Wie der Online-Teilehandel die Kfz-Branche verändert und warum Werkstätten womöglich bald mit weniger Ersatzteilmargen klarkommen müssen: Darüber hat KRAFTHAND mit dem E-Commerce-Experten Christian Koeper gesprochen.
Im Interview gibt er interessante Einblicke, wieso im Netz selbst hochwertige Teile vergleichsweise billig sind und wieso die Angst vor Plagiaten eher unbegründet ist. Außerdem spricht er über Doppelmoral im Hinblick auf den Online-Teilehandel und über fürstentumartiges Gebaren von Teilgroßhändlern..
Christian Koeper
Christian Koeper war Anfang der 2000er Jahre für den Aufbau des Bereichs Fahrzeugteile und Zubehör bei eBay verantwortlich. Nach seiner Zeit bei dem Online-Marktplatz gründete er den Ersatzteile-Marktplatz Daparto und wirkte an dessen Aufbau wesentlich mit.
Auch in seinen folgenden beruflichen Stationen blieb er dem eCommerce-Bereich mit Fokus auf Automotive Aftermarket treu. Damit verfügt der studierte Betriebswirt über eine fast 20-jährige Erfahrung im Online-Teilehandel. Seit April 2019 ist er für die Saitow AG tätig und verantwortet dort als COO das operative Geschäft der B2B-Plattform Tyre24. Sein Ziel ist, die Umsätze im Ersatzteilbereich signifikant zu steigern – von heute etwa 25 auf etwa 250 Millionen Euro. Das wäre etwa ein Viertel der Umsätze, die Tyre 24 schon heute im Reifensektor generiert.
Herr Koeper, unsere Gesellschaft digitalisiert sich schon seit Jahren. Und immer wieder hört man, dass sich dadurch auch die Kfz-Reparaturbranche und der Teilehandel in den nächsten Jahren deutlich verändern würden. Heißt das, Kfz-Profis und die klassischen Teilegroßhändler sind noch gar nicht in der digitalen Welt angekommen?
In der Tat zählt der automobile Aftermarket eher nicht zu den Pionieren oder gar den Innovationstreibern in der digitalen Welt. Dies hat für mich nachvollziehbare Ursachen. Der Handel mit Ersatzteilen sowie die Reparatur von Fahrzeugen sind nach meiner Erfahrung in vielen Facetten sehr „offlinig“.
Kfz-Reparaturen und -Services sind sehr lokale und zudem hochkomplexe Dienstleistungen, an denen sich der E-Commerce schon länger die Zähne ausbeißt. Hier geht es sehr stark um Interaktion zwischen Menschen – den Aufbau von Vertrauen, die Einhaltung von Terminen und jede Menge nicht planbarer Variablen, die Algorithmen kaum abdecken können. Die Digitalisierung in der Werkstatt beschränkt sich daher heute noch vielfach auf die Kfz-Diagnose und eher einfache Themen wie elektronische Werkstattplaner.
Viele Betriebe, die handwerklich besten Service bieten, haben – anders als etwa ihre Kollegen aus dem stationären Einzelhandel – auch noch keinen großen Druck durch das Netz. Denn für sie reicht es oft, ohne eigene Webseite über Google gefunden zu werden: Der Rest des Prozesses läuft weitestgehend „zu Fuß“. Hier wird die digitale Veränderung wahrscheinlich auch durch die Connected Cars kommen, die – wie man hört – künftig ihre Wartungsarbeiten selbst planen, dazu benötigte Teile autark identifizieren und sich anschließend selbsttätig in einen OE-Betrieb zum Termin einweisen. Im Servicebereich könnte die Notwendigkeit zur Digitalisierung somit durch das Kfz selbst getrieben sein.
Und das gilt auch für den Teilegroßhandel?
Hier stellt sich die Situation etwas anders dar. Generell gilt der Satz, dass online jedes Produkt verkauft werden kann und früher oder später verkauft werden wird. Kfz-Ersatzteile eignen sich – anders als lange geglaubt – sehr gut für den Onlinehandel. Die Produktdaten werden immer besser und die Möglichkeit der Next-Day-Zustellung reicht in vielen Fällen aus, sofern der Preis für Produkt und Lieferung attraktiv ist. Die großen Preisunterschiede innerhalb der EU befeuern einen internationalen Wettbewerb, der durch das Internet erst möglich wird. Hier liegen signifikante Chancen für innovative, digital denkende Unternehmen auf Seiten des Handels sowie clevere Werkstätten, die die Möglichkeiten zur Margenverbesserung für sich nutzen.
