„Die Fortschritte werden evolutionär, nicht revolutionär“
So wie bei herkömmlichen Autos vorrangig der Verbrenner über die Leistungsfähigkeit sowie Effizienz entschied und demzufolge viel Entwicklungskapazität in dessen Optimierung floss und immer noch fließt, steht bei E-Autos der Akku im Fokus. Wie der aktuelle Stand bei der Lithium-Ionen-Technologie ist und welche neuen Ansätze es gibt, hat Krafthand bei Porsche Engineering erfahren.
Moderne Fahrzeugbatterien von Elektroautos ermöglichen inzwischen respektable, teils sogar hohe Reichweiten. Zudem können sich im Schnelllademodus auch die Ladezeiten sehen lassen. Viele E-Mobile sind innerhalb von 45 Minuten auf 80 Prozent aufgeladen.
Beim Taycan von Porsche geht das noch schneller, wie die Tester von Auto-Bild bestätigen. In 22 Minuten konnten sie den fast leeren Akku eines Porsche Taycan auf 80 Prozent aufladen. Eine Ladezeit, die in diesem Segment fast zwingend ist. Denn wer sportlich fährt, will auch schnell laden. Vor diesem Hintergrund sagt Dr. Stefanie Edelberg, Entwicklungsingenieurin bei Porsche Engineering.
„Für Porsche spielen hohe Ladeleistungen eine große Rolle. Durch sportliches Fahren leert sich die Batterie schneller, und der Kunde möchte keine Stunde warten müssen, um sie wieder voll zu laden.“
Preise für Lithium-Ionen-Batterien sind pro kWh von 400 Euro im Jahr 2013 auf 107 Euro im Jahr 2019 gefallen, doch der Preisrückgang wird sich so nicht fortsetzen.
Das müssen die Fahrer inzwischen auch nicht mehr. „Die Akkutechnologie für Autos funktioniert in der Praxis gut, auch was Leistungsfähigkeit, Lade- und Lebensdauer anbelangt“, sagt Dirk Uwe Sauer, Professor am Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik der RWTH Aachen.
Allerdings lassen sich mehrere Extremeigenschaften nicht vereinen. Man kann nicht alles gleichzeitig haben. Ultraschnell laden bei hoher Energiedichte? Das geht nicht. Denn unter dieser Kombination würde die Lebensdauer leiden.
Daher ist Sauer angesichts medialer Meldungen über vermeintliche Wunderbatterien skeptisch, denn meist wird dabei nur ein einziger Parameter zulasten anderer optimiert. „Einen universellen Alleskönner-Akku wird es nicht geben“, sagt er.
Vorteile der Lithium-Ionen-Zellen
Das bedeutet aber nicht, dass die Energiespeicher für E-Fahrzeuge nicht immer besser werden. Wobei auf absehbare Zeit Lithium-Ionen-Zellen die Technologie der Wahl bleiben werden. Denn die hohe Reaktivität des Lithiums und die hohe Energiedichte der Zellen ermöglichen es, auf geringem Raum relativ viel Energie zu speichern. Hinzu kommen ihre gute Lagerbarkeit und die Robustheit der Zellen, weswegen sie bei einem rein elektrisch betriebenen Fahrzeug bei großer Entladetiefe erst nach rund 2.000 Ladezyklen unbrauchbar werden.
Entwickler halten aber ein Mehrfaches davon für möglich. Außerdem kennen Lithium-Batterien keinen Memory-Effekt, unter dem Nickel-Cadmium-Akkus leiden. Bei häufiger Teilentladung „merken“ sie sich den typischen Energiebedarf und passen ihre Kapazität genau daran an. Zudem gibt es bei der Lithium-Ionen-Technik noch viele Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf Zellchemie und Zelldesign.
Davon könnte zum Beispiel die Energiedichte profitieren: Laut Forschern des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) hat sie sich in den vergangenen zehn Jahren bei großformatigen Lithium-Ionen-Batteriezellen für E-Autos fast verdoppelt – auf mittlerweile durchschnittlich 250 Wh/kg spezifische Energie (= 500 Wh/l Energiedichte).
Bis zum Jahr 2030 könnte die Energiedichte nochmals um den Faktor zwei zunehmen. Auch die anderen Eigenschaften von Lithium-Ionen-Zellen lassen sich weiter verbessern. „Die größten Herausforderungen sind schnelles Laden und Sicherheit“, berichtet Prof. Dr. Stefano Passerini, Direktor der Forschungsgruppe Elektrochemie der Batterien am Helmholtz-Institut Ulm. „Ein schnelles Aufladen auf 80 Prozent in 15 Minuten oder weniger würde E-Fahrzeuge noch attraktiver machen. Die Sicherheitsanforderungen wachsen jedoch, wenn Schnellladen eingesetzt werden soll“, so der Wissenschaftler.
Selbst bei großer Entladetiefe werden Lithium-Ionen-Akkus erst nach rund 2.000 Ladezyklen unbrauchbar.
Aber auf die Entwickler warten noch weitere technologische Hürden: Die Ladestecker, Ladekabel und die fahrzeugseitige Infrastruktur müssen ebenfalls für die hohen Ströme ausgelegt sein. Dabei gilt: Ampere macht schwer. Soll heißen: Hohe Ströme bedeuten dicke Kabel und damit Gewicht. Das kann jedoch durch eine höhere Spannung des Batteriesystems ausgeglichen werden. Darum wurde der Taycan bei Porsche mit einer Systemspannung von 800 Volt anstatt der bei Elektroautos üblichen 400 Volt ausgestattet.
