Als KRAFTHAND Frank Schöller interviewte und zu Ersatzteilmargen, Internet-Ersatzteilkonkurrenz und Antworten von Stahlgruber auf den sich abzeichnenden Mobilitätswandel befragte, war das Ausmaß der Coronakrise noch nicht absehbar. Aufgrund der Aktualität wurden die beiden Fragen zu deren Auswirkungen auf Stahlgruber und den Aftermarket nachträglich per E-Mail gestellt.
Herr Schöller, bevor wir uns den eigentlichen Zukunftsthemen widmen, vorab die Frage: Wie geht es Stahlgruber in der aktuellen von Corona geprägten Situation?
Zur momentanen Lage kann ich sagen, dass wir gerade mit einem dicken blauen Auge durch die Krise gehen. Wir verzeichnen natürlich wie die meisten Branchen teilweise deutliche Umsatzrückgänge. Diese fallen regional unterschiedlich aus. Die Tatsache, dass Werkstätten nach wie vor bundesweit geöffnet bleiben dürfen, bewahrt uns aber gerade vor dem Schlimmsten. Vor Beginn der Krise hat Stahlgruber noch einmal massiv in Warenbestände investiert. Wir profitieren von unserem momentanen Bestand und unserem europäischen Netzwerk, was uns bislang nahezu uneingeschränkte Lieferkapazitäten ermöglicht.
Wenn Sie einen vorsichtigen Blick in die Zukunft werfen, was zeichnet sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Monaten für die Kfz-Reparaturbranche ab?
Allzu weit in die Zukunft schauen möchte ich an dieser Stelle gar nicht. Aber die Vorzeichen der nächsten Monate lassen uns als Teilegroßhändler in Deutschland, und mit unserem Mutterkonzern LKQ auch europaweit, verhalten optimistisch nach vorne blicken. Wir gehen davon aus, dass viele Privatleute, Kleinbetriebe und mittelständische Unternehmen krisenbedingt in den nächsten Monaten von Investitionen in Neufahrzeuge absehen werden. Der vorhandene Fahrzeugbestand wird daher vielerorts länger halten müssen. Wir vermuten auch, dass das durchschnittliche Fahrzeugalter in Deutschland und Europa spürbar ansteigt. Das alles dürfte der Kfz-Reparaturbranche in den nächsten Monaten erst mal zugutekommen. Weitere Prognosen möchte ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht wagen.
„In Zukunft muss ein Werkstattkonzept bessere Argumente liefern. Wir beispielsweise bieten mit unserem den Betriebsinhabern Geschäft, geschäftliche Sicherheit und somit Zukunft.“
Kommen wir zu unseren eigentlichen Themen. Internetplattformen wie Amazon oder eBay wollen immer mehr vom Ersatzteilkuchen abhaben. Das führt automatisch zu der Frage: Sind solche Player eine Gefahr für den stationären Handel oder ist das nur eine theoretische Diskussion?
Für uns stellt sich die Situation schon so dar, wie Sie es schildern. Die Marktmacht von Amazon, eBay oder auch anderen ist natürlich immens. Wobei man auch differenzieren muss. Reden wir von B2B oder B2C? Gerade bei Amazon bestellen Endkunden täglich. Da bietet es sich natürlich an, Autoteile gleich mitzubestellen. Deshalb macht Amazon bei einfach zuordenbaren und einfach einzubauenden Teilen erhebliche Umsätze.
Allerdings ist die Teilebestellung vielfach sehr komplex. Es gibt nun mal bei der Teileidentifikation keine 100 Prozent. Oft bedarf es einer Teile- und Fachkenntnis schon für die Bestellung und erst recht für den Einbau. Und hier wird es für Amazon und Co. schwierig. Viele der Leute, die dort einkaufen, brauchen nun mal jemanden, der die Teile einbaut.
Schlussendlich denke ich, dass die Verbindung aus Ersatzteilservice und Einbau, also das was der klassische Großhandel und die Werkstätten bieten, genau diese im Wettbewerb gegen solche Plattformen stärkt.