Gerade der fürstentumartig organisierte deutsche Teilegroßhandel hat lange von der analogen Welt profitiert. Hier reichte es oft aus, einen elektronischen Teilekatalog zur Verfügung zu stellen und auch wichtige interne Systeme wie Warenwirtschaften oder FiBu mit möglichst wenig Aufwand zu betreiben. Durch die digitale Welt ändert sich hier sehr viel in sehr kurzer Zeit. Der überdistribuierte, preislich nicht harmonisierte Markt wird transparent, der Wettbewerb vor der lange geschützten eigenen Haustür unter anderem durch neue Marktteilnehmer nimmt zu und die sehr verwöhnte Nachfrageseite wird mächtiger, während die Kapitalbindung etwa durch Ware, Fuhrparks oder Personal zur Hypothek wird.
Hat inzwischen ein Umdenken eingesetzt?
Nach meiner Erfahrung unterschätzen viele Unternehmen unserer Branche digitale Themen immer noch. Dies ist aus meiner Sicht auch der schweren Greifbarkeit des Themas beziehungsweise der Furcht vor dem Unbekannten geschuldet. Auch scheuen einige Unternehmen notwendige Vorab-Investitionen in Systeme und nicht zuletzt in für das Thema aufgeschlossene sachkundige Mitarbeiter.
Auch scheint es eine gewisse Doppelmoral zugeben. Während sich Entscheider im Privatleben über ihr Smart Home, die taggleiche Lieferung des Amazon-Schnäppchens oder die Möglichkeit, den Bundesliga-Livestream auch im Urlaub empfangen zu können, freuen, haben diese vielfach im beruflichen Umfeld noch eine Online-betrifft-uns-nicht- beziehungsweise Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Einstellung.
In der Tat nutzen Werkstätten Internetplattformen zur Teilebestellung eher verhalten – trotz attraktiver Preise.
Tatsächlich konnten sich Online-Plattformen und Webshops schon seit Jahren zur Haupt-Einkaufsquelle für Fahrzeugteile und -zubehör bei Endkunden etablieren, während in einem ungleich größeren, vermeintlich attraktiveren B2B-Markt eher wenig Traktion zu verzeichnen war. Ich denke, dass dies zum einen der Tatsache geschuldet ist, dass es – im Gegensatz zu eBay Motors, Daparto, kfzteile24 und Co. für das B2C-Segment – lange Zeit kein adäquates Teileportal gab, das die Bedürfnisse der B2B-Klientel fokussiert hat.
Zum anderen bestand in einem überdistribuierten Markt für viele Werkstätten keine Notwendigkeit, alternative Bezugsquellen für Teile in Erwägung zu ziehen. Es ist ohne Frage sehr kommod, von einem Großhändler mehrmals am Tag beliefert zu werden, großzügige Zahlungsziele eingeräumt zu bekommen und Kunden, die Teilepreise bisher nicht einordnen konnten, zu bedienen.
Dadurch, dass es nun auch auf den B2B-Markt abgestimmte Plattformen wie Tyre24 gibt, die ihren Mehrwert bereits im Bereich der Reifen nachhaltig unter Beweis stellen konnte, beginnt sich das Einkaufsverhalten der Kfz-Profis zu ändern. Nach meiner Einschätzung ist dies auch eine Frage der Generationen. In der Werkstatt für den Einkauf verantwortlich sind immer mehr „digital Natives“, also Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Zusätzlich werden die Endkunden immer informierter und sensibler in Bezug auf veranschlagte Teilepreise, so dass die Aussage, dass der Gewinn im Einkauf liegt, für die B2B-Käufer an Bedeutung gewinnen wird.
Viele Werkstätten stehen online erworbenen Ersatzteilen auch skeptisch gegenüber wegen der Furcht vor Plagiaten oder minderwertigen Teilen.
