Falsch verbaute Größe

Leseprobe aus dem achten Band der „Zu Ende denken“ – Reihe. Hier finden Sie einen kniffligen Werkstattfall aus der Rubrik Bremse/Fahrwerk/Reifen.

Falsch verbaute Größe
Aus Krafthand 21/2017

Ein Kunde brachte vor einiger Zeit seinen Škoda Roomster mit Dreizylinder-Pumpe-Düse-Motor zu uns in die Werkstatt. Die Beanstandung des Kunden lautete: Das Fahrzeug gibt sporadisch von selbst Gas beziehungsweise beschleunigt von selbst. Der Kfz-Meister fuhr zusammen mit dem Kunden den Hochdachkombi zur Probe. Allerdings gab es während der Fahrt nichts zu beanstanden.

Wieder in der Werkstatt verkabelte der Mechatroniker den Diagnosetester mit dem Fahrzeug und las den Fehlerspeicher aus. Zu unserer Überraschung war im Speicher nichts eingetragen, nicht einmal ein Hinweis auf einen sporadischen Fehler. Nach der Auftragsannahme wurde der Werkstattkollege damit beauftragt, die Kundenbeanstandung zu lokalisieren und das Fahrzeug zu reparieren.

Parameter prüfen

Unser Mechatroniker begab sich mit dem Roomster und einem angeschlossenem Diagnosegerät auf Probefahrt, um einige relevante Messwerteblöcke zu prüfen. Leider ließ sich anhand der Messwerte nichts Eindeutiges in Hinblick auf die Kundenbeanstandung feststellen. Deshalb kam für ihn als Fehlerursache nur das Motorsteuergerät in Betracht. Der Kfz-Fachmann bestellte daraufhin ein neues Motorsteuergerät. Am nächsten Morgen verbaute er das Bauteil im ­Fahrzeug und passte es an die Fahrzeugelektronik an. Die anschließende Probefahrt verlief jedoch ernüchternd. Das Problem, das der Kunde schilderte, war nach wie vor vorhanden.

Peripherie genau prüfen

Nachdem wir alle noch ratlos über die Problematik dis­ku­tierten, nahm sich jetzt unser Servicetechniker das ­Fahrzeug vor. Er überprüfte während der Probefahrt mit angeschlossenem Diagnosegerät einige Messwerte des Motorsteuergeräts. Diese entsprachen jedoch den Vorgaben des Fahrzeugherstellers.

Nach Studium der einschlägigen Reparaturunterlagen und Schaltpläne vermutete der Techniker nun, dass über das ESP-Steuergerät eventuell eine Drehmomentanforderung für das Motorsteuergerät vorliegen könnte. Dies stellte sich letztlich als die richtige Diagnose heraus. Als nächsten Schritt überprüfte der Servicetechniker die am Fahrzeug verbauten Räder anhand der Größenbezeichnungen. Es waren an der Vorderachse Räder mit einem anderen Höhen-/Breitenverhältnis verbaut als an der Hinterachse. Eine Nachfrage beim Kunden ergab, dass vor kurzem durch einen Reifenhändler an der Vorderachse zwei Reifen ersetzt worden sind. Mit Einverständnis des Kunden montierten wir zwei neue Reifen in den richtigen Dimensionen. Eine abschließende Probefahrt bestätigte die richtige Fehlerdiagnose, die Beanstandung war behoben.

Dies ist ein Beispiel dafür, dass sich bei modernen Kraftfahrzeugen die Fehlersuche nicht nur auf den angegebenen Problembereich beschränken sollte. Es sind grundsätzlich auch andere Systeme mit einzubeziehen. In unserem Fall schickte das ESP-Steuergerät aufgrund der unterschiedlichen Raddrehzahlen an Vorder- und Hinterachse via CAN-­Datenbus eine Drehmomentanforderung an das Motorsteuergerät. Das falsche Signal an das Motorsteuergerät und letztendlich die falschen Pneus auf der Vorderachse waren also für das Verhalten des Fahrzeugs verantwortlich.

Lorenz Wächter, Marktschellenberg

S.87: Am falschen Rad drehen: Lässt sich die Drehmomentanforderung des ESP-Steuergeräts via CAN-Bus an das Motorsteuergerät auf falsche Räder­dimensionen zurückführen? Bild: Rudolf Guranti

Dieses Kapitel ist in folgendem Fachbuch erschienen: