Es geht um den Rollwiderstand – aber nicht nur
Im Zusammenhang mit E-Fahrzeugen ist immer mal wieder zu hören, dass an speziellen Reifen für diese Autos gearbeitet würde. Optimierte Abroll- oder bessere Verschleißeigenschaften aufgrund des hohen Drehmoments selbst kleiner E-Autos seien gefragt. Doch braucht es wirklich spezielle Reifen und wenn ja, was ist an diesen besonders?
Herr Winter, werden Reifen für die E-Autos der Zukunft anders sein als herkömmliche Pneus?
Zunächst: Bereifungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und Elektrofahrzeuge (darunter fallen auch die Hybride) unterscheiden sich derzeitig nur wenig voneinander. Denn im Rahmen der aktuellen Diskussion und Produktentwicklung von rollwiderstands-optimierten Reifen, die dazu beitragen, die neuen gesetzlichen Ziele zum CO2-Ausstoß der Fahrzeuge zu erreichen, haben sich die Anforderungen weiter angenähert. Beim herkömmlichen Fahrzeug werden herstellerspezifische Anforderungen wie Trocken- und Nasshandling, Abriebs- und Geräuschanforderungen bei Erstausrüstungsreifen verlangt. Die Anforderungen an den Reifen auf dem Hybrid sind exakt gleich. Hankook arbeitet aber auch als Entwicklungspartner für künftige reine Elektrofahrzeuge, sogenannte BEVs, mit der Automobilindustrie. BEVs werden etwa beim Reifengeräusch, der Reifenaerodynamik (insbesondere Seitenwandgestaltung) oder dem Reifenverschleiß optimiert.
Können Sie etwas konkreter werden, weshalb gerade diese Merkmale im Fokus bei der Entwicklung liegen?
E-Fahrzeuge haben kein Motorengeräusch, das heißt im Umkehrschluss, der Fahrer nimmt das Abrollgeräusch der Reifen im Fahrgastraum deutlicher wahr. Darum entwickelt Hankook seine Reifenprofile weiter, um den akustischen Komfort für die Insassen zu verbessern. Natürlich kommen dafür auch fahrzeugseitig Geräuschdämpfungsmaterialien zum Einsatz. Am Reifen gelingt dies mit dem Design des Profils und der Profilblöcke, zum Beispiel durch eine optimierte Blockanzahl sowie die gezielte Auslegung und Vermeidung von überlagernden Frequenzen.
Ein weiterer Aspekt: Elektrofahrzeuge haben ähnlich wie sportliche Autos den Anspruch, relativ stark zu beschleunigen, um auch den Fahrspaß am hohen Drehmoment zu erleben. Dies aber bedeutet reifenseitig einen erhöhten Verschleiß, gerade beim sogenannten Ampelstart. Fahrzeugseitig gibt es Drehmomentbegrenzer, die eingreifen, um die Elektromotoren zu schonen. Diese Begrenzung kommt auch den Reifen entgegen, zusätzlich werden abriebfestere Mischungen und Konzepte in der Profilblockgestaltung und Reifenkontur eingesetzt.
Was Kompromisse zuungunsten anderer Eigenschaften nach sich zieht?
Beim den Mischungen wird eine Balance zugunsten der Trocken- und Nasseigenschaften gesucht, da die Anforderungen und Eigenschaften des Reifens sich gegenseitig möglichst wenig beeinflussen sollen. Wichtige Aspekte wie Trocken- und Nassbremsen sind davon nicht betroffen, denn die werden weiter mit möglichst kurzen Bremswegen realisiert, ohne Unterschiede zwischen Verbrenner- und Batteriefahrzeug. Heute sind wir durch Assistenzsysteme schon auf einem sehr hohen und sicheren Niveau im Zusammenspiel von Fahrzeug, Bremsen und Reifen.
Wird nur das Profil zugunsten von Geräusch und Rollwiderstand optimiert oder gestaltet sich der ganze Reifenaufbau anders?
Die E-Mobilität lebt vom Verbrauch der Energie, daher ist natürlich ein hohes Augenmerk auf den Rollwiderstand zu legen. Deshalb werden spezielle Mischungen und Reifenkonstruktionen eingesetzt. Die Kilometerlaufleistung von Batteriefahrzeugen lässt sich damit deutlich verbessern. Aber der Rollwiderstand spielt übergreifend eine wichtige Rolle. Auch bei der Verbrennungstechnik kann der CO2-Ausstoß dank optimierter Mischungen und spezieller Reifenkonstruktionen vermindert werden, was zu einem geringeren Spritverbrauch führt.
Hinsichtlich des Reifenaufbaus können aufgrund des bekanntlich höheren Gewichts von E-Autos robuste Konstruktionen gefragt sein. Hankook hat solche bereits bei verschiedenen Oberklassefahrzeugen erfolgreich im Einsatz. Hier haben wir durch die Festigkeitsträger, zum Beispiel Karkasse, Gürtellagen oder Spulbandage, die Möglichkeit, auf den Rollwiderstand positiv einzuwirken. Solche Optimierungen finden in aktuellen Reifen schon Anwendung. Man sieht heute etwa weniger Nylonkarkassen-Reifen, da Polyester dieses fast gänzlich ersetzt hat.
Haben Reifen für E-Mobile einen Pannenschutz?
Statistisch gesehen tritt nur etwa alle acht Jahre ein Pannenfall ein. Diese Thematik steht demnach gleichermaßen im Gespräch wie bei herkömmlichen Reifen. In diesem Sinn vereint sich die Anforderung bei Verbrennungs- und Elektrofahrzeugen auch hier und führt zur genannten Annäherung, obwohl sich die Fahrzeugkonzepte schon deutlich voneinander unterscheiden.
Die Fragen stellte Torsten Schmidt.
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