Wenn Werkstätten anführen, dass sie den Teilekauf per Internet bisher nicht nutzen und dafür valide, nachvollziehbare Gründe anführen, so kann ich dies akzeptieren. Wenn allerdings E-Commerce als Quelle von Plagiaten und anderen dubiosen Themen rund um die Produktqualität als Grund angeführt wird, kann ich dies weder nachvollziehen noch bestätigen. Ich bin seit fast 20 Jahren im Autoteile-Aftermarket tätig – mir ist in dieser Zeit noch keine Produktfälschung, über die man gern und oft redet, präsentiert worden. Ich habe den Eindruck, dass sich hier eine Art Legende analog der „Spinne in der Yuccapalme“ gebildet hat. In unserer Branche geht es analog häufig etwa um den ATE-Bremsbelag aus Kamelmist aus dem Internet, von dem schon so viele gehört haben, den aber noch niemand gesehen hat.
Wieso halten sich die (Vor)Urteile, für die der Bremsbelag aus Kamelmist exemplarisch steht, so hartnäckig?
Unsere Branche ist eher traditionell geprägt, und man findet dort einige „Reichsbedenkenträger“ und viele „Besitzstandswahrer“. Meinungen werden irgendwo von irgendwem gebildet und leider oft unreflektiert übernommen. Die Motive sind unterschiedlich. Vielfach wird von Fake News gesprochen; in diesem Bereich bewegen sich viele Infos zum angesprochenen Thema. Auch wird nach meiner Erfahrung den negativen Themen mehr Aufmerksamkeit gewidmet als den positiven. Ein Heckleuchte kopierender Asiate im Rahmen der Automechanika reicht in der Regel aus, um das Thema Gefahr durch Plagiate wieder ganz nach vorne zu spülen.
Natürlich ist man auch oder vor allem online nicht davor gefeit, negative Erfahrungen zu machen. Zu meiner Zeit bei eBay hatten viele Nutzer neben vielen sehr schönen Anekdoten rund um den Marktplatz auch ein Beispiel parat, bei dem sie auf die Nase gefallen waren. Der eine berichtete von gefälschter Markenbekleidung, ein anderer von einem defekten Elektroartikel, die man von einem windigen Anbieter erworben hatte.
Auch im Bereich der Ersatzteile gab es negative Erfahrungen, die sich meist darum drehten, dass No-Name-Teile von wenigen schwarzen Schafen als vermeintliche Markenteile von Conti, SKF oder Bosch verkauft wurden, oder dass einzelne Anbieter die Ware aufgrund eines Problems beim Vorlieferanten erst verzögert versenden konnten.
Heute sind diese Ereignisse aufgrund eines deutlich verbesserten Online-Bewusstseins bei den Käufern, einer bereits erfolgten Auslese bei den Anbietern sowie Initiativen der Plattformen rund um das Thema Käuferschutz nach meiner Erfahrung sehr stark zurückgegangen.
Warum gibt es auf Internetplattformen ein breiteres Angebot, was ist von No-Name- und Billigprodukten und deutlich günstiger angebotenen Markenteilen zu halten?
Durch das Internet und niedriger Markteintrittsbarrieren von Anbietern haben Kunden im B2C- und B2B-Segment Zugang zu einem deutlich breiteren Angebot alternativer Marken, Qualitäten und Preise. So ist es möglich, dass Handelsmarken aus dem In- und Ausland angeboten werden können oder neue, oftmals günstige Drittmarken am Markt erscheinen. Hier ist die Vernunft jedes Einzelnen gefragt bei der Überlegung, ob ein kompletter Kupplungssatz für unter 100 Euro eine sinnvolle Entscheidung ist, oder nicht. Nach meiner Beobachtung hat sich die Geiz-ist-geil-Mentalität der 2000er Jahre weitestgehend gelegt und ist der Entscheidung pro Qualität gewichen.
Neben dem Zugang zu neuen Marken ist im Netz zu beobachten, dass dort nicht zuletzt auch Produkte von Premiumherstellern zu merklich attraktiveren Preisen kaufbar sind. Wenn nun etwa Bremsenteile einer Premiummarke plötzlich zu 30 Prozent unter dem bisher bekannten Marktpreis zu haben sind, heißt das jedoch nicht, dass es sich hier um Fälschungen handeln muss. Vielmehr sind in diesen Preisen wahrscheinlich im Offlinehandel übliche Preisaufschläge zur Deckung der Fixkosten nicht enthalten und/oder die Ware wurde vom Anbieter in einem der Länder bezogen, in denen der Markenhersteller eine Niedrigpreispolitik fährt oder fahren muss.
