Reportage bei einem Inhaber einer freien Werkstatt, der sich von einem sehr bekannten Werkstattsystem gelöst hat und nun lieber auf einzelne Bausteine verschiedener Werkstattsysteme setzt. Wo er raus ist und auf wen er jetzt setzt, erklärte er der Redaktion.
Als Kopf des inhabergeführten freien Kfz-Betriebs Autotechnik Osterholz setzt Thomas Rast gezielt auf einzelne Bausteine verschiedener Werkstattsysteme, um einen Service auf Vertragswerkstättenniveau anzubieten. Sich zu starr an einen Konzeptgeber zu binden, davon rät er aus Erfahrung ab. Vielmehr sieht der 59-Jährige eine Zeitenwende bei solchen Systemen zugunsten freier Werkstätten gekommen.
Wohin geht die Reise in der Kfz-Branche? „Diese Frage hat mich und mein Team im Jahr 2010 extrem umgetrieben“, erinnert sich Rast. Am Standort seines Kfz-Betriebs in Osterholz-Scharmbeck im Speckgürtel Bremens gibt es zwar seit jeher eine hohe Dichte an Kfz-Unternehmen. Doch zu diesem Zeitpunkt spürte das fünfköpfige Team der freien Werkstatt verstärkt die Konkurrenz mehrerer Vertragswerkstätten in der näheren Umgebung. „Außerdem war es damals höchst fraglich, ob wir weiterhin problemlos an Daten diverser Automarken kommen.“
Aus diesen Gründen, quasi als Vorsorgemaßnahme, schloss sich das Unternehmen dem Werkstattkonzept Bosch Car Service (BCS) an. Rast: „Mein Bauchgefühl sagte, dass Bosch uns technisch am ehesten weiterhelfen und beim Thema Daten unterstützen kann. Die waren für mich die erste Adresse in Sachen Prüftechnik und eine imageträchtige Eintrittskarte.“ 13 Jahre lang sollte diese Verbindung halten.
Eigene Strategie immer wieder infrage stellen
In diesem Jahr blickt Rast auf 30 Jahre Selbstständigkeit zurück und hat mal wieder alles auf den Prüfstand gestellt. Dazu muss man wissen: Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann – vor seinem Schritt in die Selbständigkeit (1993) zehn Jahre lang kaufmännischer Angestellter und Betriebsleiter in der Kfz-Branche – sieht sich selbst als Denker und Stratege in seinem Betrieb und nennt die Dinge gerne beim Namen. Bewusst hat er sich auch Anfang der 80er Jahre gegen eine praktische Kfz-technische Ausbildung entschieden und stattdessen den kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Weg eingeschlagen.
Zuerst muss es darum gehen, sich als Unternehmer über das eigene Werkstattkonzept klar zu werden. Dann weiß man auch, welche Bausteine zur Unterstützung sinnvoll sind.
„Ich war immer der Meinung, dass ein Handwerker nicht gleichzeitig ein guter Betriebswirtschaftler sein kann“, sagt er. Einer müsse den Blick fürs Ganze haben. Um das operative Werkstattgeschäft kümmern sich bei Autotechnik Osterholz deshalb zwei bis drei Mechaniker und ein Serviceberater. Gleichzeitig setzt sich der Kfz-Unternehmer regelmäßig mit seinem Team zusammen, um zu erfahren, was die Praktiker kurz- und mittelfristig für einen modernen erfolgreichen Werkstattservice brauchen. „Diese strategischen Weichen überprüfen wir gemeinsam spätestens alle drei Jahre und richten sie, wenn nötig, neu aus“, sagt der Chef. Und so stand bei den Teammeetings immer häufiger auch das Bosch-Partnerkonzept auf dem Prüfstand.
Konzeptwechsel vollzogen
Erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Verbindung, erinnert sich Rast, kamen bereits 2019 auf. Immer deutlicher sei geworden, dass die fünf Buchstaben als Aushängeschild alleine nicht mehr ausreichten und insgesamt das Preis-Leistungsverhältnis in eine Schieflage geraten war. „Die vermeintlichen Hilfen entpuppten sich häufig als Nebelkerzen und der Service deckte nur etwa 50 Prozent meiner Marken ab. Den Rest mussten wir eh anders beschaffen.“ Gleichzeitig standen auf der Ausgabenseite nach Aussage des Kfz-Unternehmers immense Zahlen: „Insgesamt kostete die Partnerschaft als Imageeintrittskarte zwischen 8.000 bis 10.000 Euro pro Jahr plus Marketingbeiträge.“
Mit ausschlaggebend dafür, Mitte 2023 endgültig die „Reißleine zu ziehen“ und die Partnerschaft zu verlassen, war demnach auch die Ankündigung des Systemgebers, eine neue verpflichtende Software einzuführen. Rast und seiner Aussage zufolge weitere Betriebe hatten die Befürchtung, mit der Implementierung dieses neuen Tools „endgültig zum gläsernen Betrieb“ zu werden: „Wir hatten das Gefühl, dass Bosch uns immer weiter auf die Pelle rückt.“
Dazu kam, dass diese Softwarevariante „bei Weitem“ nicht die Programme abdeckte, die viele Betriebe gewohnt waren. Dazu zählten Tools zum Anbinden des Fahrzeughandels, von Kassensystemen oder Bon-Druckmöglichkeiten. Andere praxisnahe Abläufe seien nicht nachvollziehbar gewesen. Nicht zuletzt enttäuschte den Unternehmer, dass die von Bosch versprochene Zusteuerung von Fahrzeugflotten nie in die Tat umgesetzt worden ist. Sämtliche Gespräche dazu seien gescheitert. „Über lockere Kooperationsabschlüsse ist es nie hinausgegangen und auch deshalb habe ich nach 13 Jahren das Ganze in dieser Form beendet.“
Ausgewählte Bausteine zur Unterstützung
Dabei sieht der Kaufmann einerseits „eine Zeitenwende in Sachen Werkstattkonzepte zugunsten freier Betriebe“ gekommen und betont zweitens, dass (gerade deswegen) jeder Betrieb individuell für sich herausfinden müsse, was wirklich hilft und was nicht. Es sei ihm daher wichtig zu betonen, dass er das Bosch-Konzept nicht per se schlecht machen wolle, sondern lediglich über seine Erfahrungen berichte.
