Grundlagen Kfz-Hochvolttechnik

Freischalten eines Hochvolt-Systems

Es gibt unterschiedliche Verfahren zum Freischalten eines HV-Systems. Bei einigen Fabrikaten wird der Fahrzeug-Systemtester sowohl zum Freischalten als auch zum Überprüfen der Spannungsfreiheit eingesetzt. Andere Hersteller geben genaue Schritte vor, die der Mechatroniker ausführen muss. Beim Freischalten geht es immer darum, das HV-System spannungsfrei zu machen. Das bedeutet, dass an allen leitenden HV-Kontakten keine Spannung mehr vorhanden sein darf. Erst dann kann am System gefahrlos gearbeitet werden.

Ob und für welche Arbeiten ein Fahrzeug frei geschaltet werden muss, entnimmt man den Herstellerunterlagen.

Prinzipiell muss das HV-System eines Fahrzeug immer dann spannungsfrei sein, wenn

  • Arbeiten am HV-System durchgeführt werden sollen;
  • Arbeiten am Fahrzeug durchgeführt werden sollen, die das HV-System zwar nicht betreffen, bei denen der Mechatroniker aber in den Bereich von Spannung führenden Komponenten kommt;
  • Arbeiten am Fahrzeug durchgeführt werden, bei denen Isolierungen von HV-Leitungen oder HV-Komponenten beschädigt werden könnten, wie zum Beispiel beim Schweißen.
Kennzeichnung Arbeitsbereich Hochvolt-Fahrzeug
Abbildung: Der Arbeitsbereich für ein HV-Fahrzeug muss deutlich gekennzeichnet werden.

 

Zum Freischalten sollte es eigentlich genügen, wenn bei einem HV-eigensicheren Fahrzeug die 12-V-Batterie abgeklemmt wird. Da die Trennrelais dann die HV-Leitungen in der HV-Batterie unterbrechen, wäre das gesamte HV-System schon spannungsfrei. Ähnliches gilt auch bei Unterbrechung der Pilotlinie, zum Beispiel durch Ziehen eines Interlock-Steckers. Eine weitere Möglichkeit ist, den Batterie-Trennstecker zu entfernen. Die HV-Batterie wird dadurch in der Mitte getrennt und es besteht zwischen HV-Plus und HV-Minus kein Bezug mehr. Auch wenn der Hersteller eines Fahrzeuges nur eine dieser Varianten vorschreibt, empfiehlt es sich, mehrere, wenn möglich sogar alle Optionen der Freischaltung durchzuführen. In erster Linie ist der Kfz-Profi ja für seine eigene Sicherheit verantwortlich.

Um die eigene Sicherheit nicht zu gefährden, sollten auch beim Freischalten bereits Sicherheitshandschuhe getragen werden. Diese sind vor der Verwendung unbedingt auf ihre Dichtheit zu prüfen.

Handschuhe lassen sich durch Aufblasen oder einfaches Zusammendrehen auf Dichtheit prüfen. Solange keine Luft aus dem Handschuh entweicht, ist er dicht. Natürlich sind zwingend beide Handschuhe zu prüfen. Zudem dürfen nur zugelassene Handschuhe verwendet werden.

Die Handschuhe müssen der Sicherheitsklasse 0 entsprechen und sind bis 1.000V zugelassen. Einige Hersteller schreiben für die Freischaltung auch das Tragen einer Schutzbrille vor. Bei HV-eigensicheren Fahrzeugen ist das eigentlich nicht erforderlich, weil die Kontakte ja so gestaltet sind, dass es nicht zu einer Lichtbogenbildung kommen kann. Möchte man aber ganz sicher gehen, ist die Verwendung zumindest einer Schutzbrille anzuraten.

Leider benutzen Hersteller manchmal unterschiedliche Bezeichnungen für verschiedene Komponenten. So schreibt etwa Mercedes-Benz zum Freischalten des ‚S 400 Hybrid‘ das „Abziehen des Service-Disconnect-Steckverbinders an der HV-Batterie“ vor. Unter einem ‚Service-Disconnect-Steckverbinder‘ versteht man im Allgemeinen aber den Trennstecker, der eine HV-Batterie in zwei Teile teilt. Bei Mercedes jedoch ist dies der Stecker, der die HV-Batterie mit dem DC-DC-Wandler verbindet. Durch Ziehen dieses Steckers wird also nicht die HV-Batterie aufgetrennt. Da der Stecker aber – wie alle anderen HV-Stecker auch – mit einer Pilotlinie überwacht wird, löst das Ziehen der Steck-verbindung einen Interlock aus und die Trennrelais schalten die HV-Spannung ab.

Andere Hersteller wiederum fordern ‚nur‘ das Abschalten der Zündung. Bei einigen Fabrikaten muss zusätzlich der Batterie-Trennstecker entfernt und auch noch die 12-V-Batterie getrennt werden.

Hybridfahrzeuge haben oftmals keinen 12-V-Starter mehr, sondern werden mithilfe des Elektromotors über die HV-Batterie gestartet. Nicht selten besitzen sie einen sogenannten ‚bidirektionalen‘ Wandler. Dieser kann nicht nur aus einer HV-Spannung eine bordnetztaugliche Spannung von etwa 14 V machen, sondern auch umgekehrt aus dem Bordnetz HV-Spannung generieren. Verwendet wird dies, wenn die HV-Batterie leer ist und der Verbrennungsmotor gestartet werden soll.

Die ist ein Auszug aus dem Fachbuch:

Grundlagen Kfz-Hochvolttechnik – Basiswissen, Komponenten, Sicherheit

2. Auflage 2017, von Martin Frei, 88 Seiten, 100 Abbildungen/Grafiken/Tabellen, 29,95 Euro

 

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