einer routinemäßigen Wartung eine Serviceaktion für die Klimaanlage nicht beachtet. Später kommt es zu einem Getriebeschaden. Der Hersteller lehnt die Garantie mit der Begründung ab, dass der Service nicht gemäß seinen Vorgaben durchgeführt wurde. Die Kernfrage lautet: Kann der Hersteller die Garantieansprüche auch dann zurückweisen, wenn die fehlende/fehlerhafte/abweichende Serviceaktion mit dem Schaden in keinerlei Zusammenhang steht?
In seiner grundlegenden Entscheidung zur Wirksamkeit von Garantieklauseln hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 25.09.2013, Az. VIII ZR 206/12) unter anderem entschieden (Zitat aus der Pressemitteilung Nr. 156/ 2013 des Bundesgerichtshofs vom 25. September 2013):
„…Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Klausel in einem vom Garantiegeber formularmäßig verwendeten Gebrauchtwagen-Garantievertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn sie die Leistungspflicht des Garantiegebers für den Fall, dass der Garantienehmer die vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten nicht durchführen lässt, unabhängig davon ausschließt, ob das Säumnis des Garantienehmers mit seiner Wartungsobliegenheit für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. (…)“
Übersetzt heißt das für das Fallbeispiel 1: Sieht eine bestimmte Klausel in der Herstellergarantie vor, dass die Garantie ausschließlich nur dann greift, wenn die vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Hersteller oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt, ist diese Klausel grundsätzlich unwirksam. Denn hier werden nicht nur freie Werkstätten ausgeschlossen. Vielmehr bleibt auch die Garantie nach diesen Vorgaben auch dann aus, wenn die Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten nichts mit dem Schaden zu tun haben.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass wenn die Klausel danach unterscheidet, ob die fehlenden/fehlerhaften/anderweitigen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten mit dem Schaden kausal im Zusammenhang stehen, der Ausschluss der Garantie dann im Einzelfall möglich sein kann. Hier kommt es auf die exakte Formulierung der Klausel und die Umstände im Einzelfall an.
Zusammengefasst lässt sich Beispiel 1 wie folgt auflösen: Sehen die Garantiebedingungen vor, dass die Garantie pauschal auf jeden Fall entfällt, wenn keine Vertragswerkstatt aufgesucht wurde und/oder erfolgt keine Unterscheidung, ob ein Schaden und fehlende/fehlerhafte/anderweitige Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten mit dem Schaden kausal im Zusammenhang stehen, kann man davon ausgehen, dass Hersteller die Garantie nicht ablehnen.
Tipp: Kfz-Betriebe sollten ihre Kunde hierüber informieren und eine pauschale Ablehnung durch den Hersteller nicht ohne Weiteres hinnehmen.
Fallbeispiel 2 – falscher Wartungsplan
Der Wartungsplan des Herstellers sieht den Wechsel der Zündkerzen vor. Die freie Werkstatt hat allerdings einen falschen Wartungsplan, der den Wechsel der Zündkerzen nicht vorsieht, sodass die Werkstatt diese Leistung gemäß ihrem Wartungsplan auch nicht ausführt. Kurz darauf kommt es zu einem Motorschaden am Fahrzeug, was auch auf dem fehlenden Wechsel der Zündkerzen beruhen kann, aber nicht zwingend muss.
Die Kernfrage lautet hier: Kann der Hersteller die Garantieansprüche zurückweisen, wenn ein zumindest theoretischer Zusammenhang zwischen fehlender/fehlerhafter/abweichender Wartung und dem Schaden besteht? Und haftet die Werkstatt in diesem Fall gegenüber dem Kunden oder kann sich die Werkstatt entlasten, indem sie darlegt, dass die fehlerhafte Wartung nicht für den Schaden (mit-)ursächlich war?
Wie in Beispiel 1 kommt es auch hier auf die konkrete Formulierung der Garantiebedingungen an. Ohne Differenzierung danach, ob Schaden und fehlende/fehlerhafte/anderweitige Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten mit dem Schaden kausal im Zusammenhang stehen, wird die Ablehnung der Garantie auch in diesem Fall eher unzulässig sein.
