Brennstoffzellen: Daimler möchte Fahrzeuge ab 2017 zu ‚attraktivem Preis‘ anbieten

Dr. Christian Mohrdieck, Leiter des Bereichs Antriebsentwicklung/ Brennstoffzellensystem bei Daimler, mit der B-Klasse F-Cell von Mercedes-Benz. Rechts der schematische Aufbau des Brennstoffzellen-Fahrzeugs. Fotos. Daimler

In wenigen Jahren, 2017, möchte Daimler sein erstes serienmäßiges Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt bringen. Doch wie entwickeln sich die Kosten, wie steht es um die Technik und die Sicherheit? Über diese und andere Fragen erkundigte sich Krafthand-Online bei Dr. Christian Mohrdieck, dem Leiter des Bereichs Antriebsentwicklung/Brennstoffzellensystem bei Daimler.

Herr Dr. Mohrdieck, wann bringt Daimler das erste Brennstoffzellen-Fahrzeug in Serie auf den Markt?
Ab 2017 ist das erste serienreife Brennstoffzellen-Fahrzeug auf Basis unserer Entwicklungskooperation mit Ford und Nissan geplant.

Wie entwickeln sich bislang die Kosten für Brennstoffzellen?
Die Kosten für die Brennstoffzelle konnten in den vergangenen Jahren signifikant gesenkt werden. Dennoch gibt es noch großes  Kostensenkungspotenzial. Um dieses auszuschöpfen, sind drei Schritte notwendig: Technische Entwicklungen, Aufbau einer wettbewerbsfähigen Lieferantenlandschaft und Steigerung der Stückzahlen.
Ein Kernthema bei der Technik ist die im Brennstoffzellenstack eingesetzte Menge Platin. Deshalb arbeiten Forscher und Entwickler daran, dieses wertvolle Material so effizient wie möglich einzusetzen und eine Balance zwischen den Faktoren Lebensdauer und Kosten zu finden.

Wie entwickeln sich die Preise voraussichtlich in Zukunft?
Durch unsere Kooperation mit Nissan und Ford erreichen wir ein höheres Produktionsvolumen und erzielen Skaleneffekte. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir die Brennstoffzellentechnologie ab 2017 zu einem attraktiven Preis anbieten können.

Kann die Lebensdauer einer Brennstoffzelle mit der eines Verbrennungsmotors mithalten?
Bei konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren gehen wir von einer Lebensdauer von 15 Jahren beziehungsweise 8.000 Betriebsstunden aus. Unser erklärtes Ziel ist es, dies auch mit den alternativen Antrieben zu erreichen. Die Stack-Lebensdauer bei heutigen Brennstoffzellen-PKW liegt bei rund 3000 Betriebsstunden.

Welches Edelmetall verwendet Daimler hauptsächlich für die Brennstoffzellen?
Das wichtigste Katalysatormaterial ist Platin.

Setzt das Platin für Brennstoffzellen nicht enge Grenzen, wenn die Kosten für Brennstoffzellen gesenkt werden sollen?
Seit der Vorstellung  der ersten Brennstoffzellenfahrzeuge konnte der Platin-Anteil in Brennstoffzellenstacks erheblich gesenkt werden. Ziel ist es, einen Platinanteil auf dem Niveau eines Oxidationskatalysators zu erreichen. Auch bei den Oxidationskatalysatoren hat es über die Jahre eine ganz ähnliche Entwicklung gegeben.

Zur Brennstoffzellen-Technik: Wird der von der Brennstoffzelle erzeugte Strom zunächst in die Hochvolt-Batterie eingespeist und der Elektromotor dann von der Batterie versorgt – oder versorgt die Brennstoffzelle den E-Motor direkt und überschüssige Energie wird in die Batterie gepuffert?
Letzteres! Der in der Brennstoffzelle erzeugte Strom treibt direkt den E-Motor an. Überschüssige oder durch Rekuperation gewonnene Energie fließt in die Batterie. Der Elektromotor kann auch aus beiden Energiequellen gleichzeitig gespeist werden. Zur Erläuterung empfehle ich folgenden Kurzfilm über die Funktionsweise der B-Klasse F-Cell http://goo.gl/cTkBlL

