Der Knackpunkt bei der E-Mobilität ist immer noch die Reichweite. Zudem ist die Infrastruktur schlecht ausgebaut und die Kosten sind zu hoch. Für den Massenmarkt ist die Reichweite noch zu gering. Doch es tut sich was.
Bis vor einigen Jahren waren bei reinen E-Fahrzeugen noch Normreichweiten von etwa 100 km die Regel, vielleicht auch mal 150. Meistens kam man dann doch nicht so weit, zum Beispiel im Winter bei angeschalteter Heizung. Inzwischen hat sich dies geändert. Während Ford die Reichweite seines aktuellen Focus Electric mit 160 km veranschlagt, kommt das Modelljahr 2017 in den nächsten Monaten mit einem um etwa 30 Prozent verbesserten Aktionsradius auf den Markt, also etwa 210 km.
Auf eine Steigerung von 26 Prozent verweist Nissan beim E-Fahrzeug Leaf, der auf 250 km kommt. Renault konnte die Reichweite seines E-Fahrzeugs Zoe nach eigenen Angaben auf 400 km erhöhen. Auch BMW meldet Fortschritte. Wurde 2013 noch der BMW i3 mit 60 Ah mit einer elektrischen Reichweite von 190 km (NEFZ) auf den Markt gebracht, so haben die Bayern seit Juli 2016 eine zusätzliche Variante am Start, den BMW i3 mit vergrößerter Batterie (94 Ah). Dieser soll bis zu 300 km (NEFZ) weit kommen.
Ziele
Der aktuellen Studie „E-Mobility – vom Ladenhüter zum Erfolgsmodell” zufolge sollte die Reichweite von Elektroautos bei mindestens 301 bis 500 km liegen. Denn ab diesem Wert steigert sich die geäußerte Kaufbereitschaft bei den Befragten deutlich. Den Autoren der Studie zufolge auf über 70 Prozent. Auf absehbare Zeit sind 500 km Strecke möglich. Die für 2018 angekündigte Serienversion des „I-Pace Concept” von Jaguar Land Rover soll über eine solche Reichweite verfügen.
Eine ähnliche Messlatte legt Porsche an und teilt mit, die Konzeptstudie „Mission E” komme auf deutlich über 500 Kilometer. Der Stuttgarter Autobauer verweist zudem auf die Entwicklung im Bereich Hybridfahrzeuge. Auch dort wurden Fortschritte bei der Reichweite erzielt. In den Jahren 2010/2011 ist man mit dem Cayenne S Hybrid und dem Panamera S Hybrid mit Nickelmetallhydrid-Batterien gestartet. Mit diesen Modellen war es möglich, bis zu zwei Kilometer zurückzulegen. Einen Sprung auf 36 Kilometer (24-Ah-Zellen) ermöglichten dann Lithium-Ionen-Batterien beim Panamera S E-Hybrid im April 2013.
Ein Jahr später erreichte der Cayenne S E-Hybrid mit 28-Ah-Zellen im selben Gehäuse ebenfalls 36 Kilometer – und dies trotz schlechterer Aerodynamik, höherem Gewicht und Allradantrieb im Vergleich zum Panamera. Aktuell beträgt die elektrische Reichweite beim neuen Panamera S E-Hybrid mit 37-Ah-Zellen im selben Gehäuse über 50 Kilometer. Porsche definiert im Hinblick auf die Reichweite unterschiedliche Ziele. Bei einem reinen Elektroantrieb sollen es demnach mehr als 500 km sein, bei einem Plug-in-Hybrid mehr als 50 Kilometer.
Verbesserte Batterien
In den kommenden zehn Jahren sind weitere Fortschritte zu erwarten. „Die Entwicklungen der nächsten Jahre werden evolutionärer Natur sein”, erklärte Daimler auf Anfrage von KRAFTHAND. Schon zum Jahr 2020 werde sich die Reichweite im Vergleich zu bisherigen Fahrzeugen um etwa 30 Prozent erhöhen. Ab etwa 2025 erwartet Daimler den Einstieg in die nächste Generation, die sogenannte Post-Lithium-Technik und eine Verdopplung der Reichweite. Ob dies gelingt, liegt naturgemäß an der Batterie und einer erfolgreichen Forschung. So hat Toyota kürzlich die weltweit erste Methode entwickelt, mit der sich das Verhalten von Lithium-Ionen beim Laden und Entladen von Lithium-Ionen-Batterien in Echtzeit beobachten lässt.
Die Japaner sind zuversichtlich, dass Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit auf diesem Weg deutlich verbessert werden können. Und auch die Batteriepreise entwickeln sich: Bei der Kapazität geht es nach oben, preislich nach unten. Nach Angaben von Mitsubishi haben sich die Batteriepreise seit 2009 von etwa 26.000 Euro für 16 kWh auf jetzt etwa 9.000 Euro für 16 kWh reduziert. Auch BMW erwartet eine weitere „Degression” der Kosten. Daimler teilt mit, durch Mixturen von Kohlenstoff und Silizium lässt sich die Ionenspeicherfähigkeit und somit die Energiedichte einer Batterie weiter erhöhen.
Den „wirklich großen Energiesprung” sieht man innerhalb der nationalen Plattform E-Mobilität (NPE) allerdings erst um 2025. Lithium-Schwefel-Batterien gelten hierbei als sehr vielversprechend. Das System ist laut Daimler derzeit noch im Forschungsstadium und hat das Potenzial für einen Preisrückgang auf bis zu 100 Euro pro kWh, da Schwefel ein verhältnismäßig günstiger Rohstoff ist.
Billigere Antriebskomponenten
Ein weiteres wesentliches Kriterium für den Erfolg oder Misserfolg von E-Fahrzeugen wird sein, ob die Angebotspreise weiter gesenkt werden können. Dafür muss wie schon erwähnt nicht nur die Batterie weiterentwickelt, sondern auch an anderen Stellschrauben gedreht werden. An entsprechenden Lösungen arbeiten nicht nur die Autobauer, sondern auch die Zulieferer. Erst kürzlich stellte beispielsweise Bosch bei der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit das elektrische Achsantriebssystem eAxle vor.
Aktuell besteht ein Antriebsstrang für Elektro- oder Hybridfahrzeuge noch aus einzelnen Komponenten. Zukünftig vereint das elektrische Achsantriebssystem von Bosch das Getriebe, die E-Maschine und die Leistungselektronik in einem kompakten Gehäuse. Dies soll die Komplexität des E-Antriebs reduzieren und den Antriebsstrang nicht nur kompakter und effizienter, sondern auch deutlich günstiger machen. So kann bei der Herstellung praktisch auf viele Stecker, Kabel, Dichtungen und Lager verzichtet werden. Die Gesamtkonstruktion ist so ausgelegt, dass sich der Antriebsstrang skalieren lässt.
Das System wird damit wirtschaftlicher und Fahrzeughersteller können die Produktionskosten sowohl für Elektro- als auch für Hybridfahrzeuge senken. Und wann wird der Fahrzeugpreis der Elektroautos ungefähr auf dem Niveau vergleichbarer Verbrennermodelle liegen? Hier sieht BMW einen möglichen Gleichstand mit den nächsten Batterietechnologien in den kommenden zehn Jahren. Nämlich dann, wenn gleichzeitig konventionelle Fahrzeuge wegen immer komplexerer Technik zur Verbrauchs- und Emissionssenkung teurer werden.
Ralf Lanzinger