Unterstellt, die Garantiebedingungen sehen nun aber eine solche Differenzierung vor und halten dem Käufer auch die Möglichkeit offen, eine freie Werkstatt aufzusuchen. Dann besteht für die Kfz-Werkstatt Handlungsbedarf. Je nachdem wie die Garantieklausel im Einzelfall formuliert ist, muss sie darlegen, warum ihre fehlerhafte/abweichende Leistung nichts mit dem Schaden zu tun hat. Kann sie dies nicht oder nicht vollumfänglich, kommt eine (anteilige) Haftung in Betracht. Denn wenn dem Kunden Garantieleistungen entgehen und ihm dadurch nachweislich ein Schaden entsteht, den die Kfz-Werkstatt zu vertreten hat, muss die Kfz-Werkstatt in der Regel entsprechenden Schadenersatz leisten.
Fazit
Die Themen Herstellergarantie, Gewährleistung und (Vertrags-)Werkstätten stehen in der Praxis immer wieder im Kreuzfeuer. Grundsätzlich geklärt dürfte in diesem Zusammenhang mittlerweile aber sein, dass die Herstellergarantie nicht automatisch und ausnahmslos dann erlischt, wenn der Kunde keine Hersteller- oder Vertragswerkstatt aufgesucht hat. Freie Werkstätten dürfen diese Leistungen gleichermaßen ausführen, ohne dass ihre Kunden Angst haben müssen, dass die Herstellergarantie entfällt. Das gilt zumindest dann, wenn die Leistungen durch die freie Werkstatt gemäß den Herstellervorgaben erfolgen.
Passiert das nicht und werden die Service-, Wartungs- oder Reparaturarbeiten fehlerhaft, unvollständig oder abweichend ausgeführt, kann es im Einzelfall zu Problemen und Diskussionen sowohl mit dem Kunden als auch mit dem Hersteller kommen. Gleichwohl sind Kfz-Werkstätten aber auch in diesen Fällen nicht schutzlos gestellt. Denn wenn der Schaden nichts mit der Wartung zu tun hat, kann die Herstellergarantie im Einzelfall doch wieder greifen. Dies sollten Kfz-Betriebe im Hinterkopf behalten und sich im Zweifel rechtskundigen Rat einholen.
Gewährleistung versus Garantie
In der Praxis werden Gewährleistung und Garantie häufig gleichgesetzt und synonym verwendet. Rechtlich gibt es zwischen beiden Fällen aber erhebliche Unterschiede:
Gewährleistung: Die Gewährleistung ist gesetzlich festgeschrieben und kann – wenn überhaupt – nur in geringem Umfang eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Im Rahmen der Gewährleistung gelten zu Gunsten von Verbrauchern Beweiserleichterungen und auch die Rechtsfolgen sind – je nach Vertrag – gesetzlich festgeschrieben.
Garantie: Bei der Garantie handelt es sich demgegenüber um eine freiwillige Zusatzleistung, die der Garantiegeber (z. B. Automobilhersteller) zusätzlich zur Gewährleistung abgibt. Deshalb kann er auch weitgehend selbst bestimmen, in welchen Fallkonstellationen und in welchem Umfang er die Garantie geben will. Der Garantiegeber bestimmt auch, wie lange er sich an das Garantieversprechen gebunden fühlt.
Tipp: Gewährleistung und Garantie überschneiden sich, etwa bei Neuwagen, in der Regel in den ersten beiden Jahren nach dem Kauf. Hier kann der Kunde grundsätzlich frei wählen, ob er sich auf die Gewährleistungsrechte oder die Garantieansprüche stützt. Je nach Einzelfall kann das eine oder das andere vorteilhaft sein. Für Kfz-Betriebe ist es wichtig, diesen Unterschied zu kennen und den Kunden darauf hinzuweisen.ar
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