90 Jahre Krafthand

Bekannte Kfz-Profis und Branchenvertreter erinnern sich.

Die prägendste Erinnerung…

Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbands des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes.

… an meinen Einstieg in die Kfz-Branche ist und bleibt die Faszination Auto. Vom Käfer mit 24,5 PS, luftgekühltem 4-Zylinder-Heckmotor, mit nicht synchronisiertem Getriebe bis zum Audi R8 plus mit 610 PS und wassergekühltem 10-Zylinder-Mittelmotor und S-Tronic Doppelkupplungsgetriebe hat sich diese Faszination kontinuierlich gesteigert.

In meiner Zeit als junger Kfz-Meister haben sich zwei für unsere Branche bedeutende Entwicklungen vollzogen: Zum einen der Wechsel vom Vergaser zu elektronischen Einspritzanlagen und zum anderen die Umstellung von der Schreibmaschine auf den Computer bei der Fahrzeugannahme. Spätere Meilensteine waren der Beginn der Streckenführung durch Navigationssysteme und die teilweise Fahrzeugsteuerung durch Assistenzsysteme – ein Schritt in Richtung selbstfahrendes Auto auf Basis zunehmender Digitalisierung.

 

Faszination Diagnose

Kurt Gutmann, Gründer von Gutmann – inzwischen Hella Gutmann Solutions.

Das ganzheitliche Verstehen eines komplexen Systems und letztlich die richtige Diagnosestellung ist für viele Techniker, wie auch für mich, etwas Wunderbares: eine Herausforderung, die wirklich Spaß machen kann. Das hat mich schon als jungen Kfz-Meister, Tuner und Fahrer um den Deutschen Rundstreckenpokal in den 70er Jahren fasziniert: Die sorgfältige Abgasdiagnose war mein goldener Schlüssel zum Motortuning.

Einem selbst gebauten Analysegerät, dem Optimeter, folgte ab 1983 ein Katalysatortester, denn der Markt bot damals schlichtweg keine Messtechnik für geregelte Kats. Dies war der Startschuss für die Gutmann Messtechnik. Im logischen nächsten Schritt präsentierten wir zum Inkrafttreten der AU 1993 unser erstes AU-Gerät.

Zur gleichen Zeit zeigte der zunehmende Elektronikanteil in den Fahrzeugen generelle Auswirkungen: Die Fehlersuche wurde spürbar schwieriger und zeitaufwendiger, was vor allem für freie Werkstätten neue wirtschaftliche Risiken barg. Aus eigener Erfahrung war es mir deshalb wichtig, diese Kollegen in ihrem Alltag mit einem intelligenten Diagnosegerät und einer technischen Hotline zu unterstützen.

Die Einführung der OBD und der teilweise regulierte Zugriff auf Herstellerdaten waren Meilensteine. Zwischenzeitlich gewinnen im Rahmen der Diagnose Grundeinstellungen, Codierungen und Kalibrierungen an Stellenwert. Neue Systeme und verschiedenste Vernetzungen werden die Zukunft prägen. Doch auch an diesem Wandel werden freie Werkstätten teilnehmen. Die Unterstützung unseres engagierten Teams und – wie in den letzten 90 Jahren – der technikaffinen KRAFTHAND-Redakteure ist Ihnen sicher. Lassen Sie uns gemeinsam fasziniert bleiben!

 

Ein wichtiger Meilenstein ist für mich…

Harald Hahn, Vizepräsident des Bundes verbands der Hersteller und Importeure von Automobil Service Ausrüstungen e.V. (ASA).

