Andreas Lange, Geschäftsführer Vertrieb bei AGS
Autoglasservice

„Ersatzteilpreise und Stundensätze voll durchsetzen“

Andreas Lange, Geschäftsführer Vertrieb bei AGS: „Wir sind insofern ein alternatives Glaskonzept, dass wir nicht auf Schadensteuerung setzen. Dafür müssen unsere Partner aber auch keine Rabatte an Versicherungen geben.“ Bilder: Schmidt

Krafthand-Interview mit dem Geschäftsführer Vertrieb von AGS über berechtigte und unberechtigte Rechnungskürzungen beim Glasgeschäft und seine steile These, dass der Klimawandel diese weiter anfacht.

Die drei Buchstaben AGS stehen für das Konzept Autoglas Spezialist, das 2014 gegründet wurde und inzwischen laut eigenen Angaben fast 600 Kfz-Werkstätten als Partner gewonnen hat. Im Gespräch mit dem Geschäftsführer Vertrieb Andreas Lange sollte es ursprünglich um das 10-jährige Jubiläum gehen und um die komplett andere Herangehensweise beim Glasgeschäft im Vergleich zu anderen Konzeptanbietern, die oft auf die Schadenlenkung der Versicherer setzen. Nachdem Lange uns die Alternative erklärte, die AGS von Anfang an motivierte, an den Start zu gehen, kam die Sprache auch auf das Thema Rechnungskürzungen. Hier erklärte er, warum AGS-Partner diese – sofern unberechtigt – nicht hinnehmen müssen und seine These, dass die Versicherungen versuchen werden, Kürzungen massiv zu steigern. Stichwort hier ist der Klimawandel.

Herr Lange, Sie versprechen Ihren Konzeptpartnern zwar keine zugesteuerten Schäden durch Vermittlungen von Versicherungen, dafür aber, dass sie keine Rabatte in Kauf nehmen müssen. Woher kommt diese Philosophie, nicht auf Menge durch Schadensteuerung zu setzen?

Zugespitzt kann man sagen, wir setzen auf Klasse statt auf Masse. Unsere Partner müssen etwa bei den Verrechnungssätzen keine Kompromisse eingehen und Rabatte in Kauf nehmen. Aber bevor ich hier ins Detail gehe: Sie fragten, warum wir eine andere Philosophie haben. Vor gut 15 Jahren haben alle Player in der Glasbranche noch auf eine partnerschaftliche und faire Schadenlenkung durch und mit den Versicherungen gehofft. Nur leider hat sich das nicht nur wegen der außergewöhnlichen Dominanz des Marktführers aus Köln als Trugschluss erwiesen, was unsere Erwartungen bei der Gründung 2014 inzwischen voll bestätigt hat. Während über die Jahre die Kosten für Werkstätten in allen Bereichen gestiegen sind, beharren Versicherungen noch auf Nachlässen oder machen Vorgaben, die nicht mehr angemessen sind.

Können Sie das konkretisieren?

Das zeigt sich sehr deutlich an den Stundenverrechnungssätzen, die aufgrund diverser Kostentreiber in jeder Werkstatt stark gestiegen sind. Aber die von anderen Systemgebern mit Versicherungen vereinbarten Konditionen bewegen sich in der Regel immer noch auf dem Niveau von vor mindestens 10 Jahren. Ein Beispiel: Damals lag der Stundensatz K im Durchschnitt bei 98 Euro, so dass Betriebe bei einem „partnerschaftlichen“ Stundensatz von 68 Euro „nur“ 30 Euro Rabatt geben mussten. Erst kürzlich hat der GDV bestätigt, dass der durchschnittlich gezahlte Stundensatz K 2023 bei 173 Euro netto liegt. Nur haben sich die „partnerschaftlichen“ Stundensätze kaum verändert. Im Übrigen sollte man nicht vergessen, dass Werkstätten in anderen Autoglassystemen vertraglich gezwungen sind, auch ihre eigenen Werkstattkunden zu den Wunschpreisen der Versicherungen abzurechnen.

Dennoch haben doch auch Ihre Partner damit zu tun, dass Versicherungen etwas von der Rechnung abziehen?

Das passiert durchaus. Und zwar völlig unabhängig von der Höhe der Stundensätze, der Abrechnung nach Herstellervorgaben oder der Ortsüblichkeit. Nicht zu vergessen, dass auch beauftragte Prüfdienste ein Interesse an den erfolgten Rechnungskürzungen haben.