Entwicklungssprünge beim Schnellladen
Um die Ladezeiten von E-Fahrzeugen mit unterschiedlichen Batteriekapazitäten vergleichen zu können, bietet sich die C-Rate an (C steht für Capacity, Kapazität). Sie gibt das Verhältnis aus dem Lade- oder Entladestrom einer elektrochemischen Zelle in Ampere (A) zur Kapazität der Zelle in Amperestunden (Ah) an. Dabei gibt es Werte von 1 bis 10.
- 1 bedeutet, dass das komplette Nachladen eine Stunde dauert.
- 2 steht für eine halbe Stunde.
- 3 für 20 Minuten.
Ziel der Entwickler ist allerdings eine C-Rate von 10, also etwa sechs Minuten Ladezeit – ähnlich wie beim Tanken.
Davon ist man heute freilich noch weit entfernt. Doch im Forschungsprojekt FastCharge arbeiten unter anderem Siemens, Phoenix Contact E-Mobility und Porsche daran, die Energieversorgung von Elektrofahrzeugen zu verbessern. Das Industriekonsortium hat bereits große Fortschritte erzielt. Ein Porsche-Forschungsfahrzeug mit einer Batteriekapazität von circa 90 kWh erreichte eine Ladeleistung von 400 kW und ermöglichte damit Ladezeiten von weniger als drei Minuten für die ersten 100 Kilometer Reichweite.
Ein kompletter Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent an der Ultra-Schnellladestation dauerte bei dem Forschungsprojekt 15 Minuten. C-Raten von 4 bis 5 sind also machbar. „Entscheidend war ein innovatives Kühlsystem der Batterie, des Fahrzeugs und des Ladesystems“, erklärt Edelberg.
Ziel der Entwickler ist eine C-Rate von 10, also etwa sechs Minuten Ladezeit – ähnlich wie beim Tanken.
Noch mehr Fortschritte in puncto Schnellladen und Sicherheit sollen die sogenannten Feststoffbatterien bringen, die ebenfalls auf Lithium basieren. Bei diesen rückt anstelle der Elektrolytflüssigkeit ein Polymer oder Keramik. Da keine Flüssigkeit mehr eingesetzt wird, sind Batterien mit dieser Technologie kompakter, wodurch sich ihre Energiedichte deutlich steigern lässt. Gleichzeitig sind die Zellen weniger entflammbar. „Wir erwarten, dass Festkörper-Lithium-Ionen-Batterien die Sicherheitsprobleme verringern, da Festkörperelektrolyte weniger anfällig für Feuer sind“, sagt Passerini. Theoretisch könnte also auch schneller geladen werden. „Die praktische Machbarkeit muss aber noch nachgewiesen werden“, schränkt der Experte ein.
Lithium-Schwefel und weitere Alternativen
Eine andere und ebenfalls auf Lithium basierende Batterievariante, an der derzeit intensiv geforscht wird, ist der Lithium-Schwefel-Akku. Bei diesem Typ besteht die Kathode aus einem Schwefel-Geflecht, das die gängige Gitterstruktur aus Kobalt, Mangan und Nickel komplett ersetzt. Dadurch sind die Akkus deutlich leichter als herkömmliche Energiespeicher. Aber momentan auch deutlich teurer, weswegen sie eher für künftige Flugtaxis eine Option sein könnten. Als problematisch gilt noch ihre Dauerhaltbarkeit.
Weitere Technologien zur Erhöhung der Energiedichte, die aktuell erforscht werden und bereits jetzt oder in den kommenden Jahren auf den Markt kommen könnten, sind Elektrodenmaterialien aus Silizium-Kohlenstoff-Kompositen, nickelreiche Kathodenmaterialien oder Hochvoltmaterialien, die etwa fünf Volt Zellspannung ermöglichen. „Forschungen auf diesen Gebieten sind schon näher an der Praxis“, sagt Sauer. Viele andere Ansätze hingegen bewegten sich noch im Bereich der Grundlagenforschung, wie etwa Natrium-Ionen anstelle von Lithium-Ionen oder Metall-Sauerstoff-Kombinationen.
Elektromobilität funktioniert mit dem, was Batterien heute hergeben.
Sauer sieht bei allen Entwicklungen eine entscheidende Frage: die Kosten. „Letztlich ist die Reichweite eines Fahrzeugs nicht durch das Gewicht einer Batterie begrenzt, sondern durch ihren Preis.“ Zwar sind laut den Beratern von Horváth & Partners die Preise für Lithium-Ionen-Batterien pro kWh von 400 Euro im Jahr 2013 auf 107 Euro im Jahr 2019 gefallen, doch der Preisrückgang wird sich angesichts steigender Nachfrage so nicht fortsetzen. Was vor allem an den Rohstoffen liegt: „Der Rohmaterialeinkauf macht bis zu 75 Prozent der Kosten einer Batterie aus“, weiß Sauer.
Lithium-Ionen dominiert nächste Dekade
Fest steht: Auch in der nächsten Dekade werden Lithium-Ionen-Akkus mit all ihren Weiterentwicklungen die dominierende Technologie bleiben. „Die Fortschritte werden evolutionär und nicht revolutionär sein“, sagt Sauer. „Ich erwarte keine großen Sprünge, da bereits heute die Grenzen der Naturgesetze ausgelotet werden.“
Was nicht schlecht sein muss: „Die Eigenschaften dieser Technologie sind zu gut, als dass sie durch etwas grundlegend anderes ersetzt werden müsste. Elektromobilität funktioniert mit dem, was Batterien heute hergeben und dem Weiterentwicklungspotenzial der kommenden Jahre schon sehr gut“, unterstreicht Sauer.
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