Für Rast steht aber fest: „Kfz-Betriebe können heutzutage frei agieren. Werkstattkonzepte bieten im Gegensatz dazu keine großartigen Vorteile mehr, um beispielsweise besser an Daten oder Reparaturanleitungen zu kommen.“ Ganz abgesehen davon hätten zurzeit die meisten Werkstätten alle Hände voll zu tun. „Egal welche Flagge welches Systemgebers dranhängt.“ Immerhin investierten Autofahrer derzeit wie selten zuvor in kostspielige Reparaturen und Instandsetzungen statt in noch teurere Neu- oder Gebrauchtwagen.
Auf das eigene Konzept kommt es an
Wichtigste Hausaufgabe für alle Werkstattinhaber ist es Rasts Ansicht nach deshalb, sich klar über das eigene Unternehmenskonzept zu werden. „Es gibt zig Werkstattkonzepte. Aber jeder muss für sich genau prüfen, was Sinn macht.“ Das, was zu einem Großbetrieb passe, sei häufig nicht das Richtige für einen Fünf-Mann-Betrieb. So brauche seine Autotechnik Osterholz in erster Linie Unterstützung im Bereich Marketing: „Ich müsste eine Werbeagentur beauftragen, um meine Homepage zu gestalten und zu pflegen. Das kann sich ein Kleinbetrieb finanziell aber nicht leisten.“
Kfz-Betriebe können
heutzutage frei agieren. Werkstattkonzepte bieten im Gegensatz dazu keine großartigen Vorteile mehr, um beispielsweise besser an Daten oder Reparaturanleitungen zu kommen.
Vor Kurzem hat er sich deshalb dem Konzept OK Car Service angeschlossen, einer Marke der AAG (Alliance Automotive Group), einem international agierenden Ersatzteilversorger mit Vertriebsgesellschaften wie etwa Coler in Deutschland. „Dort bekomme ich Marketinghilfe, Homepagepflege, Brückenbau zu Alldata und Reparaturanleitungen. Diese Bausteine passen zu uns als Kleinbetrieb besser als andere Konzepte und statt 250 Euro im Monat zahle ich jetzt lediglich 55 Euro.“
Wie bei anderen Systemgebern müssen Partner des OK Car Service laut Rast auch hier bestimmte Aufnahmekriterien erfüllen. „Aber wir entscheiden, welche Bausteine wir brauchen und welche nicht. Hier herrscht also mehr Augenhöhe zwischen Anbieter und Nutzer.“ Dem Werkstattinhaber ist aber bewusst, betont er im Gespräch mit Krafthand, dass auch dieser Anbieter auf eine möglichst enge Bindung zu den Partnern abziele und beispielsweise auch Teile verkaufen möchte. „Damit wird aber offen umgegangen. Die Entscheidung liegt bei uns.“
Zu den weiteren Einzelbausteinen, die er mittlerweile für seine Firma nutzt, gehört das Portal Reifen1+. Darüber bedient er Fahrzeugflotten in der Hoffnung auf eine beständige Werkstattauslastung. Bestand hat nach wie vor auch eine Bosch-Technikpartnerschaft: „Aber zum Nulltarif. Ich weise meine Hardwarekompetenz nach und kann dafür die Bausteine aus der Datenbank nutzen, die ich wirklich brauche.“
Kooperationen des Kfz-Betriebs Autotechnik Osterholz
- Ok Car Service (mit Autoersatzteilversorgung GPC für den Verbau von OEM-Teilen sowie Autoersatzteile in Erstausrüsterqualität (IAM), laufende Technikfortbildungen, Onlineanbindung zu fast allen Herstellern für Onboard-Hersteller-Direktdiagnosen
- Bosch Automotive Diagnose-Technikpartner: Versorgung mit Diagnosetechnik der Marke, Hard- und Software, Just-in-time-Online-Diagnoseanbindungen, laufende Technikfortbildungen, Onlineanbindung zu fast allen Autoherstellern für Onboard-Hersteller-Direktdiagnosen.
- Reifen1+: Versorgung mit Reifen, Felgen und Rädern für Privat- und Geschäftskunden, Fleetpartner für alle bundesweiten Leasingflotten für Reifen, Inspektion und Instandhaltung, laufende Reifentechnikfortbildung.