Die Abgase eines Skandals: Jetzt geht’s um die AU
Der VW-Abgasskandal zieht weite Kreise – auch in Bereiche hinein, die damit eigentlich gar nichts zu tun haben. Zum Beispiel die Abgasuntersuchung (AU). Kein Zweifel: Die Rufe nach einer Reform der AU werden auch durch die Verwerfungen in Wolfsburg befeuert. KRAFTHAND beleuchtet die unterschiedlichen Positionen und erklärt die Hintergründe.
Was die Abgasuntersuchung (AU) betrifft, so ist Dauerstreit die Regel. Erst im Juni 2015 trat die AU-Richtlinie 5 in Kraft, nachdem sich die Autolobby durchgesetzt hatte und eine generelle Endrohrprüfung vom Tisch war. Danach beruhigte sich die Diskussion vorübergehend. Inzwischen ist der Streit um die richtige AU jedoch wieder voll entbrannt, was sich auch bei der Automechanika im September zeigte. Generelle Endrohrprüfung ja oder nein – unter anderem bei dieser Frage scheiden sich erneut die Geister. Jedoch scheint diesmal die Position der Jasager stärker. Denn durch den Abgasskandal bei Volkswagen sind vor allem die Automobilhersteller in die Defensive geraten.
Die Vorgeschichte: Im Zuge der AU-Richtlinie 5 wurde bekanntlich das zweistufige Prüfverfahren für ab dem 1. Januar 2006 zugelassene OBD-Fahrzeuge beibehalten. Zweistufiges Prüfverfahren bedeutet: Nur wenn die Funktionsprüfung der OBD keine Auffälligkeiten zeigt, kann auf eine Endrohrmessung verzichtet werden. Bei Auffälligkeiten im OBD-System ist auch bei diesen Fahrzeugen eine Endrohrmessung verbindlich durchzuführen.
Moderne Motoren treffen auf veraltete AU-Grenzwerte.
Im Vorfeld der AU- Richtlinie 5 zweifelten vor allem die Autohersteller sehr laut daran, ob eine Endrohrmessung überhaupt noch sinnvoll sei. Die OBD-Messung allein reiche völlig aus, hieß es immer wieder. Ohnehin sei die OBD-Messung viel sensibler als ein Opazimeter, das bei der Endrohrprüfung zum Einsatz kommt. Doch diese Argumentation hatte in Wahrheit ein anderes Ziel: Nämlich die Endrohrprüfung perspektivisch und auf lange Sicht gänzlich abzuschaffen. Das würde aber auch bedeuten, dass sich die amtliche AU-Prüfung quasi in die Hände der Hersteller verlagert. Die Gegenseite, vor allem die Sachverständigenorganisationen, warf ins Feld, bei einer generellen Endrohrmessung würden signifikant mehr auffällige Fahrzeuge erkannt als ohne.
Seit Bekanntwerden von Dieselgate bei Volkswagen im September 2015 hat die Kontroverse erneut an Fahrt gewonnen und war wie schon erwähnt ein heiß diskutiertes Thema auf der Automechanika 2016. Im KRAFTHAND-Interview sprach sich der Bundesverband der Hersteller und Importeure von Automobil- Service Ausrüstungen (ASA) für eine Änderung der gegenwärtigen AU aus. So befürwortet ASA-Vizepräsident Harald Hahn eine generelle Endrohrmessung – unabhängig von jedem OBD-Ergebnis. Seine Begründung: Der Abgasskandal bei Volkswagen habe gezeigt, dass man Herstellervorgaben nicht vertrauen könne. Softwaresysteme seien manipulierbar, und damit auch die OBD.
Stickoxide
Über eine generelle Endrohrmessung hinaus regt Hahn außerdem an, eine Stickoxidmessung in die AU zu integrieren. Das sei mit dem aktuellen Equipment bereits machbar. Jeder Abgastester hat eine NOx-Funktion, die man hochrüsten kann, sagt der Vizepräsident im KRAFTHAND-Interview. In diesem Zusammenhang betont Hahn, dass bei der Stickoxidmessung die Konditionierung des Fahrzeugs ein wichtiger Aspekt sei. Damit ist beispielsweise die Motortemperatur während der NOx- Prüfung gemeint.
Dass es zu einer zeit nahen Anpassung des AU-Leitfadens kommt, ist durchaus realistisch.
Doch der eigentliche Knackpunkt liegt woanders. Experten sind sich einig: Um ein seriöses und vor allem aussagekräftiges Ergebnis bei der Stickoxidmessung zu bekommen, muss der Motor belastet werden. Doch dies ist entweder nur bei freier Fahrt oder auf einem Rollenprüfstand möglich. Würde eine NOx-Untersuchung derartig in die AU integriert, hätte dies für Kfz-Werkstätten enorme Folgen, vor allem finanziell. Ein Rollenprüfstand kostet fünfstellig aufwärts. Doch eine Investition von beispielsweise 20.000 Euro möchte den Werkstätten niemand zumuten – außer vielleicht die jeweiligen Hersteller. Müssten die Werkstätten solche Investitionen stemmen, würde der Aufwand für eine AU jeden Rahmen sprengen und wäre kostentechnisch nicht mehr seriös darstellbar, weder für die Werkstatt noch für die Endkunden.
Allerdings ist es noch nicht so weit. Eine Stickoxidprüfung im Rahmen der AU sei nur auf lange Sicht eine Option, so die Einschätzung des ASA- Vizepräsidenten. Kurzfristig oder sogar innerhalb weniger Monate lasse sich dies keinesfalls realisieren. Apropos Stickoxid. Stickoxide spielen bei ‚Dieselgate’ von Volkswagen eine Schlüsselrolle: Denn für den Prüfstand hat der Autobauer einen Teil seiner Fahrzeuge so manipuliert, dass möglichst wenig Stickoxide entstehen. Im normalen Fahrbetrieb ist die NOx- Emissionen dann erheblich höher.
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