Die Tücken des Kostenvoranschlags

Nicht kostenlos: Es ist möglich, den Aufwand für die Erstellung eines Kostenvoranschlags vom Kunden ersetzen zu lassen. Jedoch muss hierfür eine klare Vereinbarung vorliegen. Bild: ProMotor

Über die rechtliche Bindung eines Kostenvoranschlags wird seit jeher gestritten. Vor allem das Überschreiten der kalkulierten Kostensumme ist nach Ansicht vieler Endkunden Grund genug, dem Kfz-Profi mit dem Rechtsanwalt zu drohen. Aus Angst vor einem Gerichtsprozess gehen die Werkstätten häufig auf die Forderungen ihrer Klientel ein – nicht generell die beste Alternative.

In den letzten Jahren erfreut sich auch in der Kfz-Branche der Kostenvoranschlag wachsender Beliebtheit. Früher nur zu Zwecken der Abrechnung eines Unfallschadens mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung herangezogen, scheint in Deutschland auch im Reparaturservice die ‚Günstiger’-Mentalität Einzug zu halten. Während in der Vergangenheit die Kunden mehr oder weniger telefonisch Preise abfragten, verlangt die Mehrheit inzwischen einen schriftlichen Kostenvoranschlag.

Unter einem Kostenvoranschlag versteht der Rechtsverkehr im Allgemeinen eine unverbindliche fachmännische beziehungsweise gutachterliche Berechnung der voraussichtlichen Kosten bezüglich eines möglichen, noch abzuschließenden Reparaturauftrags. Vor diesem Hintergrund wird der Kostenvoranschlag grundsätzlich nicht Bestandteil dieses Reparaturauftrags.

Deswegen sind durchaus inhaltliche und wirtschaftliche Abweichungen, die erst im Reparaturauftrag näher spezifiziert werden (können), zulässig. Indes ging sowohl dem Gesetzgeber als auch der Rechtsprechung diese Unverbindlichkeit zu weit. Insbesondere der Kunde lässt sich von den Aussagen des Kostenvoranschlags leiten – sie bilden zumindest für ihn die Geschäftsgrundlage für die anschließende Reparatur.

Die Kosten weichen in der Realität allerdings oftmals von der kalkulierten Basis ab. Wenn nun die tatsächlichen Kosten den im Vorfeld (unsicher) kalkulierten Aufwand übersteigen, muss der Kfz-Profi abfangend eingreifen.

Kostenabweichungen
Streitpunkt ist dann stets eine für den Kunden nachteilige Kostenabweichung, denn der Kunde beharrt nicht selten auf den Vorgaben des Kostenvoranschlags. Wichtig ist dabei, dass der Kfz-Profi keine Gewähr für die Richtigkeit und Endgültigkeit des Kostenvoranschlags übernommen hat. Wäre dies der Fall, dann würde der garantierte Voranschlagspreis direkt den Reparaturauftrag beeinflussen und damit letztlich Vertragsbestandsteil werden. Das gleiche gilt, wenn sich die Vertragsparteien auf Grundlage des Kostenvoranschlags über einen definitiv gültigen Fest- oder Pauschalpreis einigen.

Selbst wenn der Kfz-Profi diese Hürde überwindet,  könnte zugunsten des Kunden immerhin noch § 650 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eingreifen. Denn diese Norm schreibt selbst im Falle der Unverbindlichkeit noch einen Vertrauenstatbestand fest – in einem gewissen Rahmen kann sich der Kunde also auf die Angaben des Voranschlags verlassen.

Verletzt der Kfz-Profi dieses Vertrauen, indem er seine Preisangaben im Voranschlag wesentlich überschreitet, so steht dem Kunden ein Kündigungsrecht hinsichtlich des Reparaturauftrags zu. Das folgende Beispiel veranschaulicht dies: Der Oldtimerliebhaber K beabsichtigt, das V8-Aggregat seines Rüsselsheimer Diplomat generalüberholen zu lassen. Der Kostenvoranschlag weist Kosten in Höhe von 3.900 Euro aus. Der Kfz-Profi hatte allerdings den Aufwand unterschätzt. Die Kosten liegen bereits bei der Hälfte der Arbeiten bei knapp 4.000 Euro. K kann jetzt kündigen, muss aber unter Umständen den bisherigen Anteil gem. § 645 Abs. 1 BGB vergüten.

Rechtzeitiger Hinweis
Sobald die Werkstatt befürchtet, dass sie ihre im Kostenvoranschlag getätigten Aussagen nicht mehr halten kann, hat sie dies dem Kunden gegenüber anzuzeigen. Ihm eröffnet sich dann die Alternative, den Reparaturauftrag zu kündigen, um weitere Kosten zu vermeiden. Der Kunde hat dann gemäß § 645 BGB nur den Aufwand bis zur Kündigung zu begleichen.

Verletzt der Kfz-Profi diese Hinweispflicht und stellt sich nachträglich heraus, dass der Kostenvoranschlag unrichtig war, so kann er zusätzlich nach Ansicht des OLG Frankfurt (Az.: 14 U 80/87) haftbar gemacht werden: ‚Der Unternehmer ist nicht an den im Kostenvoranschlag gemäß BGB § 650 enthaltenen Kostenbetrag gebunden. Bei Unrichtigkeit des Kostenvoranschlags kann er jedoch schadensersatzpflichtig aus ‚culpa in contrahendo’ oder positiver Forderungsverletzung sein.‘

Prozentuale Hürde
Wie eine ‚wesentliche Überschreitung’ zu definieren ist, darüber schweigt sich das Gesetz aus. Allgemein verbindliche Prozentsätze existieren ebenso wenig wie ein absolut gültiger Maßstab. Entscheidend sind die Umstände und die Faktoren, welche den jeweiligen Einzelfall auszeichnen.

