Fahrbericht Kia Stinger

Eine überraschend attraktive Sportlimousine

Bild: Zink

Bereits die auf der IAA 2011 vorgestellte Studie Kia GT als Version einer modernen Sportlimousine in klassischer Gran- Turismo-Tradition erregte die Gemüter der Besucher. Es blieb nicht bei der Studie – seit Oktober 2017 ist das Serienmodell Kia Stinger im Handel erhältlich. KRAFTHAND fuhr den viertürigen Sportwagen mit Dieselmotorisierung zur Probe.

Ich muss gestehen, der Kia Stinger (Stachel) ist ein großes scharfes Teil. Überall wo ich hinfuhr, zollten die Menschen dem Wagen bewundernde Blicke, zeigten auf ihn und sprachen mich an. Das ist kein Wunder, denn durch sein elegantes, dynamisches Design macht der Sportwagen seinem Namen alle Ehre und sticht im Straßenbild sofort ins Auge.

Die 4,83 m Länge und 1,87 m Breite sowie der Preis von 52.580 Euro für den Kia Stinger mit Dieselmotor sind eine echte Kampfansage. Bilder: Guranti

Auch mit seinen zahlreichen Assistenz- und Komfortsystemen ist er absolut auf der Höhe der Zeit. Und muss sich nicht vor teuren Premium-Autos wie Audi S5, 5er BMW oder Mercedes CLS verstecken.

Mit 4,83 Meter Länge und 1,87 Meter Breite ist der Stinger länger und breiter als viele andere Sportlimousinen. Entsprechend großzügig ist das Platzangebot für die Insassen.

Die Ausführung GT-Line, in der der 2,0-l-T-GDI und 2,2-l-CRDi angeboten werden, umfasst serienmäßig Lederausstattung, elektrische Vordersitze mit Sitzheizung, 8-Zoll- Kartennavigation (inklusive 7-Jahre-Kia-Navigationskarten- Update, Multimediadienst Kia Connected Services sowie Apple Car-Play und Android Auto), Head-up-Display, Fernlichtassistent, Rückfahrkamera, Smart-Key und 18-Zoll-Leichtmetallräder.

Außen hui und innen auch hui.

Hinzu kommen in der Ausführung GT (nur für die V6-Topversion erhältlich) unter anderem Nappa-Lederausstattung, Fahrersitz mit einstellbaren Seitenwangen, Sitzventilation vorn, Premium- Soundsystem, elektrische Heckklappe, LED-Scheinwerfer, Rundumsichtkamera und induktive Smartphone-Ladestation. Auch hier sticht der Stachel die deutsche Konkurrenz aus – diese Ausstattungsfülle kostet bei anderen Fahrzeuganbietern gut und gerne 20.000 Euro und mehr.

Unser Test-Stinger mit 2,2-l-CRDi-Diesel mit Allradantrieb und GT-Line kostet 52.580 Euro inklusive der Sonderausstattungen P1-Exclusive und P2-Technology sowie einer blauen Metallic-Lackierung.

Der Kia Stinger ist ein ernsthafter Gegner für die automobilen Platzhirsche, nicht nur in der Topmotorisierung.

Die beiden Pakete enthielten neben der Serienausstattung unter anderem Sitzheizung hinten, Sitzventilation vorne, Harman/Kardon-Soundsystem mit 15 Lautsprechern, LED-Scheinwerfer mit dynamischen Kurvenlicht, LED-Rückleuchten mit LED-Blinkleuchten, Rundumsichtkamera, Querverkehrwarner und Spurwechselassistent.

Das schnittige Heck offeriert den Angriff aus Fernost. In der Topversion werden viele den Stinger vermutlich nur von hinten zu sehen bekommen.

Motoren

Für den Gran Turismo stehen neben dem von uns gefahrenen 2,2-l-Turbodiesel mit 147 kW Leistung zwei weitere Motoren zur Wahl: ein 2,0-l-Turbobenziner mit 188 kW und die Topversion mit 3,3-l-V6- GDI-Benzinmotor mit Twin-Turbolader und 272 kW Leistung.

Alle Motoren sind mit einem Achtstufen-Automatikgetriebe gekoppelt. Dessen Schaltcharakteristik lässt sich durch eine fünfstufige Fahr modus-Wahl (Smart, Eco, Comfort, Sport, Sport+) variieren.

Das 2,2-l-CRDi-Diesel aggregat (obere Abdeckung fehlt) knurrte ein wenig beim Beschleunigen, baute jedoch mit 440 Nm Drehmoment ausreichend Druck auf.

Die Sportlimousine ist auf dem europäischen Markt der erste Kia mit Heckantrieb, der Allradantrieb der AWD-Versionen arbeitet ebenfalls heckbetont. Die Heckantriebsmodelle verfügen standardmäßig über ein Sperrdifferential.

Beim 3,3-l-T-GDI sind ein Allradsystem und ein adaptives Fahrwerk Serie. Darüber hinaus ist die Topmotorisierung mit einer Brembo-Hochleistungsbremsanlage und variabler Lenkübersetzung ausgestattet.

Antrieb

Der Stinger ist mit der zweiten Generation des vom Autobauer selbst entwickelten Achtstufen-Automatikgetriebes ausgestattet. Erstmals wird ein Drehmomentwandler mit Fliehkraftpendel eingesetzt (Centrifugal Pendulum Absorber, CPA), der Drehschwingungen im Antriebsstrang reduziert.

Mit der Fahrmodus-Taste kann der Fahrer zwischen fünf Modi wählen, wobei neben den Schaltmustern des Automatikgetriebes auch die Motoreinstellung sowie der Grad der Lenkunterstützung entsprechend angepasst werden. Wird das Getriebe manuell betätigt, fördert eine Schaltpunktanzeige eine kraftstoffeffiziente Fahrweise.