„Setzt man das heutige Durchschnittsalter von über neun Jahren für Autos an, dann haben wir in acht bis zehn Jahren noch mehr als genug herkömmliche Autos auf den Straßen.“
Sie sehen für sich aber nicht die Chance, über solche Plattformen zusätzliche Geschäfte zu machen?
Eher nicht.
Jetzt könnten doch aber Werkstätten selbst bei diversen Onlineplattformen bestellen. Immerhin haben sie ja die Fachkenntnis für die Teilebestellung und Sie als Großhändler wären ein Stück weit raus.
Ich glaube, die Werkstatt geht am Ende den Weg des geringsten Widerstands. Stahlgruber liefert drei- bis sechsmal am Tag. Hier sind wir doch klar im Vorteil. Und denken Sie an die Teilerückgabe, die Garantieabwicklungen, Beratungsservices et cetera. Wir hatten früher einmal den Slogan ‚Alles fürs Auto‘. Im Grunde gilt dieser immer noch. Die Werkstatt bekommt bei uns nicht nur die Teile, sondern auch alles drumherum – vom Ersatzteil über Ausrüstung und Schulung bis zu Kalibrierungen und mehr. Ich denke, das alles verschafft uns einen Vorteil.
Doch selbst wenn Sie im B2B-Bereich im Vorteil gegenüber den Internethändlern sind, drückt die Preistransparenz durchs Netz in Zukunft nicht auf die Teilemargen, sowohl bei den Teilehändlern als auch bei den Werkstätten?
Hier müssen wir gar nicht in die Zukunft schauen. Wir haben schon heute eine maximale Preistransparenz. Auch deshalb, weil die Werkstätten in der Regel gleich bei mehreren Teilegroßhändlern online angebunden sind und so relativ einfach Preise vergleichen können. Die Onlineplattformen kommen dann noch hinzu.
Gerade wegen Letzteren gibt es natürlich immer wieder Diskussionen zwischen Autofahrern und Werkstätten über Preisnachlässe. Aber die Werkstatt hat aus meiner Sicht einen riesigen Vorteil, um nicht jeder Nachlassforderung nachkommen zu müssen. Sie haben den Trumpf in der Hand, dass sie die technische Kompetenz haben, beispielsweise einen Turbolader einzubauen. Das bringt sie in eine relativ komfortable Situation. Was macht denn ein Autofahrer, der im Netz einen billigen Lader gekauft hat? Er muss in eine Werkstatt. Und warum sollte diese den mitgebrachten Lader einbauen? Wenn sie eine gute Auslastung hat, muss sie das doch nicht.
Thema E-Mobilität. Viele Experten gehen davon aus, dass der Verschleiß bei E-Autos sinkt. Folglich bedeutet das auch weniger Wartungen und Reparaturen. Was bedeutet das für den Teilegroßhandel?
Die Aussagen zum Elektrofahrzeug stimmen natürlich. Man muss davon ausgehen, dass bei diesen Autos weniger Wartung und Reparaturen anfallen. Nur die Frage ist, wann werden wir wie viele E-Fahrzeuge auf der Straße haben? Nach meiner Einschätzung wird es noch Jahre dauern, bis deren Anteil so hoch ist, dass wir bei Stahlgruber unser Geschäft anpassen müssen. Denn Fakt ist doch auch, dass derzeit bei den Neuzulassungen nach wie vor die konventionellen Autos dominieren. Und wenn man das heutige Durchschnittsalter von über neun Jahren für Autos ansetzt, dann haben wir in acht bis zehn Jahren noch mehr als genug herkömmliche Autos auf den Straßen.
Neben der E-Mobilität ist die Vernetzung der Autos ein großes Thema. Hinzu kommt eine sich teils ändernde Mobilität, die Geschäftsmodelle wie Auto-Abos oder Carsharing hervorbringt. Dadurch gibt es womöglich in Zukunft mehr Flottenanbieter, die darüber bestimmen, in welche Werkstätten Autos fahren. Damit freie Werkstätten dabei nicht abgehängt werden, brauchen sie Unterstützung. Eine wichtige Rolle könnte den Werkstattkonzepten zukommen, die allerdings mehr bieten müssten als heutige. Wie geht Stahlgruber mit diesem Thema um?
