
Warum die AU-Partikelmessung trotz sehr hoher Kalibriertoleranzen keinesfalls ein unseriöses Instrument ist, durch das massenweise Euro-6-Diesel über die AU-Klinge springen, erklärt Chefredakteur Torsten Schmidt in seinem Kommentar.
Für unser Jahresauftaktheft 1-2/2025 haben wir dazu recherchiert und im Beitrag „Wie (un-)genau Partikelzähler tatsächlich messen“ beschrieben, wie genau AU-Partikelmesser den Ruß im Abgas tatsächlich erfassen. Auslöser war eine äußerst ausführliche und interessante Zuschrift eines Krafthand-Lesers, die auf den ersten Blick das Zeug dazu hatte, die Partikelmessung in Frage zu stellen. Vereinfacht ausgedrückt erklärt er, dass ein Euro-6-Diesel an einem einwandfrei kalibrierten Partikelmesser bei der AU durchfällt, an einem anderen wiederum nicht. Der Grund dafür sind sehr hohe Toleranzen bei der Kalibrierung der Geräte.
Bereits vor Jahren erzählte mir bei der Recherche zur damals noch nicht in Kraft getretenen Partikelmessung ein Experte von diesen auffälligen Toleranzen. Da zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht sicher war, ob dies auch so kommen würde, haben wir das Thema damals nicht weiterverfolgt. Umso mehr möchte ich unserem Leser für den geschilderten Fall danken. Denn anhand seines Praxisbeispiels lässt sich die Problematik besser und greifbarer erläutern als in einem abstrakten Gedankenspiel.
Wie (un-)genau Partikelzähler tatsächlich messen
Hohe Toleranzen bei der Kalibrierung von AU-Partikelmessgeräten lassen – nicht zuletzt aufgrund eines krassen Praxisfalls – Zweifel an deren Genauigkeit und damit am Sinn der Prüfung aufkommen. Zu Recht oder gibt es dafür eine sinnvolle Erklärung? mehr …
Klar ist jedenfalls: Für die Toleranzen gibt es durchaus nachvollziehbare Erklärungen. Denn natürlich muss man bei der „Produktion“ von Referenzpartikeln, bei der Messzelle für das Kalibriergerät sowie bei dem im Werkstattumfeld eingesetzten AU-Gerät jeweils gewisse Ungenauigkeiten tolerieren. Ob diese in Summe zugunsten der Genauigkeit niedriger sein könnten, als der Gesetzgeber einräumt, kann ich nicht beurteilen.
Aber bei allem, was unsere Recherche ergeben hat: Für mich steht die Partikelmessung nicht in Frage. Sie ist keinesfalls ein unseriöses Instrument, durch das massenweise Euro-6-Diesel über die AU-Klinge springen. Denn die im besagten Artikel dargelegten Szenarien sind Extrembeispiele, zu denen es nur kommt, wenn wirklich alles „Schlechte“ zusammenfällt. Außerdem stoßen intakte Euro-6-Motoren mit einwandfreier Abgasnachbehandlung in der Regel 10.000 Partikel/cm3 aus. Manche etwas mehr, andere weniger. So gesehen fallen solche Autos selbst bei größtmöglichen zulässigen Messtoleranzen nicht durch. Und Fahrzeuge, die hunderttausende Partikel ausstoßen, haben definitiv ein Problem.
Das bestätigt nicht zuletzt der von Ford gestartete Rückruf. Die Kölner müssen zigtausende Fahrzeuge verschiedener Modelle mit Euro-6-Dieselmotor zurückrufen, weil sie durch „neueste Messmethoden“ (gemeint ist die seit Sommer 2023 eingeführte Partikelmessung) auffällig geworden sind. Der Hintergrund: Neben einer verbesserungswürdigen Software können die DPF auch Risse aufweisen, sodass der Partikelausstoß deutlich zu hoch ist. Das sind eindeutige Mängel, die mit der alten Trübungsmessung nicht erkannt worden wären, mit der Partikelmessung hingegen schon. Insofern steht deren Wirksamkeit also nicht in Frage – hohe Toleranzen beim Kalibrieren hin oder her.
Natürlich ließe sich an dieser Stelle anhand eines fiktiven Beispiels einwenden, dass es aber nicht gerecht sein kann, wenn etwa ein Auto mit echtem Ausstoß von beispielsweise 230.000 #/cm3 durchfällt, nur weil das Gerät aufgrund von (Kalibrier-)Toleranzen mehr als 250.000 #/cm3 anzeigt. Stimmt. Aber was ist die Alternative? Ein höherer Grenzwert? Dieser würde die Ungerechtigkeit nur nach oben verschieben. Besser ist es doch – wie im Beitrag geschildert, in solchen Grenzfällen die AU an einem anderen Gerät (einer anderen Marke) zu wiederholen. Zeigt auch dieses einen zu hohen Wert, dürfte klar sein, wo das Problem liegt. Am Auto. Und dass solche nicht mit Defekten welcher Art auch immer durch die Gegend fahren, dafür arbeitet unsere Branche redlich.