… und den ASA-Verband die Entscheidung, dass eine Hand voll Werkstattausrüster trotz Ölkrise eine eigene Automechanika 1971 auf die Beine gestellt hat. Das war Aufbruch-Stimmung pur. Und es war der Moment, in dem sich die Werkstattausrüster aus dem Schatten der Automobilhersteller lösten und fortan ihre eigenen Schwerpunkte setzten. Das manifestierte sich im Mai 1972 in der Gründung des ASA-Bundesverbandes als Interessenvertretung der Werkstattausrüstungsbranche. Wie richtig die Entscheidung war, zeigt sich an der Entwicklung, die die Automechanika Frankfurt genommen hat. Weltweit ist sie die größte Messe ihrer Art. Dazu haben sich in den letzten Jahren insgesamt 16 internationale Automechanika-Ableger überall auf der Welt etabliert. Aus der einstigen Interessenvertretung ASA-Bundesverband ist heute ein Zusammenschluss von hochspezialisierten Experten für Werkstattausrüstung geworden. Die arbeiten, obwohl Angestellte einer Mitgliedsfirma im Verband, heute wettbewerbsübergreifend aktiv an europäischen und nationalen Vorschriften zur Fahrzeugprüfung mit, zuletzt der ab Januar 2018 geltenden Abgasmessung im Endrohr.“

Die Verkehrssicherheit im Fokus

Peter Schuler, Bundes geschäftsführer der KÜS.

Als junger Ingenieur für Fahrzeugtechnik war ich zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn im väterlichen Sachverständigenbüro tätig. Dadurch war mir die Hauptuntersuchung von Fahrzeugen gut bekannt. Ich ordnete sie sehr früh als enorm wichtig für die Verkehrssicherheit ein. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Inzwischen bin ich seit fast 30 Jahren für die KÜS tätig, davon 25 Jahre in der Geschäftsleitung. Ich habe die Entwicklung der HU also sehr intensiv miterlebt. Als nach der Liberalisierung hinzugekommene Organisation wurde uns die Platzierung in der deutschen Fahrzeugüberwachung nicht leichtgemacht. Inzwischen gehören wir aber zu den großen Organisationen in unserem Land. Zu beobachten war, dass die Methodik der technischen Überwachung immer Schritt hielt mit den Entwicklungen im automobilen Sektor. Auch daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine neutrale und kompetente Beurteilung des Fahrzeugzustands ist immer noch ein Garant für mehr Sicherheit auf den Straßen.

Die KÜS ist inzwischen zu einem Komplettdienstleister für Verkehrsteilnehmer und die Werkstätten des Kraftfahrzeuggewerbes geworden. Für die digitalen Herausforderungen der Zukunft sind wir mit unserem neuen Hochleistungs- und Hochsicherheitsrechenzentrum bestens gerüstet.

 

Die Beratung der Kunden direkt am Fahrzeug…

Oliver von Wallenberg Pachaly, Leiter Servicetrainings ZF Aftermarket Schweinfurt.

… war früher eher die Ausnahme. So war es auch beim ersten Werkstattbesuch mit meinem Auto, einem VW Käfer 1500 Baujahr 1966. Nachdem ich dem Mechaniker den Fehler beschrieben hatte, wurde das mit einem Hhmm“ kommentiert und der Wagen in die Werkstatt gefahren. Die Abholung verlief ähnlich: Auto ist fertig, kostet 568 Mark.“ Was repariert wurde, weiß ich bis heute nicht. Leider war auch der Fehler nicht beseitigt worden. Das war eins der Schlüsselerlebnisse, das bei mir dazu führte, in dieser Branche arbeiten zu wollen. Ich wollte Veränderungen anstoßen und Werkstattabläufe optimal gestalten.

Ein solches Vorgehen ist heute in der Regel nicht mehr der Fall – dazu haben Trainings, aber auch die Aufklärungsarbeit von Medien wie KRAFTHAND beigetragen. Aber es bleibt dabei: Die Trainer bei ZF Aftermarket schulen die Werkstattpartner nicht nur zu technischen Fragestellungen. Wir empfehlen stets auf’s Neue ausdrücklich den Dialog mit den Kunden, denn das schafft Vertrauen. Dabei kann die Werkstatt nicht nur auf defekte Teile hinweisen, sondern auch für eine frühzeitige Wartung und die Reparatur mit Teilen in OE-Qualität werben.

