Fahrzeughandel

Eine Frage des Vertriebsmodells

Sascha Röwekamp berät Autohäuser und Hersteller in Sachen Vertriebsstrategie. Er ist sich sicher: „Ohne Prämien der Regierung werden sich die Autos nicht von selbst verkaufen, da müssen sich die Newcomer schon was einfallen lassen.” Bild: Röwekamp

Handelsexperte Sascha Röwekamp erklärt das Vorpreschen chinesischer Pkw-Hersteller auf den deutschen Markt und die entscheidende Rolle deutscher Autohändler

Herr Röwekamp, welche chinesischen Marken drängen derzeit konkret auf den deutschen Markt?

Aktuell gibt es beinahe monatlich neue Marken aus China, die den Versuch wagen, den deutschen Markt zu erobern. Darunter Aiways, Baic, Bestune, BYD, Chery Automobile, DFSK, JAC MOTORS, Lynk & Co., Maxus, MG, NIO, ORA, Polestar Racing, SERES, SWM und WEY. Von ihrem Angebot sind die Marken sehr ähnlich: Sie setzen bis auf wenige Ausnahmen vollständig auf Elektromobilität in mittleren bis gehobenen Fahrzeugklassen.

Welche der Marken hat die größten Erfolgschancen und warum?

Gute Chancen haben in meinen Augen die Marken MG, Polestar Racing, BYD und Maxus. Denn der Erfolg hängt weniger vom Produkt und Design ab als vielmehr vom gewählten Vertriebsweg. Viele chinesische Hersteller wollen oder wollten ihre Fahrzeuge über Abomodelle und hauptsächlich online anbieten. Hierfür war natürlich Tesla das große Vorbild. Der deutsche Autokäufer tickt allerdings anders, zumindest noch. Selbstverständlich informieren sich viele im Internet. Die extrem große Auswahl und die Unsicherheit der Kunden zum Thema Elektromobilität führt die meisten Deutschen allerdings zum klassischen Handel.

Was schätzen Autofahrer am stationären Handel?

Hier wünschen sie sich eine persönliche Beratung und wollen insbesondere die neuen Marken sehen, spüren und erfahren. Darüber hinaus ist das Thema Abo noch eine Nische. Es hat zwar Potenzial, die meisten Kunden wollen aktuell aber lieber kaufen oder leasen. Diese Modelle sind ihnen vertraut. So wollte etwa die Marke NIO ausschließlich mit einem Abomodell auf den deutschen Markt kommen, hat dann aber den Kundenbedürfnissen nachgegeben und bietet jetzt auch Käufe an.

Welche Vertriebsstrategie ist also am erfolgversprechendsten?

Die genannten Marken, denen ich eine gute Chance ausrechne, haben beispielsweise ein hybrides Vertriebssystem und nutzen neben dem digitalen Direktvertrieb bestehende Händlerstrukturen. Polestar Racing verkauft etwa über die eigenen Stores, hat aber auch Fahrzeuge bei Volvo-Händlern als Werkstattersatzwagen platziert. Somit agieren die Volvo-Händler hier als Leadvermittler. BYD etwa baut hingegen auf einige große Handelsgruppen wie Senger Mobility oder Sternauto und hat dadurch direkten Zugang zu den Bestandskunden von Mercedes-Benz, VW und so weiter.


„Ob künftig chinesische Autos unser Straßenbild stärker prägen, hängt vom Vertrieb der einzelnen Hersteller ab. Für einen schnellen und erfolgreichen Markteintritt ist der Weg über bestehende Autohändler jedoch unabdingbar.“

Sicher ist der Direktvertrieb theoretisch der lukrativere für die chinesischen Hersteller. Für einen schnellen und erfolgreichen Markteintritt ist der Weg über die bestehenden Autohändler jedoch unabdingbar. Außerdem könnte der Zeitpunkt aktuell nicht passender sein: In den vergangenen Jahren haben die meisten Händler eine Mono-Brand-Strategie gefahren und keine chinesischen Marken aufgenommen. Ein Beispiel hierfür ist Mercedes-Benz. Aufgrund der Direktvertriebsstrategien der deutschen Hersteller haben sich jetzt aber viele Handelsgruppen neu aufgestellt und ihr Markenportfolio deutlich erweitert.

Was heißt das für deutsche Autohändler?

Hierdurch macht sich der deutsche Handel etwas unabhängiger von seinen traditionellen Herstellern und nutzt gleichzeitig die Chancen der neuen Marken. Es bleibt spannend, ob sich diese Investitionen für alle lohnen und ob der deutsche Kunde die Fahrzeuge auch annimmt. Die Weichen sind jetzt gestellt.

Herr Röwekamp, vielen Dank.