Auch hier findet sich die angesprochene Doppelmoral. Man hat schon vor 15 Jahren mit Freude ein EU-Neufahrzeug gekauft oder erzählt gern von der im Urlaub günstig erworbenen (echten) Luxusuhr. Im eigenen Marktumfeld hält man vergleichbare preisliche Vorteile jedoch für unmöglich, dubios oder gar kriminell.
Was können Internet-Verkaufsplattformen besser als der klassische stationäre Teilehandel – dessen Bestellsysteme ja ebenfalls eine Rund-um-die-Uhr-Bestellung zulassen, mit der sich Onlineshops oft schmücken?
Das Thema 24-7 ist in der Tat keines, das der reine Onlinehandel für sich alleine beanspruchen kann. Der Vorteil eines reinen Onlineshops liegt vor allem in einem – für Endkunden – attraktiven Pricing. Wie angesprochen sind die Shops – von Autodoc über kfzteile24 bis zu ATP – primär auf das B2C-Segment ausgerichtet. Einen echten Vorteil für eine Werkstatt oder andere gewerbliche Anbieter sehe ich zunächst nicht, es sei denn, der (kleine) Betrieb steht am Ende der Nahrungskette des Großhandels und bekommt von diesem eine dünne Logistikleistung und vergleichsweise hohe Preise angeboten.
Bei einem Portal liegt der Vorteil zunächst in einem dort stattfindenden Wettbewerb unterschiedlicher Anbieter, vor allem in den Dimensionen Preis und Service sowie deren Kombination. Darüber hinaus bietet ein Marktplatz als Aggregator vieler Anbieter ein breiteres Angebotsspektrum als es ein einzelner Großhändler bieten könnte.
Allerdings wird es nicht nur um die Frage gehen, was Onlineshops und -Marktplätze besser können als der stationäre Großhandel, sondern auch darum, wo die Grenzen der etablierten Offlinehändler liegen. In Zukunft könnte es durch die zunehmende Konsolidierung der Anbieter im Aftermarket weniger Wettbewerb in der Fläche geben, wodurch die Angebote der Online-Plattformen an Attraktivität gewinnen.
Aber Teilerückgabe, Garantieabwicklungen, mehrmalige Lieferungen am Tag. Haben Internetplattformen hier nicht einen objektiven Nachteil, der auch in Zukunft schwer wettzumachen ist?
Die Teilerückgabe oder die Abwicklung von Garantiefällen ist bei B2B-Internetplattformen genauso möglich wie im stationären Handel. Die Prozesse sind anders aufgesetzt und erfordern dadurch eine Verhaltensänderung der Akteure; die Ergebnisse jedoch sind die gleichen. Der vom Großhandel heute gegenüber seinen Kunden gebotene Service ist aus meiner Sicht überdreht oder over-engineered. Dass eine Werkstatt heute mehrfach am Tag beliefert werden muss, ist das Ergebnis eines Servicewettbewerbs, den man sich in der Fläche liefert. Die Dienstleistung wird vom Kunden selbstredend gern genutzt, da sie ja auch vermeintlich kostenlos ist, führt aber potenziell zu einer Art Disziplinlosigkeit in der Beschaffung. Von Großhändlern wurde mir berichtet, dass man hier das Rad vor dem Hintergrund der damit verbundenen immensen Prozesskosten gern zurückdrehen würde, es aber nur sehr schwer möglich ist.
Berichtet wird von Bestellungen zur Auswahl, ähnlich der Modebranche im B2C – statt den passenden Kupplungssatz akribisch zu recherchieren werden gleich alle vier eventuell passenden Artikel bestellt. Einer wird schon passen, der Rest geht zurück. Scheinbar lassen einige Kunden verschiedene Großhändler auch gegeneinander antreten für die identische Bestellung. Die am schnellsten gelieferten Teile werden verbaut, die günstigsten werden bezahlt – der Rest geht zurück. Gezahlt wird auf Basis großzügiger Zahlungsziele, garniert mit Skonto und allerlei vor- und nachgelagerten Rabatten.
Wahrscheinlich ist diese Beschreibung überzeichnet, zeigt jedoch, dass die Situation eher ungesund für die Anbieter ist.
Sie glauben, der Großhandel kann seine großzügigen Services nicht mehr auf Dauer bieten?
