Interview mit Jeffrey Kilian

„Fast jede freie Werkstatt wird E-Service anbieten“

Jeffrey Kilian ist Vorsitzender der Bundesfachgruppe freie Werkstätten (BFG FW), ZDK/ZVK-Vorstand sowie Landesinnungsmeister und Vizepräsident des Kfz-Landesverbands Rheinland-Pfalz. Das Bild zeigt ihn vor seinem Betrieb in Bad Kreuznach mit dem Schild der vom ZDK konzipierten Qualitätsmarke „eCar-Service”. Bild: ProMotor

Jeffrey Kilian, Vertreter der freien Werkstätten im ZDK, zu Reparaturkompetenzen im Bereich E-Mobilität, (un)begrenztem Datenzugang und der Frage, ob Werkstattkonzepte noch zeitgemäß sind

Herr Kilian, sind freie Werkstätten ausreichend darauf vorbereitet, (mutmaßlich) immer mehr E-Fahrzeuge zu reparieren oder zu warten?

Da die Kundenakzeptanz in Bezug auf die E-Mobilität sowie die Verteilung elektrisch betriebener Fahrzeuge in Deutschland regional sehr heterogen ausfällt, sind freie Werkstätten unterschiedlich vorbereitet. Der Grad der Vorbereitung hängt von der Anzahl elektrisch betriebener Fahrzeuge im Einzugsbereich der Werkstatt ab. So gibt es bereits heute viele freie Betriebe, die optimal vorbereitet sind – sowohl bei der technischen Ausstattung als auch bei der Qualifizierung –, aber auch solche, die aufgrund der Fahrzeuganzahl noch abwarten können.

„Es muss auch freien Werkstätten möglich sein, ihren Kunden wettbewerbsfähige digitale Dienstleistungen anzubieten, die wirklich unabhängig vom OEM sind.“

Und in der Zukunft?

Ich gehe davon aus, dass zukünftig fast jede freie Werkstatt ihren Kunden Services an elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen anbieten wird, sofern die Vorgaben der Bundesregierung, 15 Millionen Fahrzeuge mit reinem Batterieelektroantrieb oder Plug-in-Hybridantrieb im Jahr 2030, auch wirklich erreicht werden. Unabhängig davon können Kfz-Werkstätten mit der vom ZDK konzipierten Qualitätsmarke „eCar-Service” ihre Kompetenzen und Fertigkeiten bezüglich elektrisch betriebener Fahrzeuge gegenüber den Kunden signalisieren.

Welche Aspekte müssen noch geregelt werden?

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kundenakzeptanz entwickelt, wenn im kommenden Jahr die Fördertöpfe weiter schrumpfen. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Verbindung mit den Reichweiten spielt eine große Rolle sowie die Beschaffungspreise als wesentlicher Einflussfaktor.

Wie gestaltet sich der freie Datenzugang in freien Werkstätten aktuell? Was sind die größten Gefahren?

Vernetzte Autos liefern viele neue Funktionen, die innovative, digitalisierte Geschäftsmodelle ermöglichen. Der Fernzugriff auf Daten im Fahrzeug ermöglicht zum Beispiel die Vorhersage über das Verschleißverhalten von Ersatzteilen. Derjenige, der den Erstzugriff auf solche Fahrzeugdaten und -ressourcen hat – dies ist aktuell ausschließlich der Fahrzeughersteller (OEM) –, verfügt über einen essenziellen Wettbewerbsvorteil. Dadurch besteht die Gefahr, dass freie Werkstätten insbesondere bei der Fahrzeuginstandsetzung benachteiligt werden.

Können Sie ein Beispiel geben?

Ich kenne aktuelle Fälle, etwa von BMW-Modellen, bei denen Kunden direkt im Fahrzeug über erforderliche Reparaturen informiert werden. Im Anschluss werden Termine in einer BMW-Werkstatt angeboten, so dass freie Werkstätten trotz ihrer häufig günstigeren Angebote außen vor sind. Es muss auch freien Werkstätten einfach ermöglicht werden, ihren Kunden wettbewerbsfähige digitale Dienstleistungen anzubieten, die wirklich unabhängig vom OEM sind.

Gibt es weitere Hemmnisse?

Weitere Hemmnisse können bestehen, wenn OEM aufgrund etwaiger Cybersicherheitsbedenken erwägen, freien Werkstätten den Zugriff auf fahrzeuggenerierte, cybersicherheitsrelevante Daten vorzuenthalten. Dies ist deshalb so relevant, da für alle Neufahrzeuge der Klassen M und N ab dem 1. Juli 2024 Cybersicherheitsmaßnahmen (z. B. um das Hacken eines Fahrzeugs zu verhindern) erforderlich werden.

Der ZDK engagiert sich mit dem serma.eu-Portal dafür, den Zugang zu sicherheits- und diebstahlrelevanten Daten zu erleichtern. Gibt es seitens des Verbands etwas Vergleichbares für cybersicherheitsrelevante Fahrzeugdaten, die nicht in diese Kategorie fallen?

 

Zu sicherheits- und diebstahlrelevanten Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI) zählen Informationen, Software, Funktionen und Dienstleistungen, die für die Reparatur und Wartung erforderlich sind, um unter anderem zu verhindern, dass – ganz wichtig – Fahrzeuge gestohlen werden. Welche RMI sicherheits- und diebstahlrelevant sind, legt daher der OEM fest. Grundsätzlich fallen aber Motorsteuergeräte, Fahrzeugschlüssel und Informationen oder Software zur Schlüsselprogrammierung darunter. Für fahrzeuggenerierte, cybersicherheitsrelevante Daten gibt es aktuell keine vergleichbare Erleichterung. Aber der ZDK setzt sich politisch dafür ein, dass mit der Serma-Zulassung/-Autorisierung auch der Zugriff auf fahrzeuggenerierte, cybersicherheitsrelevante Daten ermöglicht wird. Allerdings kann ich dazu noch keine Einschätzung abgeben.

„Die Anzahl von Kfz-Betrieben mit Werkstattkonzept wird steigen.“

Sind Werkstattkonzepte noch zeitgemäß? Welchen Mehrwert bieten sie freien Werkstätten bestenfalls?

Ganz klares Ja! Im Jahr 2018 gab es in Europa 396 Werkstattkonzepte mit rund 120.000 angeschlossenen Betrieben. Mehr als 30 Prozent der Kfz-Werkstätten sind Partner eines Werkstattkonzepts. Zu den Vorteilen von solchen Konzepten zählen insbesondere Skaleneffekte (z. B. bei der Ersatzteilbeschaffung, Außensignalisation, Marketing sowie bei Versicherungen oder der Buchführung), die vielfach nicht zu den Kernkompetenzen von freien Werkstätten zählen. Ich gehe davon aus, dass durch den sich weiter verschärfenden Wettbewerb im Kfz-Gewerbe die Anzahl von Werkstätten mit Werkstattkonzepten tendenziell steigt.

Herr Kilian, vielen Dank.

Die Fragen stellte Kerstin Thiele.

 

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