Flagge Kfz-Gewerbe Europa
Gastbeitrag

Die EU ist wichtig für das Kfz-Gewerbe

Bild: Fotolia

Die Kritik an den Institutionen der Europäischen Union hat Hochkonjunktur, nicht aber wie viele Beobachter fälschlicherweise meinen an Europa selbst – und das bereits seit Jahren. Einiges davon ist sicher berechtigt. Warum allerdings die EU speziell für das Kfz-Gewerbe, insbesondere den freien Teilehandel und somit vor allem für die freien Werkstätten wichtig ist, kommentiert Hartmut Röhl in seinem Gastbeitrag.

Ja, es gibt Reform- bzw. Überarbeitungsbedarf: Genannt seien etwa ein Parlament, das kein Initiativrecht in der Gesetzgebung hat, eine Kommission, die zu oft die kleinen Dinge regelt, die besser in den Nationalstaaten aufgehoben wären, aber zu selten die großen Probleme aufgreift, die tatsächlich bevorzugt supranational geklärt werden sollten. Oder ein Ministerrat, in dem Nationalstaaten mit ihrem Veto aus vermeintlich nationalem Interesse heraus wichtige gemeinsame Gesetzgebungsprojekte zu Fall bringen können.

Hartmut Röhl, Präsident des Gesamtverbands Autoteile-Handel e.V.

Für einen Gutteil der Kritik, der gegenüber der EU vorgebracht wird, sind aber genau diese institutionellen Schwächen ursächlich, die nicht zuletzt auf die Mitgliedstaaten zurückzuführen sind. Denn sie pflegen oft nur allzu gerne ihre nationalen Egoismen und geben nur ungern mehr Kompetenzen an Brüssel ab.

Europa hat für die Kfz-Branche eindeutig Gutes hervorgebracht.

Gerade im 60. Jubiläumsjahr der Römischen Verträge ist es deshalb geboten, einmal einen Blick auf das Gute zu werfen, das die Europäische Union nicht zuletzt für unsere Branche gebracht hat. Denn die EU ist nicht nur auf eine der vielfach aufgeführten (und für die heutige Zeit vielleicht schlicht zu abstrakten) schwammigen Formulierungen wie Friedensprojekt“ oder ähnliches reduzierbar. Vielmehr sind die Vorteile greifbar und anschaulich darstellbar. Im März 1957 wurden mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge u.a. mit der Annahme des EWG-Vertrags wichtige Säulen der späteren Europäischen Union errichtet, die bis heute eine wesentliche Basis des Staatenbundes bilden. Unsere Branche hat den Nutzen paneuropäischer Zusammenarbeit übrigens schon vorher erkannt: So wurde unser europäischer Verband FIGIEFA bereits 1956 – also ein Jahr zuvor – gegründet.

Zählbare Erfolge

Aus Sicht unserer Branche lassen sich allein schon aus jüngerer Zeit zahlreiche Beispiele für das gute und erfolgreiche Wirken der europäischen Institutionen anführen. An erster Stelle sei hier die Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Aftermarket (GVO) genannt als wesentliche rechtliche Leitplanke für den fairen Wettbewerb im Kfz-Ersatzteil- und Servicemarkt in Europa.

Man kann die Bedeutung der GVO und ihrer Vorgängerverordnungen gar nicht hoch genug einschätzen.

Sie verteidigt die Lebensnerven des IAM, wie zum Beispiel den Zugang unabhängiger Marktteilnehmer zu Reparatur- und Wartungsinformationen der Fahrzeughersteller oder die Möglichkeit der Zulieferer der Erstausrüstung, ihre Komponenten in den gesamten Kfz-Aftermarket zu liefern.

Man kann die Bedeutung der GVO und ihrer Vorgängerverordnungen gar nicht hoch genug einschätzen. Zwar klemmt es hier und da in der Umsetzung, aber zweifellos kann man sagen, dass die Fahrzeughersteller ohne dieses grundlegende Regelwerk in ihren Monopolisierungsversuchen wesentlich weiter wären.

