Immer mehr Neufahrzeuge werden online gekauft. Mit dieser zunehmenden Verlagerung des Automobilverkaufs ins Internet werden sich die Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern nachhaltig verändern. Und nicht alle Händler werden den Sprung in die digitale Welt schaffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) im Auftrag der Sachverständigenorganisation Dekra.
Nach Einschätzung der IFA-Experten wird der Automobilhandel die Schnittstelle zum Kunden verlieren und damit in eine stärkere Abhängigkeit von Online-Plattformen geraten. Der wissenschaftliche Leiter der Studie, IFA-Direktor Professor Dr. Willi Diez, prognostiziert deshalb, dass „diese Entwicklung nach dem Gebrauchtwagenhandel auch bei den Neuwagenverkäufen in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird.“ Um den Anschluss nicht zu verlieren, müssten die Automobilhersteller ihr Onlineangebot erweitern und den Direktverkauf von Neuwagen per Internet forcieren. Der Automobilhandel würde dabei zunehmend in eine lediglich verkaufsunterstützende Funktion gedrängt.
Die Folge: Der Handel wird Probefahrten anbieten und bei schwierigen technischen Fragen den Kaufinteressenten für eine persönliche Beratung zur Verfügung stehen. Um diese Assistenzfunktion erfüllen zu können, müssen die Händler voll in den digitalen Verkaufsprozess des Herstellers integriert sein. Voraussetzung dafür sind digitale Medien und Devices in den Verkaufsräumen der Händler, um Medienbrüche zu vermeiden.
Allerdings ergeben sich aus der Händlerbefragung erhebliche Digitalisierungsdefizite im Automobilhandel. So setzt nur ein Viertel der Unternehmen die heute gängigen digitalen Medien im Verkauf und im After Sales ein. „Die Herausforderung für den Handel liegt nicht nur darin, dass er in den nächsten Jahren erheblich in die digitale Ausstattung der Autohäuser investieren muss. Er muss vielmehr auch seine Verkaufsprozesse umstellen und die Mitarbeiter digital qualifizieren“, gibt Professor Diez zu bedenken. Das Autohaus müsse zum „Digital Store“ werden. Vor allem kleinere Autohäuser seien damit überfordert und würden daher auch keinen Platz mehr in der künftigen Vertriebswelt der Automobilhersteller haben.
Die zunehmende Digitalisierung des Autohandels erfordert zudem, dass die Vergütungssysteme zwischen Herstellern und Händlern verändert werden: weg von Margensystemen hin zu leistungsorientierter Entlohnung: „Der Händler muss für eine Probefahrt, die er durchgeführt hat, auch dann Geld vom Hersteller bekommen, wenn der Interessent anschließend sein Auto online kauft,“ erklärt Professor Diez. Ansonsten würde ein digitales Vertriebsmodell mit stationären Händlern nicht funktionieren.
Die IFA-Studie geht davon aus, dass die Automobilhersteller ihre Handelsnetze in den nächsten Jahren weiter ausdünnen und vorrangig mit großen Handelsgruppen zusammenarbeiten werden. Da Information und Beratung immer häufiger online stattfindet, werde auch die Zahl der Verkaufshäuser selbst zurückgehen. Andererseits würden andere stationäre Formate wie City Stores als Kundenkontaktpunkte weiter an Bedeutung gewinnen. Das IFA-Institut rechnet damit, dass die Zahl der Vertragshändler in Deutschland von 6.900 im Jahr 2016 auf 4.500 im Jahr 2020 sinken wird.