Aber Sie können mir doch nicht erzählen, dass AGS und deren Werkstattpartner nicht mit Rechnungskürzungen konfrontiert sind.

Da haben Sie recht. Aber eine Rechnungskürzung ist nicht gleichzusetzen mit den Rabatten, die Versicherungen von vornherein von ihren sogenannten Partnerwerkstätten verlangen. Zuerst einmal prüfen wir jede Rechnungskürzung auf eine mögliche Berechtigung. Denn natürlich gibt es Posten, wo eine Kürzung oder Streichung legitim ist. Beispielsweise, wenn ein Sensor abgerechnet wird, obwohl dieser gar nicht neu verbaut wurde. Grundsätzlich überprüfen wir die sogenannten Prüfberichte mittels Herstellervorgaben und im Rahmen der Gesetze und der Rechtsprechung. Wunschpreise der Versicherungen zur Kostenreduzierung sind für uns kein Kriterium, das unsere Partner zu berücksichtigen haben. Richtig ist leider aber auch, dass die Kürzungspraxis immer schlimmer wird.

Warum erwarten Sie, dass die Rechnungskürzungen massiv zunehmen? Weil Werkstätten sich da zu viel gefallen lassen?

Natürlich auch. Das Kalkül der Versicherungen ist, hier und da 100 oder 50 Euro zu kürzen oder auch mal nur 15 Euro für Distanzstücke. In der Erwartung, dass für Werkstätten der Aufwand zu hoch ist, wegen dieser kleinen Beträge tätig zu werden. Wir bei AGS gehen ausnahmslos gegen unberechtigte Kürzungen vor. Aber das ist nur das eine. Ein anderer Aspekt ist der Klimawandel.

„Wunschpreise der Versicherungen zur Kostenreduzierung sind für uns kein Kriterium, das unsere Partner zu berücksichtigen haben.“

Was hat der mit Rechnungskürzungen zu tun?

Das zeigt ein Blick auf die Bilanzen der Versicherungen und die Ursachen dafür. Die Versicherungen haben 2023 rund drei Milliarden Minus bei den Autopolicen gemacht. Die Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise häufige große Hagelereignisse, Überschwemmungen oder Wetterlagen mit Sturm sind nicht plötzlich aufgetreten. Man scheint sie und ihre finanziellen Folgen aber völlig ignoriert zu haben, denn nur so lässt sich das gewaltige Minus der Kfz-Versicherungen neben den politisch bedingten Kostentreibern, wie der Inflation, erklären.

Um das auszugleichen, werden aber schon die Versicherungspolicen teurer.

Das schon. Aber bei der Konkurrenzsituation in Deutschland mit über 90 Autoversicherern werden die Milliardenverluste nur mit der Erhöhung von Policen nicht ausgeglichen. Die erhoffte Zunahme von Schadensteuerung beispielsweise durch Werkstattbindung funktioniert auch nicht wirklich, da immer mehr Menschen die erheblichen Nachteile von Werkstattbindung bewusst werden. Also was bleibt, um die Verluste zu minimieren? Rechnungen kürzen, wo es nur geht – ob berechtigt oder nicht.

Welcher Druck auf dem Kessel ist, können wir schon heute beobachten. Die Versicherungen reagieren auf berechtigte Reklamationen zu unberechtigten Kürzungen inzwischen oft nicht mehr, sondern lassen zunehmend sogar die darauffolgende zweite Aufforderung ins Leere laufen, weil sie damit rechnen, dass viele Werkstätten aufgeben. Wir merken das zwar auch, lassen uns aber nicht davon beeindrucken. Wir setzen unsere Forderungen für unsere Partner notfalls anwaltlich ohne Wenn und Aber durch.

Auch jede noch so kleine Forderung?

Wenn es nicht anders geht. Wir sind der Auffassung, dass Werkstätten nicht die finanziellen Konsequenzen, für die zumindest teilweise selbst verschuldeten Probleme der Kfz-Versicherungen zu tragen haben. Und an dieser Stelle schließt sich dann auch der Kreis zu Ihrer ersten Frage nach den Ursachen des AGS-Erfolgs. Wir stehen mit 100 Prozent auf Seiten unserer Partner beim Durchsetzen von berechtigten Forderungen.

Herr Lange, vielen Dank.

Das Gespräch führte Torsten Schmidt.