Karosserie und Fahrwerk

Die Sicherheitszelle ist durch den Einsatz von ultrahochfestem Stahl in den Sitzquerträgern, den vertikalen Trägern und den inneren Paneelen der Seitenschweller sehr stabil. Die hinteren Kotflügel sind verstärkt und setzen zudem sehr hoch an der Karosserie an, was deren Steifigkeit ebenfalls erhöht.

Beim Blick unter die Motorhaube fällt der nach hinten platzierte Dieselmotor auf, um so die Gewichtsverteilung zu optimieren. Zudem sind zwei Versteifungsstreben rechts und links im Motorraum verbaut. Die Lufteinlässe in der Motorhaube sind nur angedeutet, dafür sind die seitlichen Einlässe in den vorderen Stoßfängern und die Kiemen echt: sie sollen die Aerodynamik verbessern.

Große Klappe und nichts dahinter – jedenfalls beim Thema Kofferraumvolumen.

Geringeren Wert dagegen legten die Koreaner auf den Gepäckraum. Nicht allzu viel Stauraum wartet hinter der großen Heckklappe, die elektrisch öffnet, sogar ganz berührungslos, wenn man sich mit Schlüssel in der Tasche nähert. 406 Liter sind es, immerhin auf 1.114 Liter erweiterbar durch Umlegen der Rücksitze.

Das Fahrwerk ermöglicht ein sportlich-agiles Handling als auch ein hohes Maß an Reisekomfort. Die Abstimmung der Mac-Pherson-Federbeine sollen dem Fahrer eine optimale Rückmeldung geben und zugleich unter allen Fahrbedingungen ein schnelles Ansprechen der Lenkung und eine hohe Fahrstabilität gewährleisten. An der Mehrlenkerhinterachse ist ein verstärkter Stabilisator verbaut. Dieser soll das Fahrverhalten optimieren und Karosserievibrationen reduzieren.

Standpunkt

Das denkt die Redaktion über den Kia Stinger

Redakteur Rudolf Guranti: Der Kia Stinger vereint für mich neueste Technologien, klassische Sportlichkeit und luxuriösen Komfort. Zudem fährt er sich so wie er aussieht: sportlich schick. Zwar sind 52.580 Euro viel Geld, allerdings für einen nahezu voll ausgestatteten Gran Turismo ist der Preis konkurrenzlos günstig. Insgesamt wirkte er auf mich komplett geschliffen und ausgeglichen – ohne langweilig zu sein.

Einziges Manko ist der Selbstzünder. Er lief etwas rau und gehört nicht gerade zur Creme de la Creme der Motorenschöpfung. Er war nicht direkt langsam, aber Motoren mit Spaßfaktor gehen oben heraus anders ab und sind nicht so laut.

Der Diesel mit einer recht sämigen Leistungsentfaltung ist zwar harmonisch integriert und arbeitet mit der Achtgangautomatik ordentlich zusammen. Aber in einem Stinger will ich einfach einen sportlichen Antrieb. Ebenfalls spricht für den Selbstzünder nicht unbedingt der hohe Kraftstoffverbrauch – rund 8,5 l notierten wir im Schnitt.

Redakteur Benjamin Schleich: Wer hätte gedacht, dass Kia so ein Auto bauen kann? Ich wohl so ziemlich als Letzter, habe ich doch vor Ewigkeiten meine Lehre in einem Kia-Autohaus gemacht, als die Fahrzeuge sagen wir recht einfach gehalten waren. Und jetzt steht ein waschechtes Oberklasse-Gran-Coupé vor mir, optisch irgendwie eine Mischung aus Aston Martin, Mercedes und Porsche Panamera und mit einer Top-Ausstattung. Und das zu einem Preis, der knapp der Hälfte eines Mercedes CLS entspricht. Respekt!

Eine Schwachstelle früherer Kia war das Fahrwerk. Schwammig und ohne Rückmeldung an den Fahrer wankte man durchs Gelände. Ganz anders der Stinger! Das adaptive Fahrwerk liefert in jedem Modus hervorragendes Feedback an den Fahrer, man spürt das Auto bei jeder Fahrsituation. Knackig sportlich, aber nicht zu hart fühlt man sich immer wohl im sehr ansprechend gestalteten Cockpit des Stinger.

Der Motor zieht ordentlich durch, lediglich oben raus geht dem 2,2-l-CRDi etwas die Luft aus. Trotzdem ein rundherum gelungenes Auto.

Redakteur Florian Zink: Bei so manchem Testwagen gibt es neben vielen positiven Aspekten, die neue Fahrzeuge in der Regel mit sich bringen, immer auch den ein oder anderen negativen Punkt – und wenn es der Preis ist. Beim neuen Kia Stinger ist das anders. Etwas ernsthaft zu kritisieren, fällt wirklich schwer. Ich werde es dennoch versuchen.

Erstens: Die Lichtausbeute der LED-Scheinwerfer war gerade beim Abblendlicht etwas schwach. Zusätzlich bestand der Fernlichtassistent im Prinzip nur aus Fernlicht an und Fernlicht aus. Von LED-Scheinwerfern darf man heute mehr erwarten. Zweitens: Das äußere Erscheinungsbild ist zwar gelungen, allerdings hätte Kia die Doppelrohr-Abgasanlage auch beim Diesel auf beiden Seiten verlegen können – wie beim großen Benziner. Drittens: Im Innenraum ist alles sehr hochwertig und schön gestaltet, die echten Alu-Einlagen verkratzen aber vor allem in der Mittelkonsole sehr schnell.

Dies alles ist jedoch Gejammer auf hohem Niveau. Der Gesamteindruck ist tadellos.