Welche besonderen Sicherheitsvorkehrungen sind bei einem Brennstoffzellen-Fahrzeug notwendig? Bei einer Leckage an der Wasserstoffleitung beispielsweise bestünde akute Explosionsgefahr.
Ausgangspunkt bei der Mercedes-Benz B-Klasse F-Cell bildet das sehr hohe Sicherheitsniveau der Mercedes-Benz B-Klasse. Dank des innovativen Sandwichkonzepts sind alle Komponenten des Brennstoffzellenantriebs crashsicher im Fahrzeugunterboden untergebracht. Die Sicherheit der antriebsspezifischen Komponenten und Systeme in der B-Klasse F-Cell haben die Mercedes-Ingenieure durch mehr als 30 zusätzliche Crashtests optimiert und erfolgreich geprüft. Das Hochvolt-Bordnetz ist beispielsweise siebenfach gegen Störungen abgesichert.

Wie ist der Wasserstofftank gegen Unfälle gesichert?

Die kohlefaserummantelten Tanks für den Wasserstoff sind auf einen 2,25-mal so hohen Druck wie der vorgesehene maximale Betriebsdruck von 875 bar ausgelegt und verfügen über Sicherheitsventile, die bei einem Unfall automatisch die Wasserstoffversorgungsleitung zur Brennstoffzelle schließen.

Sollte, beispielsweise durch übermäßige Hitzeeinwirkung in Folge eines Brandes, der Wasserstoffdruck in den Tanks ein zulässiges Höchstmaß überschreiten, gleicht eine Regelung den Druck in den Tanks aus. Dazu gibt sie den überschüssigen Wasserstoff kontrolliert an die Umgebung ab. Eine Explosion kann dabei nicht auftreten. Die Betriebssicherheit der B-Klasse F-Cell liegt unter allen Bedingungen auf dem gleichen hohen Niveau wie bei Mercedes-Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und konventionellen Kraftstofftanks oder Erdgasantrieb.

Wie werden die Wasserstoff-Tankstellen versorgt?
Per Tankwagen. Der Transport von Wasserstoff per Tankwagen ist heute schon gängie Praxis, zum Beispiel in der Chemieindustrie. Pipelines eignen sich nur für Großverbraucher.

Wie vollzieht sich die Betankung?
Der Tankvorgang von Brennstoffzellenfahrzeuge an Wasserstoffzapfsäulen unterscheidet sich kaum vom heutigen Tanken von Benzin, Diesel oder Erdgas. Eine Zapfpistole wird in den fahrzeugseitigen Tankstutzen eingeführt. Danach kann der Tankprozess gestartet werden. Der gasförmige Wasserstoff  (GH2) strömt in weniger als drei Minuten vollautomatisch in den Tank über. Um ausreichend Energie für eine möglichst hohe Reichweite an Bord zu haben, wird das Wasserstoffgas möglichst hoch komprimiert gespeichert. Mercedes-Benz hat sich für 700 bar Druck (70 mega Pascal) entschieden. Diese Wasserstoffdruckspeicherung ist aus unserer Sicht die ideale Lösung und hat sich in den vergangenen Jahren als alltagstauglich erwiesen.

Gibt es schon ein Reparaturkonzept für Brennstoffzellen-Fahrzeuge?
Nicht jede Werkstatt weltweit verfügt heute schon über das nötige Know-how, denn wie bei allen alternativen Antrieben – wie zum Beispiel auch Hybriden – ist eine spezielle Schulung notwendig im Hinblick auf höhere Spannungen und neue Komponenten. Im jetzigen Marktstadium liefern wir die Fahrzeuge deshalb in definierte Regionen aus. Die dortigen Servicemitarbeiter werden speziell auf die Mercedes-Benz B-Klasse F-Cell geschult, um eine optimale Serviceleistung sicherzustellen. Bei einer weiteren Verbreitung der Technologie muss natürlich auch das Servicekonzept parallel dazu ausgebaut werden.

Herr Dr. Mohrdieck, vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Ralf Lanzinger