Die 20er – Roaring Twenties, in denen alles begann
In jedem Jahrzehnt gibt es Ereignisse und Tendenzen, die der jeweiligen Dekade ihren Stempel aufdrücken. Gesellschaftlich waren die 1920er Jahre der Weimarer Republik geprägt von starken politischen Auseinandersetzungen, die zwischen den Anhängen der aufstrebenden NSDAP und der linksgerichteten KPD oft handgreiflich in Straßenschlachten endeten. Überliefert ist aber auch das ausschweifende Nachtleben des damaligen Berlin – der Stadt, in der Walter Schulz 1927 die Zeitschrift Die Reparaturwerkstatt gründete, die dann später in KRAFTHAND umgetauft wurde.Der Journalist Schulz suchte damals nach einer Nische für ein Fachmagazin und wurde im Kfz-Handwerk fündig. Der Berufsstand, dem eine glänzende Zukunft bevorstand, angesichts der steigenden Pkw-Zulassungszahlen. So erhöhte sich der Fahrzeugbestand von 1919 bis 1929 um fast das Achteinhalbfache von etwa 50.000 auf gut 420.000. Folglich wurden mehr Mechaniker gebraucht. Und diese wiederum gierten nach Fachinformationen, da sich die Fahrzeugtechnik stetig weiterentwickelte.Dieser Hintergrund begründete den rasanten Erfolg der KRAFTHAND, der schnell dafür sorgte, dass die ersten Räume am Berliner Kurfürstendamm zu eng wurden. Walter Schulz zog deshalb mit seinem Verlag nach Berlin Grunewald, wo er bis in die Kriegsjahre weiterhin Fachzeitschriften publizierte.Wegen der massiven Zerstörungen in der Hauptstadt verschlug es die KRAFTHAND nach dem Zweiten Weltkrieg in den Allgäuer Kurort Bad Wörishofen, wo das Magazin bis heute entsteht.
Wie sehr sich die Autoreparatur seit der Erfindung des Automobils professionalisiert hat, zeigen zahlreiche Bilder aus der damaligen Zeit, die Einblicke in Werkstätten gewähren. Natürlich ist nicht jede Reparaturstätte eine Musterwerkstatt. So wie heute auch. Häufig weil der Inhaber nicht in helle Räumlichkeiten oder etwa eine Hebebühne, die es damals natürlich auch schon gab – sogar in Viersäulenausführung – investieren kann oder will. Allerdings braucht es für eine gute Werkstatt nicht nur immer mehr Ausstattung und Mechaniker, sondern zunehmend Know-how etwa in Sachen Elektrik. Es werden nämlich sowohl Scheibenwischer als auch Winker elektrifiziert und die Magnetzündung wird durch die Batteriezündung abgelöst. So verwundert es nicht, dass die Anfänge der Bosch-Dienste in die 1920er Jahre zurückreichen.
In diesem Jahrzehnt bekommen die Reparaturwerkstätten zudem Konkurrenz – und zwar bezüglich ihres Reifengeschäfts. Denn wie aus der Chronik des Kfz-Gewerbes hervorgeht, kommt der spezialisierte Reifenhandel auf. Apropos Reifen: Bereits vor etwa 90 Jahren gibt es die – heute nur unter bestimmten Voraussetzungen legale – Reifenreparatur mit speziellen Gummipilzen. Das tägliche Brot sind allerdings Reparaturen an der Mechanik der Fahrzeuge, etwa an Ausgleichsgetrieben oder (Lamellen-)Kupplungen. Komplexer werden auch die Sicherheitssysteme. So kommt etwa die Bilux-Lampe auf den Markt und eine Anzeige bewirkt den selbsttätig voreilenden Auto-Licht lenker“ von Siemens.
Interessant ist auch, wie viele Autobauer es damals gegeben hat. 1924 spricht man von 86 (!) Automobilherstellern im Deutschen Reich. Ein Jahr nach der Erstausgabe der KRAFTHAND im Jahr 1928 sind es nur noch 19. Im Vergleich zu heute aber immer noch eine stattliche Anzahl.
So reiht sich KRAFTHAND in die Riege jener Unternehmen der Automobilbranche ein, die es verstanden haben, sich weiterzuentwickeln und über Jahrzehnte zu bestehen – anders als viele Autobauer und Zulieferer von damals, die es heute nicht mehr gibt.
Was war los in den 20ern?
Im Gründungsjahr der KRAFTHAND 1927 überquerte Charles Lindbergh erstmals den Atlantik in einem Non-stop-Flug. Die deutsche Reichspost führt ein Jahr später probeweise erste Bildfunkübertragungen mit Hilfe eines Fultographen durch. 1929 präsentiert der deutsche Ober ingenieur Engelbert Zaschka in Berlin das erste Faltauto und nordamerikanische Zeitungen drucken die ersten Comicstrips mit Tarzan als Titelfigur. Gleichzeitig findet die Uraufführung des ersten in Deutschland gedrehten Tonfilms Die Nacht gehört uns“ in Berlin statt. Im Oktober 1929 war Schluss mit den goldenen Jahren: Der New Yorker Börsencrash läutete mit dem Schwarzen Freitag die Weltwirtschafts krise ein.
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