Beim GVA-Kongress, dem alljährlichen Treff der Mitglieder des Gesamtverband Autoteile-Handel ging es natürlich vor allem um die wirtschaftliche Entwicklung. Nahezu leidenschaftlich wurde es aber bei einem Thema, das für den freien Reparaturmarkt zu einem (riesigen) Problem werden könnte.
Dass die allgemein unsichere wirtschaftliche Lage negative Auswirkungen auf die Situation der Teilegroßhändler hat, ist keine Überraschung. Allerdings, so GVA-Präsident Hartmut Röhl, sollten die durchschnittlich zwei Prozent Umsatzrückgang bei den Teilehandelsunternehmen für diese keine Bedrohung darstellen. Neben der allgemeinen Konjunkturdelle gingen solche Rückgänge auf den weiter gestiegenen Internethandel mit Ersatzteilen zurück. Jedoch verweist Röhl auch darauf, „dass nach zahlreichen guten wirtschaftlichen Jahren in Folge eine gewisse Abkühlung letztlich wohl nicht außergewöhnlich ist“.
Darüber hinaus sagt er Folgendes: „Der Wettbewerb um die Kunden aus dem Werkstattbereich und um die Autofahrer hat sich aufgrund der Zurückhaltung bei Wartungen und Reparaturen noch einmal verschärft. Nicht nur innerhalb des freien Markts, sondern auch gegenüber den gebundenen Teilevertriebsnetzen der Fahrzeughersteller.“
Vorwand für OBD-Verschlüsselung
Zum Stichwort Fahrzeughersteller gibt es auch eine Aussage von Röhl, die er in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten tätigte: „Die neueste Sau, die durchs Dorf getrieben wird, ist die Cyber Security“, sagte er sinngemäß. Die OEMs nutzen sie, um den Zugang zu den Fahrzeugsystemen über die OBD-Schnittstelle zu verschlüsseln. Was das für den freien Markt bedeutet, ist jedem Kfz-Profi und Branchenvertreter klar. Der GVA fordert deshalb einen einheitlichen Standard, der den freien Markt nicht aus der Onboard-Diagnose ausschließt.
Heiß diskutiert wurde auf dem GVA-Kongress auch über die fortschreitende Vernetzung der Fahrzeuge und wer wie Zugriff auf die Daten dieser Fahrzeuge haben darf. Entsprechend groß war die Resonanz auf einen Redebeitrag von Eberhard Temme vom Bundeskartellamt, der in seinen Ausführungen Überlegungen der deutschen Wettbewerbsbehörde in Bezug auf drängende Fragen des Digitalzeitalters darlegte und skizzierte, wann eine Monopolstellung in Sachen Daten vorliegt und welche Modelle es gibt, um an die Daten der vernetzten Fahrzeuge zu kommen (siehe Kasten ###).
Ein verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht liegt laut Demmes Vortrag vor, wenn ein Unternehmen für seine Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist und abhängig von einem anderen Unternehmen ist, das diese Daten kontrolliert und den Zugang verweigert.
Zwar versichern die OEMs immer wieder, sie würden die Daten für den freien Markt freigeben. Für viele Beteiligte im Aftermarket ist das jedoch keine wirkliche Lösung. So spricht sich etwa der GVA dafür aus, dass die Vernetzung über eine standardisierte offene Telematikplattform im Fahrzeug gestaltet wird, die auf Wunsch des Autofahrers auch unabhängigen Marktteilnehmern einen direkten Zugang zu den Daten im Auto und dessen Ressourcen ermöglicht. GVA-Präsident Röhl erklärt dazu: „Nur auf dieser Basis können Unternehmen des freien Markts eigene Anwendungen anbieten und letztlich dem Autofahrer die Möglichkeit eröffnen zu wählen, wo und mit welchen Teilen er sein Fahrzeug reparieren lässt.“
Der GVA-Präsident sieht die neue EU-Kommission gefordert, unverzüglich tätig zu werden: „Jeder Tag, der verstreicht, ohne dass die Kommission in dieser Frage entschlossen tätig wird, wird von den Fahrzeugherstellern genutzt, um bei der Fahrzeugvernetzung Fakten zu schaffen. Unabhängige Marktteilnehmer werden so langfristig aus dem Markt gedrängt.“ Gleichzeitig begrüßt der Verbandspräsident, dass im freien Kfz-Aftermarket große Anstrengungen unternommen werden, alternative Angebote zu den proprietären Vernetzungslösungen der Fahrzeughersteller zu entwickeln (z. B. Drivemotive, Caruso, Carcommunication; KRAFTHAND berichtete schon häufiger dazu).
Vier Möglichkeiten für den Datentransfer aus vernetzten Fahrzeugen
Extended-Vehicle-Konzept (favorisiertes Modell der Fahrzeughersteller)
Die Datenspeicherung erfolgt auf einem Server des jeweiligen OEM. Der Zugang für Dritte (z. B. aus dem freien Markt) soll über eine Standardschnittstelle möglich sein.
Shared/Neutral-Server-Konzept (von vielen Teilnehmern des Aftermarket favorisiert)
Alle im Fahrzeug anfallenden Daten werden außerhalb auf einem externen Server gespeichert, der von einem neutralen Dienstleister betrieben wird. Den Dienstleister kontrolliert ein Konsortium mit allen relevanten Stakeholdern/Akteuren.
Modell der Onboard-Anwendungsplattform (favorisiertes Modell diverser Drittdienstleister)
Die Speicherung der Daten erfolgt ausschließlich im Fahrzeug und der Eigentümer entscheidet über den Zugriff durch dritte und den Umfang der freigegebenen Daten.