Ob ein Kunde zufrieden ist oder nicht, blieb in der Vergangenheit oft im Unklaren. Von meiner Erfahrung habe ich damals nur einigen Kumpels erzählt. Heute wird der Service nicht selten umgehend in einschlägigen Verbraucherportalen bewertet. Das kann erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Betriebs haben – und zwar im Guten wie im Schlechten. Trainings wie auch Beratung seitens der Medien bleiben also auch weiter außerordentlich wichtig.“

 

Die Kfz-Werkstatt gestern und heute

Hubertus Günther, Spezialist für Dieselschulungen und Fachbuchautor.

In den 70er Jahren war die Arbeit aus heutiger Sicht noch einfacher, weil die Bauteile besser zugänglich und die Fahrzeuge eher auf Reparaturen ausgelegt waren. Dafür mussten Verschleißteile auch häufiger gewechselt werden. Elektronik gab es höchstens im Blinkrelais oder im Autoradio. Die Fehlersuche musste von Hand erfolgen.

In den 80ern trieb dann das Einsetzen der Elektronik in Einspritzanlagen und später im ABS den Mechanikern den Angstschweiß auf die Stirn, weil sie die Elektrik höchstens von der Zünd anlage oder Generatoren kannten. Die einsetzende Eigendiagnose war zwar eine erste Hilfe, aber noch längst nicht so ausgefeilt und umfangreich wie heute. Der Siegeszug des Dieselmotors besonders der aufgeladenen Direkteinspritzer zwang jetzt auch die Pkw-Werkstätten, sich intensiver damit zu befassen. In den 90er Jahren bestimmten die Digitalisierung der Fahrzeuge und die Abgasnachbehandlung die Kfz-Technik. Der Diagnosetester wurde zum Standardwerkzeug bei der Fehlersuche und die Abgasuntersuchung sorgte zum ersten Mal für eine regelmäßige Überprüfung der Abgaswerte.

Heute zwingen die kurzen Entwicklungszyklen der Autobauer und die aufwendige Ausstattung der Fahrzeuge die Werkstätten zu ständigen Investitionen in neue Geräte, Weiterbildung und Datenbeschaffung. Glaubt man den Journalisten der Tagespresse und den Politikern, wird der Verbrennungsmotor in zehn Jahren von anderen Antrieben abgelöst. Allerdings sind deren Äußerungen von geringer Fachkenntnis getrübt. E-Autos sind im Moment vom Preis und von der Alltagstauglichkeit her für einen normalen Autofahrer uninte ressant. Erst wenn die Politik die passende Infrastruktur geschaffen hat und die Fahrzeuge mit attraktiver Reichweite zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden, kann der Verbrennungsmotor ersetzt werden. Die Fahrzeugindustrie zeigt mit ihren neuen Modellen, die endlich mit realitätsnahen Normen, z. B. RDE, geprüft werden, dass ein Verbrennungsmotor vom Abgas her sauber und auch in der Zukunft konkurrenzfähig sein kann. Die Zukunft also bleibt spannend.

 

Besonders beeindruckend empfand ich…

… den Übergang von der handschriftlichen Auftragserfassung hin zu digitalen Prozessen. In den 90er Jahren haben wir die Aufträge noch komplett ohne EDV-Unterstützung per Hand auf Papierblöcken ausgefüllt. Auch die Teilesuche erfolgte über gedruckte Papier-Teilekataloge und war entsprechend mühsam.

Auch die Tätigkeiten in der Werkstatt haben sich grundlegend gewandelt. Während vor 25 Jahren der Schraubschlüssel und die Erfahrung ausschlaggebend waren, ist mittlerweile der Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln erforderlich, vom Diagnosegerät über Klimaservicegeräte bis zur CAN-Bus-Vernetzung und Onlineanbindung vieler Systeme. In einem Satz: Früher war der Mechaniker Wissensträger und Schrauber, heute muss er wissen, in welchem System sich das Wissen befindet und wie es umgesetzt wird. Aber damals wie heute muss der Kunde im Mittelpunkt stehen.

Franz Eiber, Leiter Prozess- und Dienstleistungsmanagement bei A.T.U