Der billige Radwechsel
Krafthand-Redakteure im Schlagabtausch zum Für und Wider günstiger Preise beim Umrüsten von Sommer- auf Winterräder.
Die Reifenwechselsaison stresst den Rücken der Mechaniker und die Nerven der Chefs. Und besonders lukrativ ist das Ganze auch nicht. Zum einen, weil teils lohnenswertere Arbeiten schon mal hintanstehen müssen und zum anderen, weil die Radwechsel vergleichsweise zu günstig sind. Wobei manche Inhaber bewusst darauf setzen, andere aber dabei nur zähneknirschend mitgehen, weil es ihrer Meinung nach die Konkurrenzsituation erfordert.
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PRO
„Wäre es besser, es würden alle Ganzjahresreifen fahren?“
Ich kann den Standpunkt, ein reiner Radwechsel müsste mehr als 15, 20 oder 25 Euro kosten, absolut nachvollziehen. Denn natürlich decken solche immer noch oft gängigen Preise nicht den Aufwand, der mit dem Umstecken der Räder von Sommer auf Winter und umgekehrt verbunden ist. Aber letztlich kann man sich dem Markt nicht entziehen und mancher Kunde würde sicher die Nase rümpfen und gar seine Werkstatt wechseln, wenn sie beim mit anderen Betrieben gut vergleichbaren Radwechsel deutlich mehr verlangt.
So gesehen sorgt der „billige“ Radwechsel für Folgegeschäft. Er ist die Basis für weitere Dienstleistungen wie das Räderwaschen und -einlagern. Letzteres wiederum stellt sicher, wenn neue Pneus fällig werden, dass Kunden nicht „fremdgehen“ – etwa zu einer Reifenkette. Außerdem kann ein Blick auf die Achsgelenke sowie Bremsen eine dringende oder zumindest bald fällige Reparatur einbringen. Zwar ist dies bei Stammkunden kein Zusatzumsatz, weil er auch so gekommen wäre. Aber es stärkt die Bindung und kann Vertrauen festigen, wenn ich dem Fahrzeugbesitzer die nahe am Verschleiß befindlichen Bremsenteile nicht sofort aufschwatze, sondern sage “drei Monate geht’s noch, aber dann sollten sie raus“.
Natürlich ist mir klar, dass das alles die Reifenwechselsaison nicht lukrativer macht und hier leider weniger hängen bleibt als wünschenswert. Wäre es aber besser, wenn alle Ganzjahresreifen fahren? Sicher nicht! Schließlich ist die Wechselsaison ein Garant dafür, Autofahrer regelmäßig in die Werkstatt zu treiben. So gesehen ist der günstige Radwechsel vielleicht gar nicht zu billig.
CONTRA
„Mich regen die auf“
Die Argumente im Pro-Standpunkt meines Kollegen sind schlüssig und teils kann ich auch mitgehen. Und trotzdem regen mich die billigen Radwechsel immer wieder auf. Ganz einfach deshalb, weil sie das mittlerweile häufig übersteigerte Anspruchsdenken der Kunden weiter untermauern. Kostenlose Lichttests. Möglichst umsonst gewaschene Autos beim Kundendienst. Demnächst soll der Wagen wohl noch vollgetankt abholbereit sein? Wo soll das hinführen? Das denken sich wohl auch die – in den letzten Jahren glücklicherweise mehr gewordenen – Werkstätten, die beim Radwechsel umdenken und anstelle von Dumpingpreisen für gute Arbeit auch gutes Geld wollen. Warum denn auch nicht?
Rennt ein ansonsten zufriedener Kunde wirklich gleich weg, nur weil er für den Radwechsel 15 oder 20 Euro mehr zahlen muss als woanders? Natürlich kann man das nicht ausschließen und deshalb ist es für mich auch verständlich, wenn Werkstätten beim Radwechsel im unteren Level für ihre Region bleiben. Vielleicht auch, weil sie sich eine Preisanhebung nicht trauen. Zumindest keine solche, die beim Radwechsel nötig wäre und den üblichen Rahmen zur Anpassung etwa an die Inflationsrate übersteigt.
Aber dass der billige Radwechsel Umsätze sichert oder gar zusätzliches Geschäft bringt, ist für mich eine These, der ich nicht folge. Denn wenn eine Durchlaufkundschaft auf Schnäppchenjagd kommt, ist noch lange nicht ausgemacht, dass sie eine vielleicht abgefahrene Bremse – um bei diesem Beispiel zu bleiben – auch reparieren lässt. Und Stammkunden eine vorzeitige Reparatur aufzuschwatzen, ist ein unseriöses Vorgehen, das den allermeisten Werkstätten fremd ist. Insofern ist der billige Radwechsel also tatsächlich zu billig.
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