Wir schauen hier aufgrund unserer Mutter LKQ durch die europäische Brille und wollen das Thema forcieren. Sprich, wir beschäftigen uns mit einem europäischen Werkstattkonzept. Eben auch, weil sich beispielsweise große Leasinggesellschaften nur gewinnen lassen, wenn Sie ein europäisches Werkstattnetz bieten.
„Werkstätten sind ineiner starken Position. Viele der Leute, die Teile im Internet einkaufen, brauchen nun mal jemanden, der dieTeile einbaut.“
Aber wir stehen hier noch ganz am Anfang und es handelt sich um ein mittel- bis langfristiges Projekt. Dabei muss es Ziel sein, einen anderen Ansatz zu verfolgen als bei bisherigen Werkstattkonzepten. Es muss darum gehen, der Werkstatt Geschäft zu bringen – etwa indem wir Leasingkunden zuführen. Bisher ging es bei Werkstattkonzepten mehr darum, die Prozesse in den Werkstätten zu verbessern. Die Argumentation war bis jetzt, wir sind eine Gemeinschaft und stellen diese nach außen positiv dar. Ein besseres und stärkeres Argument für die Zukunft wird sein, dass wenn Du als Inhaber mit Deiner Werkstatt ein Teil dieser Gemeinschaft sein möchtest, dann bieten wir Dir Geschäft, geschäftliche Sicherheit und somit Zukunft. Aber klar ist auch, dass die Werkstatt gewisse Kriterien erfüllen muss. Sie muss eben in der Lage sein, mit vernetzten Autos umzugehen und beispielsweise Standards zu erfüllen, die Flottenanbieter fordern.
Wird dieses europäische Netz dann eine ganz neue Marke oder wird sie auf bestehende aufbauen?
Hier sind wir noch in der Diskussion. Wir haben verschiedene landesbezogene Marken im Einsatz und denken darüber nach, welche davon über ganz Europa hinweg einsetzbar wäre. ‚Meisterhaft‘ ist es nicht, weil der Name etwa in Tschechien oder im UK nicht gut klingt. Aber der Name ist letztlich nur die Hülle. Die Frage ist doch viel mehr, welche Substanz das Konzept den Werkstätten bietet. Es geht um Themen wie digitale Services, darum, wie das Konzept den Werkstätten hilft, auch modernste Fahrzeuge zu reparieren. Ohne Unterstützung, so glaube ich, wird das in Zukunft für die einzelne Werkstatt sehr schwierig. Aber die LKQ-Gruppe ist durch ihre Größe und die flächenmäßige Ausdehnung in Europa in der Lage, ein Konzept aufzubauen, das den Werkstätten wirklich hilft. Und wir müssen das auch tun, ganz einfach, weil das die Grundlage für unser künftiges Geschäft sein wird.
Reden wir über die Konzernmarken, wie im Stahlgruber-Wording die sogenannten Eigenmarken beziehungsweise Private-Label-Produkte im Teilesektor heißen. Sie planen diesen Bereich noch auszubauen. Warum?
Unsere Strategie ist es, verschiedene Qualitäten im Angebot zu haben. Zum einen die Premiumqualität der diversen TIER-One-Supplier und zum anderen ein Level darunter für die zeitwertgerechte Reparatur. Wobei wir auch hier von einem relativ hohen Qualitätsniveau reden. Und in dieser Schiene wollen wir eine komplette Range an Verschleißteilen im Konzernmarkenbereich anbieten. Es ist einfach für alle Beteiligten eine interessante Geschichte. Die Werkstätten und deren Kunden bekommen vergleichsweise günstigere Ersatzteile, weil wir im Private-Label-Bereich bessere Einkaufskonditionen erzielen können.
Zu Lasten der Qualität?
