Es gleicht einem Blick in die Glaskugel, Aussagen über die HU im Jahr 2030 abzugeben. Denn wer weiß heute schon genau, wie die Fahrzeuge dann aussehen werden. Unstrittig scheint, dass die Autos der Zukunft vernetzter, intelligenter und autonomer denn je sein werden. Ein Vorausblick auf die Zukunft der Fahrzeugsystemdatenprüfung.
Vier Jahre ist es nun her, dass Prüfer bei der Hauptuntersuchung die elektronische Fahrzeugschnittstelle nutzen, seit 2017 auch zur Sicherheitsprüfung. Die Kommunikation mit dem Pkw läuft seither über ein entsprechendes Prüfgerät, den HU-Adapter.
„Diese Methode ist effektiver und effizienter als in der Vergangenheit und stellt einen maßgeblichen Fortschritt in der Geschichte der Fahrzeugprüfungen dar“, sagt Dr.-Ing. Philipp Schuricht, einer von zwei Geschäftsführern der FSD. Diese sogenannte Zentrale Stelle (nach dem Straßenverkehrsgesetz) mit Sitz in Dresden und Radeberg entwickelt und erarbeitet im gesetzlichen Auftrag Vorgaben und Prüfverfahren, die Sachverständigenorganisationen bei der HU helfen sollen. Beispielsweise um Störungen, Verschleiß, Alterung und Manipulationen an Fahrzeugbauteilen und -systemen festzustellen.
Pkw statisch und dynamisch prüfen
Bereits heute zeichnet sich der HU-Adapter laut Schuricht durch eine Kombination aus Diagnose-Scantool und Bewegungssensorik (Beschleunigungen und Drehraten) aus und bildet somit die Grundlage für den praxisgerechten Einsatz von KI-Methoden in der Fahrzeugdiagnose. Für die Zukunft unverzichtbar, denn: Der Zustand der Pkw wird künftig mehr denn je über Fehlerspeicher und Diagnose-Fehlercodes (DTC) ausgelesen. Und das gestaltet sich angesichts einer Zahl von 50 bis 100 Steuergeräten pro Fahrzeug als ein immer komplexeres Unterfangen.
Die Rede ist, pro Hersteller mit diversen Automodellen, von bis zu 70.000 DTCs für 40 bis 100 OEMs. „Deshalb ist es eine komplexe Aufgabe, diese sehr unterschiedlichen Diagnosen in Fahrzeugen so zu übersetzen, dass bestenfalls ein einheitlicher Mangelindex entsteht, der dann bei einer HU entsprechend protokolliert werden kann.“
„An einer dynamischen Pkw-Überprüfung inklusive einer verpflichtenden Prüffahrt führt in Zukunft kein Weg vorbei.“Dr. Philipp Schuricht, FSD
Als „unabdingbar“ für die HU der Zukunft bezeichnet Schuricht außerdem eine obligatorische Prüffahrt mit mindestens 8 bis 15 km/h. Denn moderne Fahrzeuge müssten nicht mehr nur statisch, sondern dynamisch begutachtet werden. So sollten Prüfer bei einer Fahrt mit dem Pkw etwa sicherstellen, dass die Elektroniksysteme angeregt werden. Auch eine Achsdämpfungsprüfung, die zeigt, wie das Schwingungsverhalten eines Pkw ist, sollte Teil der Prüffahrt sein. „Wenn wir es schaffen, die Fahrzeuguntersuchung dynamischer zu gestalten, können eine ganze Reihe von Untersuchungen effizienter gestaltet werden, da der HU-Adapter bereits heute mit Beschleunigungs- und Drehratensensor ausgestattet ist“, so der Experte.
Smarte Uhr könnte wichtige Informationen anzeigen
Angesichts einer immer größeren Zahl von Radar-, Laser-, und Kamerasensoren in modernen Pkw nennt der Fachmann auch die Untersuchung des Unfall- und Fahrmodusspeichers als ein Prüfszenario für die HU der Zukunft. Damit Prüfer bei fahrdynamischen Prüfungen im Pkw, Lkw oder auf dem Krad die Hände für das Fahren frei hätten, bringt Schuricht als denkbares zukünftiges Werkzeug eine smart watch, also eine intelligente Uhr, ins Gespräch. Für Produktionszwecke wird diese bereits in der FSD eingesetzt.
Die Idee: Wesentliche Informationen über das Fahrzeug sollen dem Prüfer über eine entsprechende Uhr oder ein Headset zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig soll dieses Werkzeug mit dem HU-Adapter gekoppelt werden können. Generell spiele bei neuen Auswertungsmethoden für die HU der Zukunft künstliche Intelligenz eine große Rolle. „Mit jeder durchgeführten Achsdämpfungsprüfung wird der Entscheidungsalgorhythmus intelligenter und robuster“, so der Experte. Das bedeute: Auf lange Sicht werden Prüfer in die Lage versetzt, für verschiedene Fahrzeuge und mithilfe eines großen Datenpools an Schwellenüberfahrten festzustellen, ob die Achsdämpfer im Fahrzeug intakt sind oder nicht. „Das wäre eine sehr gute Ergänzung zur Sichtprüfung, die auf der Bühne oder in der Grube stattfindet.“
Umfeldsensorik auf Schachbrettmusterböden prüfen
Und dann gibt Schuricht noch Einblick in ein laufendes Entwicklungsprojekt der FSD namens „Absolut“. Dabei geht es gezielt um die Themen Prüfschnittstellen zur Umfelderfassung und Sensorik. Denn in Zukunft spielten Sensoren wie Radar, Kameras oder hochgenaue Lokalisierungssysteme, wie GPS, eine Rolle. Aus dem Studium dieser Technologien will die FSD ableiten, „wie das in einer 20- bis 30-minütigen HU begutachtet und mit verankert werden kann.“
„Es macht Sinn, einen Pkw alle zwölf oder 24 Monate periodisch zu untersuchenund ergänzend den Fahrzeugbetrieb kontinuierlich zu analysieren.Dr. Philipp Schuricht, FSD
Für die Zukunft sei es denkbar, dass der Boden in Prüfwerkstätten mit einem Schachbrettmuster ausgestattet wird. So soll exakter nachvollziehbar werden, ob die geometrische Justierung aller verbauten Umfelderfassungssensoren auch korrekt ist. Im Allgemeinen hält der Experte es angesichts immer stärker vernetzter Fahrzeuge für notwendig, dass zur periodischen Untersuchung langfristig eine kontinuierliche Überprüfung hinzukommen muss (siehe dazu auch KRAFTHAND 17/2019, Seite 64).
Sicherheitsupdates over-the-air im Kommen
So sagt Schuricht: „Es macht Sinn, einen Pkw alle zwölf oder 24 Monate periodisch zu untersuchen und ergänzend den Fahrzeugbetrieb kontinuierlich zu analysieren.“ Stichwort: Unfallszenarien oder Verschleißerkennung mechanischer Baugruppen. Ohnehin sei davon auszugehen, dass in ein paar Jahren nicht nur komfortorientierte Funktionen, sondern auch Sicherheitsupdates over-the-air vorgenommen werden können.
Tenor auch: Mit Blick auf eine heute große Anzahl an unterschiedlichen Dongle-Lösungen könnten für die Zukunft einheitlichere Prüfgeräte HU-Prüfern die Arbeit erleichtern.