In der Rechtsliteratur existieren einige Ansätze, um diese Umstände und Faktoren zu erfassen und zu bewerten, für eine ungefähre (praktische) Einschätzung haben sich diese nicht als geeignet erwiesen. Bewährt haben sich dagegen Prozentangaben, die als grober Maßstab für eine wesentliche Kostenüberschreitung herangezogen werden: Als Mittelwert nennen die Autoren, wie etwa im Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Münchener Kommentar, BGB, § 650 Randnummer 9) 15 Prozent (bezogen auf das Ergebnis des Kostenvoranschlags), dem sich die Rechtsprechung inzwischen angenähert hat (OLG Düsseldorf, Az.: 5 U 78/97).  

Versäumte Anzeige
Versäumt es der Kfz-Betrieb, den Kunden vor einer drohenden Kostenexplosion zu informieren, so entzieht er dem Kunden die Möglichkeit, rechtzeitig zu kündigen. Ein solcher Verstoß stellt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 BGB dar. In der Regel ist der Kfz-Betrieb dann verpflichtet, Schadenersatz zu leisten, und zwar muss er den Kunden ökonomisch so stellen, als wenn der Unternehmer rechtzeitig seiner Informationspflicht nachgekommen wäre und der Kunde aufgrund dieser Information gekündigt hätte. Normalerweise vergleichen die Gerichte den Wertzuwachs des Fahrzeugs mit dem zusätzlichen Kostenblock,  sodass auch der Kunde noch einen gewissen Anteil der Kosten zu tragen hat – zumindest hinsichtlich des verwendeten Materials.

Da der Kunde in der Regel auf die Angaben des Kfz-Betriebs vertraut und Kostenüberschreitungen auch bei einem Kostenvoranschlag nur die Ausnahme darstellen sollen, hat der BGH konsequenterweise Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verboten, welche formularmäßig das Einverständnis des Kunden vortäuschen, sobald die Kosten einen bestimmten prozentualen Wert übersteigen.
 
Grundsätzlich kostenlos
Nicht selten nehmen Kunden, nachdem der Kfz-Betrieb einen umfassenden Kostenvoranschlag erstellt hat, einfach vom Auftrag Abstand. Neben dem Ärger hat diese Leistung vor allem Personal gebunden und damit Aufwand verursacht. Wenigstens diese Kosten sollten doch vom Kunden übernommen werden – so die gängige Meinung vieler Betriebe.

Das Gesetz denkt hier anders: § 632 Abs. 3 BGB bestimmt eindeutig, dass der Kfz-Profi seinen Kostenvoranschlag im Zweifel unentgeltlich erstellt hat. Will er davon abweichen, muss er bereits im Vorfeld eine unmissverständliche und individuelle Vereinbarung mit dem Kunden über die Kosten des Kostenvoranschlags getroffen haben.

Ein Kostenhinweis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) reicht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH, Az.: I ZR 178/79) nicht aus: ‚Die Bestimmung in ‚Reparatur-Bedingungen’ […], wonach ‚Kostenvoranschläge, die nicht zur Erledigung der Reparatur führen, mit einer Bearbeitungsgebühr berechnet’ werden, benachteiligt die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam.‘

Deswegen wurde in den aktuellen Kfz-Reparaturbedingungen in Abschnitt II unter Ziffer 2 lediglich der Hinweis aufgenommen, dass die im Zusammenhang eines Kostenvoranschlags „erbrachten Leistungen“ (etwa die Begutachtung des Fahrzeugs, Teilesuche et cetera) berechnet werden können, sofern ‚dies im Einzelfall vereinbart ist‘.

Für die Praxis
Vereinbaren Sie mit Ihren Kunden individuell vor allem bei aufwändigen Kostenvoranschlägen (zum Beispiel Restauration, Motorinstandsetzung et cetera) im Vorfeld eine Kostenpauschale, die Sie bei Erteilung des Auftrags einfach wieder erstatten (oder von der Rechnung abziehen). Die überwiegende Zahl der Kunden akzeptiert diese Vorgehensweise, bei den meisten werden Sie mit einem echten Auftrag belohnt.

Tipp: Kostenvoranschläge mithilfe von EDV
Inzwischen werden auch Kostenvoranschlage mit Hilfe von EDV-Programmen erstellt. Drängen Sie bei der Installation eines solchen Programms darauf, dass beim Ausdruck eines Kostenvoranschlags stets ein Standardtextbaustein erscheint, in dem darauf hingewiesen wird, dass der Kfz-Betrieb keine Gewähr für die Richtigkeit der Kalkulationsgrundlagen übernimmt und der tatsächliche Reparaturpreis vom Kostenvoranschlag abweichen kann.

In dem Buch ‚Werkstattrecht kompakt‘ – Probleme vermeiden, sicher handeln‘ aus der Reihe Krafthand-Recht hat Autor Dr. Herbert Wilhelm die wichtigsten Rechtsthemen zum Kfz-Service anschaulich zusammengefasst. Zu beziehen über den Krafthand-Shop