Ich bin sicher, dass der Großhandel Initiativen ergreifen muss und wird, um das überzogene Servicelevel und die damit verbundenen hohen Kosten wieder einzufangen. Möglich wäre, nicht nur Disziplin im Einkauf auf Kundenseite zu belohnen, sondern beispielsweise auch unterschiedliche Servicelevels differenziert zu bepreisen – ähnlich wie in der Tourismusbranche. Sofern sich in diesem Bereich etwas tut, steigt gleichzeitig die Chance für Onlineanbieter, da die Parameter für die Auswahl des Einkaufskanals einheitlicher werden.
Persönlich interessant finde ich das mir aus dem Markt berichtete Phänomen, dass der stationäre Großhandel nicht nur Wettbewerb durch klassische Onlineportale, sondern auch von Kollegen aus dem Ausland, zum Beispiel aus Polen erhält. Die Tatsache, dass sich einige Werkstätten in Deutschland einmal am Tag über Nacht aus dem Ausland beliefern lassen, zeigt, dass die als Standard angenommene mehrfache untertägige Belieferung offenbar bei Stellung eines attraktiven Teilepreises in den Hintergrund rückt.
Reden wir über Tyre24, der B2B-Plattform, für die Sie tätig sind und auf der neben Reifen auch das klassische Ersatzteilgeschäft Platz hat. Wieso sollten Kfz-Profis ausgerechnet dort kaufen und nicht bei etablierten Plattformen wie eBay Motors, Daparto, kfzteile24 etc.?
Tyre24 hat den Ersatzteilehandel im Internet ebenso wenig erfunden wie Amazon den Onlinehandel mit Konsumgütern. Trotzdem konnte sich Amazon gegen den Wettbewerb durchsetzen, auch dank einer konsequent umgesetzten Strategie und eines für den Kunden einfach zu bedienenden Systems.
Dass wir mit Tyre24 in der Lage sind, einen ähnlichen Weg zu gehen, haben wir im Bereich des B2B-Handels mit Reifen hinlänglich bewiesen. Die Kunden sind der Plattform treu, da sie ihnen offenbar spürbare, messbare Mehrwerte bietet. Mit diesem Vorteil wollen wir auch im Bereich der Ersatzteile punkten und ich sehe hier gute Chancen, dass uns dies gelingt. Bei eBay hieß es: Wer die Käufer hat, wird auch die Verkäufer bekommen, sodass der Marktplatz funktioniert. Und Käufer – vor allem Stammkunden, auf die es im B2B-Handel ankommt – haben wir in großer Zahl.
Die von Ihnen genannten Mitbewerber sind im B2C heimisch, einem Bereich, bei dem es schwer ist, Stammkunden zu binden. Zudem fehlt diesen Portalen die Zweckmäßigkeit. Um bei Profis als B2B-Portal zu punkten, ist es notwendig, die Prozesse zu kennen und den Anforderungen Rechnung zu tragen. Hier reicht die Palette von der Ausstellung von Netto-Rechnungen über eine Multiuserfähigkeit der Plattform bis zur Kopplung von Portal und Systemen der Kunden per Schnittstellen. Dies und vieles mehr bieten wir.
Tyre24 ist eine reine Handelsplattform, auf der Händler ihre Ersatzteile anbieten und Werkstätten kaufen. Wie stellt Tyre24 seine Qualitäts- und Lieferversprechen dennoch sicher?
Als geschlossener B2B-Marktplatz stellt Tyre24 nicht nur sicher, dass auf Seiten der Käufer ausschließlich Gewerbekunden Zugang erhalten, sondern kennt auch seine Anbieter persönlich. Im Gegensatz zu offenen Plattformen aus dem B2C-Bereich, bei denen sich quasi jeder anmelden und Handel treiben kann, können sich Anbieter nicht ohne unsere Kenntnisnahme auf dem Portal engagieren. Ein Team von kategorieverantwortlichen Mitarbeitern im Bereich Supply steht mit jedem unserer Anbieter in Kontakt. Wir qualifizieren somit Anbieter vor deren Start auf Tyre24 und nehmen deren Prozesse und Leistungsfähigkeit unter die Lupe. In der Folge kommt es durchaus vor, dass wir von einer Partnerschaft Abstand nehmen oder wir uns von einem trennen, sollte er sich als nicht leistungsfähig herausstellen.
