Die Fahrzeugdiagnose sowie die Software-Updates via OBD-Protokoll und CAN-Bus benötigen Zeit. Darüber hinaus steigt die Anforderung an die Vernetzung der zahlreichen Steuergeräte im Fahrzeug. CAN- LIN-, FlexRay- und MOST-Bussysteme haben Ihre Vorteile und lange Jahre ihre Funktion erfüllt.
Sie genügen jedoch meist nicht mehr den Anforderungen an die interne Konnektivität. Die Datenmengen steigen, beispielsweise durch den Einsatz intelligenter Kamerasysteme für entsprechende Fahrerassistenzsysteme im Fahrzeug, rasant an. Die Anforderungen der Echzeit-Verarbeitung der Daten (aus sicherheitsrelevanten Gesichtspunkten) sowie der einfacheren und kostengünstigeren Umsetzung im Fahrzeug ebenso.
Der Ansatz der Automobilindustrie ist es, Steuergeräte zu einigen wenigen Funktionseinheiten zusammenzufassen sowie über echtzeitfähiges Ethernet ‚konfliktfrei‘ (parallel) zu vernetzen. Die einheitlichen Protokolle stehen zur Verfügung. Für die OBD-Diagnose ändert sich erstmal nichts – die OBD-Schnittstelle bleibt erhalten.
Diagnostics over Internet Protokoll (DoIP)
DoIP (ISO-Norm 13400-2) ist ein auf Ethernet basierendes Bussystem, das den Automobilherstellern neue Konzepte bei der Diagnose von Fahrzeugen ermöglicht. DoIP dient quasi als Transportprotokoll für die sogenannten Unified-Diagnostic-Services (UDS ISO 14229-1). Durch DoIP stehen höhere Datenraten zur Verfügung. Komplexe Diagnoseaufgaben und Flash-Anwendungen lassen sich dadurch erheblich beschleunigen. Die DoIP-Ethernet-Schnittstelle ist in die OBD-Schnittstelle integriert.
Hella Gutmann Solutions stellt die derzeitigen DoIP-Diagnosefunktionen in der bereits vorhandenen Diagnose-Software zur Verfügung. Das bedeutet, dass an heutigen Fahrzeugen, welche über Ethernet kommunizieren, wie es zum Beispiel beim Volvo XC90 oder der BMW 5er-Serie der Fall ist, sämtliche Diagnosemöglichkeiten, bis hin zu Justierungen, Kalibrierungen und Codierungen, ohne Zusatzkosten durchführbar sind.
Eigenen Angaben zufolge ist Hella Gutmann auch vorbereitet, sollten Fahrzeughersteller in Zukunft zusätzliche Ethernet-Übertragungsprotokolle einführen.
Info
Ethernet kann viele derzeitige Netzwerk-Generationen und Bussysteme wie FlexRay und MOST im Fahrzeug ersetzen. Es ist leistungsfähiger und flexibler und in der Lage auch große Datenmengen (die beispielsweise von Sensoren- oder Kamerasystemen generiert werden) ‚konfliktfrei‘ zu verarbeiten.
Updates ‚Over the Air
Mit Updates ‚over the air‘ möchte Bosch in Zukunft Steuergeräte im Fahrzeug automatisch aktualisieren. Vergleichbar ist der Ansatz mit dem Update von Smartphone-Apps. Moderne Automobile werden in Zukunft ohnehin mehr und mehr vernetzt sein – mit dem Internet, anderen Fahrzeugen oder der Infrastruktur.
Die Anforderungen beim ‚Flashen‘ ‚over the air‘ sind jedoch ungleich höher.
Neue Verschlüsselungstechnologien müssen ein schnelles und vor allem sicheres
Update über die mobilen Netze ermöglichen. Bosch möchte die Technologie, von den entsprechenden Steuergeräten und der Kommunikationsinfrastruktur im Fahrzeug bis zu den Verschlüsselungssystemen, aus einer Hand bereitstellen.
Eines der Hauptargumente von Bosch für ‚over the air‘ ist die Zeitersparnis für den Autobesitzer. Aber auch die Fahrzeughersteller sind sehr an dieser Technologie interessiert. Beispielsweise ließen sich zahlreiche
Rückrufaktionen auf diesem Weg ohne aufwendige Kundenanschreiben und Werkstattaufenthalte durchführen.
Ein Over-the-air-Update könnte laut Bosch in etwa so funktionieren: Auf dem Smartphone oder über das Infotainment-System im Fahrzeug lassen sich sowohl Online-Sicherheits-Updates starten als auch neue Funktionen auswählen, die geladen werden sollen. Die Informationen gehen an eine Cloud, die sie wie ein App-Store bereitstellt und den Download der Software direkt ins Fahrzeug startet.
Die Daten werden entweder während der Fahrt im Hintergrund oder über Nacht in der heimischen Garage geladen. Sobald das Fahrzeug in einem sicheren Zustand ist (nicht im Fahrbetrieb), werden die Software-Updates auf den entsprechenden Steuergeräten installiert und sind unmittelbar wirksam. Auch das Nachrüsten von Assistenzfunktionen ist nach Einbau der nötigen Hardware denkbar.
Die Sicherheit muss an erster Stelle stehen!
Schlagzeilen machten bereits erste Angriffe von Hackern, die über eine drahtlose Verbindung auf den CAN-Bus eines Fahrzeugs zugreifen konnten. Einfallstore sind beispielsweise drahtlose (über WLAN oder über SIM-Card) OBD-Dongles, die nicht passwortgeschützt sind. Es lassen sich so über das Smartphone verschiedene Parameter wie Geschwindigkeit, Öl- und Kühlwassertemperatur oder die Motordrehzahl darstellen. Auch digitale Fahrtenbücher sind möglich.
Hacker können so theoretisch die Kontrolle über ein Fahrzeug übernehmen, den Motor abstellen oder sogar Sicherheitssysteme lahm legen. Bei BMW sind den Angaben zufolge deshalb alle fahrsicherheitsrelevanten Dinge von der OBD-Schnittstelle abgekoppelt. Andere Fahrzeughersteller haben ähnliche Vorkehrungen getroffen. In der modernen IoT-Welt (Internet of Things) werden in Zukunft immer mehr Pkw mit immer mehr Anwendungen von Außen kommunizieren. Aus diesem Grund müssen etwaige Schnittstellen absolut sicher sein. Die IT-Sicherheit im Pkw steht an erster Stelle!
Die Datenhoheit im Allgemeinen soll laut VDA stets beim Autobesitzer bleiben. Einem VDA-Papier zufolge soll er auswählen können, welche Daten der Fahrzeughersteller den Kfz-Werkstätten, den Versicherern oder Internetanbietern oder anderen Drittanbietern zur Verfügung stellt. Denkbar wäre auch eine Informationspflicht bei etwaigen Updates.
Das PassThru-Verfahren – Equipment, Datenzugang, praktische Umsetzung
1. Auflage 2018, 32 Seiten, 42 Abbildungen, 23,32 € Netto
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Zum gesamten Krafthand-Fachbuchprogramm
Inhalt
- Einleitung: Die Fahrzeugdiagnose im Werkstattalltag
- PassThru-Service: Die Voraussetzungen
- Der Umgang mit Herstellerportalen
- Übersicht über OE-Portale
- Das Flashen von Steuergeräten
- Die Implementierung von PassThru-Services in den Werkstattalltag
- PassThru in der Werkstattpraxis
- Vorausschau: Ethernet und ‚over the air‘