Ein zweites Beispiel ist die Gesetzgebung zur Typzulassung sowohl für die Fahrzeuge als auch für deren einzelne Komponenten. Sie wird gerade jetzt aus der Vielzahl der eher unverbindlichen Richtlinien umgewandelt in ein konsolidiertes Paket als direkt in jedem Mitgliedsland gleichermaßen anzuwendende Typzulassungsverordnung. Emissionsverhalten und Sicherheit von Fahrzeugen sowie Komponenten müssen im Sinne des Verbrauchers, aber auch im Sinne der Anbieter, in unserem Fall der Teilehersteller und der Teilehändler, über die Grenzen im Binnenmarkt hinausgehend einheitlich geregelt sein. Nur dann können die Hersteller und Händler den gesamten Binnenmarkt beliefern und auch im gesamten Gemeinschaftsmarkt einkaufen. Und da diese Gesetzgebung auf der Grundlage allgemein gültiger europäischer Werte erfolgt, wird sichergestellt, dass Wettbewerb auf dem Ersatzteilmarkt möglich bleibt und die Fahrzeughersteller nicht durch Ausschließlichkeitsregeln eine Monopolstellung erhalten.

Als ein drittes Beispiel sei der Designschutz für sichtbare Kfz-Ersatzteile aufgeführt – beziehungsweise wohl besser dessen Abschaffung, zumindest aus Sicht der Unternehmen des freien Marktes, von Verbraucherschützern und Automobilclubs sowie Versicherern. Hier lässt sich so gut wie kaum sonst die in der Vergangenheit und hoffentlich weiterhin in der Zukunft ausgeprägte Tendenz der EU-Kommission und auch weiter Teile des EU-Parlaments darstellen, für die Interessen der Verbraucher und für fairen Wettbewerb einzutreten. Während in vielen Hauptstädten Europas – wie selbst politische Entscheidungsträger bisweilen unumwunden zugeben – vor allem Industriepolitik gemacht wird, sehen sich Parlament und Kommission nicht nur in politischen Sonntagsreden als Anwalt der Verbraucher und des Mittelstands, sondern zumeist auch in ihrer alltäglichen Arbeit.

Europa ist nicht zuletzt das Versprechen dafür, dass sich die Mitgliedstaaten und die dort aktiven Unternehmen in der globalisierten Welt behaupten.

Die Initiative zur Liberalisierung des Marktes für sichtbare Kfz-Ersatzteile wie Motorhauben, Kotflügel, Außenspiegel, Scheiben, Scheinwerfer und Rückleuchten (am Umsatz gemessen immerhin rund 25 % des Ersatz- und Verschleißteilemarktes) wurde von der EU-Kommission in den Gesetzgebungsprozess eingebracht, vom EU-Parlament gestützt und letztlich erst im EU-Ministerrat von einer drohenden Sperrminorität u.a. durch Frankreich und Deutschland gestoppt. Eben jenem Gremium also, das von den nationalen Regierungen gebildet wird. Hier hielt man es aus industriepolitischen Gründen offenbar für wichtiger, den Autobauern gewinnbringende Monopole zu sichern als etwas für die heimischen kleinen und mittelständischen Unternehmen im Kfz-Aftermarket und die vielen Millionen Autofahrer zu tun.

Grund des Scheiterns in diesem Fall war also nicht ein zu viel Europa“, sondern eher ein zu wenig Europa“, welches den Nationalstaaten als Verteidiger durchschaubarer Partikularinteressen noch zu viel Macht einräumt. Forderungen nach Abschaffung des in Deutschland immer noch de jure bestehenden teuren Monopols der Fahrzeughersteller bei Karosserie- und karosserieintegrierten Ersatzteilen möge man daher bitte nicht nur an die EU richten, sondern – gerade angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl – an den jeweiligen Abgeordneten seines Wahlkreises.

Schon anhand dieser drei aufgeführten Themen kann man zeigen, dass Europa speziell für einen Wirtschaftssektor auch Gutes bringen kann – ungeachtet aller notwendigen Reformen. Auf der Grundlage dieser für Angehörige und Vertreter der Branche sachlich greifbaren und täglich erfahrbaren Beispiele (die sich natürlich auch in vielen anderen Bereichen finden lassen), lässt sich argumentativ aufbauen und lassen sich letztlich auch weitere Aspekte über rein merkantile hinaus anführen: So ist Europa natürlich nicht zuletzt das Versprechen dafür, dass sich die Mitgliedstaaten und die dort aktiven Unternehmen in der globalisierten Welt behaupten und ihre Bürger basierend auf einem gemeinsamen Wertekanon in Frieden und Freiheit leben können.