Andererseits stellen wir besonders leistungsfähige Anbieter auf Basis von uns festgelegter Kriterien als Premiumlieferanten auf der Plattform dar. Die Auszeichnung wird durch uns vergeben und erfolgt nach eingehender Prüfung der Leistungsfähigkeit des Partners. Premiumlieferanten, die ein noch höheres Servicelevel bieten als ihre Mitbewerber – unter anderem in puncto Bestellannahme oder Lieferzeiten, dabei jedoch häufig nicht einmal die günstigsten Anbieter sind – erfreuen sich bei unseren Kunden besonderer Beliebtheit.
Wie bei anderen Internetplattformen auch, gibt es bei Tyre24 kein Rabattsystem, wie es Werkstätten von den Teilegroßhändlern ihres Vertrauens kennen. Warum sind solche Nachlassmodelle im Netz unüblich?
Sie haben recht; während es im stationären Handel eine regelrechte Rabattitis zu geben scheint, bieten wir bisher kein entsprechendes System an. Dadurch, dass auf einem Portal wie Tyre24 circa 2.000 Anbieter aktiv sind, ist es technisch sehr aufwendig bis nahezu unmöglich, für jeden Partner oder auch für jeden der rund 40.000 Kunden ein Rabattsystem einzuführen und zu pflegen. Vor ähnlichen Herausforderungen stehen auch eBay oder Amazon, das seit Kurzem zumindest das Sammeln von Punkten über eine eigene Kreditkarte zulässt, die dann bei einer Bestellung eingelöst werden können.
Rabatt- oder Bonussysteme sind selbstredend ein geeignetes Mittel zur Kundenbindung. Man findet diese auch bei einigen Onlineshops, vor allem in Bereichen, wo es besonders um Stammkunden geht – beispielsweise im Heimtierbedarf. Ich schließe nicht aus, dass wir künftig ein plattformweites Bonus- oder Rabattsystem anbieten. Dieses würde jedoch eher die Aktivitäten eines Nutzers auf dem Portal honorieren als den Einkauf bei einem speziellen Anbieter.
Aufgrund der Preistransparenz durch Internetplattformen fällt es Werkstätten inzwischen zunehmend schwer, ihre Ersatzteilmargen im gewohnten Maß durchzusetzen. Führen Internetplattformen dazu, dass Kfz-Betriebe perspektivisch mehr Geld über die Dienstleistung, also über die Arbeit verdienen müssen und Teileumsatz in den Hintergrund rückt?
Aus meiner Perspektive wird die Teilemarge durch die genannten Markteinflussfaktoren immer mehr unter Druck geraten; zumindest das Durchsetzen eines Wunschpreises durch den Anbieter in Großhandel und Werkstatt wird schwerer bis tendenziell unmöglich. Wenn der VK-Preis sinkt, ist die Realisierung eines verbesserten EK eine zumindest theoretische Möglichkeit, Marge aufzufangen. Aber auch hier sind perspektivisch Grenzen gesetzt.
Ich denke daher, dass der Gewinn nicht nur im Einkauf von Teilen liegt, sondern im Anbieten qualitativ hochwertiger Arbeit, für die eine Werkstatt berechtigt einen guten, fairen Preis verlangen kann. Kfz-Ersatzteile sind schlussendlich Commodities, deren Preis einfach zu ermitteln ist und die nur schwer mit zusätzlichen Preiskomponenten aufgeladen werden können. Ob das Teil in einem nagelneuen Lieferwagen vom örtlichen Großhändler oder per DHL-Paket nach Kauf in einem Onlineshop geliefert wird – es ist und bleibt das gleiche Teil.
Beim Teilepreis achten viele Autofahrer darauf, dass dieser marktgerecht ist und recherchieren im Internet. Die Situation ist vergleichbar mit dem Kauf eines neuen Fernsehgeräts oder der Buchung eines Flugs – eindeutig beschreibbare Dinge können verglichen werden und Anbieter sehen sich damit konfrontiert.
Die Kfz-Reparatur ist am Ende des Tages eine Dienstleistung und die dabei benötigten Teile eignen sich wahrscheinlich immer weniger als Renditebringer, sondern als Mittel zum Zweck, um abkömmliche Deckungsbeiträge über die Komponente Service zu erzielen.