Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation.
Denken die meisten von uns an die Baureihe 944, fährt blitzartig auch der 924 durch die grauen Zellen. Und es fällt oft die Phrase vom Hausfrauenporsche. Eben kein echter Porsche, denn die Marke Porsche ist so unweigerlich mit der Heckmotor-Ikone 911 verbunden, dass anderes nur selten in den Sinn kommt. Dabei fing auch in Zuffenhausen alles mit vier Zylindern an. So lernte der 356er im österreichischen Gmünd das Laufen und selbst als der Porsche 911 bereits auf dem Markt war, erschien 1965 mit dem 912er sogar ein Vierzylinder-Boxer im Blechkleid des Sportlers.
Anfang der 1970er Jahre sollte mit dem Nachfolger des Volkswagen-Porsche 914 ein preiswerter Sportwagen entwickelt werden, den der Konzern bei Audi platziert in sein Modellprogramm aufnehmen wollte. Vom Baukastenprinzip zwar noch weit entfernt, sollte auf Teile aus der bestehenden VW/Audi-Produktion zurückgegriffen werden. Die Ölkrise 1973/74 vereitelte aber den Plan und der VW-Vorstand gab das Projekt auf. Eh schon in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, glaubte man nicht mehr an den Erfolg eines 125-PS-Sportlers.
Mit dem VW Scirocco verfügte man dann ab 1974 über einen sportlichen Wagen. Porsche kaufte kurzerhand die Rechte. Man sicherte sich die Produktion in dem von der Schließung bedrohten Audi/NSU-Werk in Neckarsulm, da die eigenen Fertigungsanlagen bereits für die Produktion des 928er verplant waren, und vereinbarte den Zugriff auf das VW-Teileregal.
Der neue Wagen unterschied sich drastisch zum bisherigen Porsche-Konzept. Den wassergekühlten 2-Liter-Motor aus dem VW-Lastenesel LT oder Audi 100 fand man nun mit 125 Pferdestärken vorn, aber weit vor der Vorderachse, sodass das Getriebe vor der Hinterachse Platz nehmen musste. Transaxle, ein Kunstwort aus Transmission (Getriebe) und Axle (Achse), war kein grundlegend neues Prinzip. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war das System bekannt, brachte es doch die Vorteile der idealen Gewichtsverteilung und eines neutralen Fahrverhaltens. Ein paar Kilo auf der angetriebenen Hinterachse konnten schließlich auch nicht schaden. Motor und Getriebe waren mit einem starren Rohr verbunden, wobei die Kupplung direkt am Motor saß. Vom Wechsel der Trennscheibe können Transaxle-Fahrer ein Lied singen – ist der Eingriff doch ziemlich aufwendig.
Dafür bietet das System im Innenraum Platz. Als Familien-Sport-Kombi bewarb Porsche seinen damaligen Spross, dessen Blechkleid Porsche-Designer Harm Lagaaij entwarf, wie auch das der letzten Transaxler 968 und 928 GTS. Während der 928 als Gran-Turismo mit bulligem V8-Frontmotor in den Augen der Porsche-Leute das Erbe des 911er antreten sollte und 1977 das Blitzlicht der Fotografen auf sich zog, wurde der 924er stetig weiterentwickelt und in diversen Rennsportserien eingesetzt. Ob mit Jürgen Barth bei den 24 Stunden in Le Mans oder mit Walter Röhrl und Christian Geistdörfer in der deutschen Rallye-Meisterschaft – der Wagen war ein voller Erfolg und sicherte Porsche ein unbeschadetes Leben in der Ölkrise.
Siegeszug mit Ansage
Es wurde Zeit, an einen Thronfolger zu denken. Außerdem herrschte zwischen dem stärksten 924 Carrera und dem Elfer leistungstechnisch ein Loch, welches es zu schließen galt. Die Stunde des 944 war gekommen: Mit verbreiterten Kotflügeln und einem vom Produktionsstart weg eigens konstruierten Motor startete der designierte Nachfolger 1981 seinen Siegeszug.
Aus der rechten Zylinderbank des 928er-V8-Triebwerks entstand das Triebwerk mit 2.470 Kubikzentimeter und 163 Pferdestärken, welches bei 3.000 U/min bereitwillig 205 Newtonmeter abgab und den Boliden in 8,4 Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigte. Die verbauten Ausgleichswellen, die dem unvollkommenen Massenausgleich eines Vierzylinders entgegenwirken sollten, sind im Automobilbau heute Standard – bei Porsche 1981 einmalig. Es folgten diverse Motorvarianten: Der S kam mit Vierventiltechnik und 190 Pferdestärken, der Turbo anfangs mit 220 Pferdestärken und nach bestandener Feuertaufe mit 250 Pferdestärken und schlussendlich der S2 mit drei Liter Hubraum und 211 Pferdestärken, der damit als hubraumgrößter deutscher Nachkriegs-Vierzylinder galt.
Dass so viel Sportwagen auch noch zwei plus zwei Sitze hat (eine Gasthaus-Wette in den 80ern bewies, dass man zwölf Kisten Bier transportieren kann, ohne die Vordersitze zu nutzen) und Sitzheizung, Klimaanlage, elektrische Fensterheber und ein Targa-Dach zur Ausstattung gehörten, klingt fast schon nach einer eierlegenden Wollmilchsau. So konnte der 944er an den Erfolg des 924er anknüpfen und wurde mit über 163.000 Einheiten zum Ersthelfer des Porsche-Konzerns, ohne den es diesen heute wohl nicht mehr gäbe. Wie viel echter kann ein Porsche also sein?!