Ganz klar nein. Es geht nicht darum, irgendwelche billigen Produkte in eine Konzernmarkenschachtel zu packen. Nehmen wir das Beispiel einer Bremsscheibe oder Wasserpumpe. Beziehe ich ein solches Produkt von einem Markenzulieferer und dessen Label, habe ich wenig Handlungsalternativen. Wenn ich aber für eine Konzernmarkenschachtel zum Beispiel bei zehn Wasserpumpenherstellern eine Wasserpumpe für den Golf 5 anfrage, die dann in großer Anzahl in die Schachtel kommt, gibt es hinsichtlich des Preises natürlich andere Optionen. Denn wir kaufen faktisch direkt an der Quelle. Und es ist doch auch so, dass der eine oder andere renommierte Zulieferer seine Teile letztlich auch nicht selbst fertigt, sondern dies in China oder sonst wo machen lässt.
Damit ist die Antwort nach der Qualität noch nicht gegeben.
Wir haben natürlich ein eigenes Qualitätsmanagement. Wir gehen auch nicht vom OE-Standard weg. Es geht nicht darum, einen günstigeren Standard zu etablieren. Wie erwähnt, die günstigeren Preise kommen dadurch zustande, dass wir direkt zur Quelle gehen und nicht, weil Abstriche bei der Qualität gemacht werden.
Nehmen wir das Thema Bremsscheibe. Abmessungen, Graugussqualität oder Bohrungen müssen schon mal von Haus aus zu 100 Prozent passen. Was macht den Unterschied bei der Qualität einer Bremsscheibe aus? A, wie ist sie geschliffen und B, ist sie geölt oder gecoatet? Die Höherwertigen sind immer gecoatet. Deshalb haben wir uns entschlossen, unsere Konzernmarken-Bremsscheiben, in diesem Fall die Optimal-Scheiben, gecoatet zu verkaufen. Wir könnten vielleicht mehr Geld verdienen, wenn wir sie geölt anbieten. Aber wir haben uns für den hiesigen Markt bewusst dagegen entschieden.
Bei alledem geht es aber nicht darum, Premiumprodukte zu ersetzen?
Nein, das ist nicht unsere Intention. Es geht darum, Kundengruppen anzusprechen, die wir mit den Premiumprodukten nicht erreichen. Etwa Autofahrer mit einem Golf 3, die zwei neue Bremsscheiben brauchen, aber denen die Brembo-Scheiben zu teuer sind und die Scheiben wünschen, die dem Zeitwert ihres Fahrzeugs entsprechen. Für diese Klientel sind die Private-Label-Produkte genau das Richtige. Sie bekommt damit immer noch einen hohen Qualitätsstandard, aber vom Preis her sind diese Produkte attraktiver.
Woher kommen die Produkte Ihrer Konzernmarken?
Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten. Wir erschließen die bestmöglichen Einkaufsquellen. Und die sind zum Teil hierzulande, können aber genauso in Asien oder anderswo auf der Welt sein.
Planen Sie, das Private-Label-Segment auch auf die Ausrüstung auszuweiten?
Nein, wir beschränken uns auf Verschleißteile, Schmierstoffe und Elektrikkomponenten. Mit dem Thema Ausrüstung als Eigenmarken haben wir uns zwar sehr intensiv beschäftigt, sind jedoch zu dem Schluss gekommen, es nicht zu machen. Wir sehen keinen Vorteil darin. Nehmen wir auch hier ein Beispiel. Sie können für eine Bühne mit Private Label, die von einem der diversen Ausrüster kommt, nicht mehr verlangen. Der Kunde bekommt ja technisch nichts anderes. Für uns würde es aber bedeuten, Lagerkapazitäten aufzubauen und die Bühnen würden uns mehr kosten, wenn sie in einem speziellen CI, in einer speziellen Farbe geliefert werden müssten. Letztlich hätten wir dann trotzdem nur eine Standardbühne, die zwar chic aussieht, für die wir aber nicht 300 Euro mehr bekommen. Um es auf den Punkt zu bringen, von der Wirtschaftlichkeit her macht das Thema Private Label bei Ausrüstung aus unserer Sicht keinen Sinn.
Herr Schöller, vielen Dank.
Das Interview führte Torsten Schmidt.