Dieses Phänomen kennen viele Kfz-Betriebe: Die Verkäufe von Pkw sind rückläufig und somit auch die Gewinne daraus. Derweil gewinnen die Unfallinstandsetzung sowie das Karosserie- und Lackgeschäft in den Betrieben immer mehr an Bedeutung. Im Bereich Leasing und Unfallregulierung gibt es jedoch einige offene Fragen. In KRAFTHAND erklärt Rechtsanwalt Rolf-Helmut Becker, wie sich die Klippen umschiffen lassen.
Beim deutschen Autorechtstag in Bonn referierte der Rechtsexperte zu den ‚Besonderheiten bei der Unfallregulierung von Leasingfahrzeugen’. KRAFTHAND stellte im Nachgang einige Fragen.
Herr Becker, was sollten Kfz-Werkstätten bei der Unfallregulierung von Leasingfahrzeugen generell beachten?
Bei der Unfallregulierung von Leasingfahrzeugen ist zunächst einmal zu überprüfen, ob es sich möglicherweise um ein sogenanntes Full-Service-Leasing handelt, was von einzelnen Leasinggesellschaften angeboten wird. In solchen Fällen obliegt die gesamte Schadenabwicklung inklusive der Beauftragung des Sachverständigen sowie der Auftragsvergabe im Hinblick auf die Reparatur allein der Leasinggesellschaft. Wenn dies nicht beachtet wird, bleiben der Sachverständige wie auch die Reparaturwerkstatt unter Umständen auf den Kosten sitzen.
Worin bestehen grundlegende Unterschiede zur Regulierung von anderen Fahrzeugen?
Besteht kein Full-Service-Leasing, so gibt es im Hinblick auf die Reparatur keinen grundlegenden Unterschied zur allgemeinen Unfallschadenregulierung. Allein im Grenzbereich zum Totalschaden sollte vor Beginn der Reparatur mit der Leasinggesellschaft Rücksprache gehalten werden. Liegt ein Reparaturschaden vor, so empfehle ich stets die Einschaltung eines freien unabhängigen Sachverständigen. Im Hinblick auf zu ermittelnde Wertminderungsbeträge wird beim Leasing zu beachten sein, dass die Wertminderungsbeträge regelmäßig dem Leasinggeber zustehen. Bei einer konkreten Reparatur in der Werkstatt sollten die Reparaturbetriebe beachten, dass die von der Versicherungswirtschaft immer wieder vorgenommenen Kürzungen nicht zu akzeptieren sind.
Gibt es dafür rechtliche Grundlagen?
Diese Sichtweise beruht auf den Grundsätzen des sogenannten Werkstattrisi-
kos. Der BGH hat schon in den 1970er Jahren entschieden, dass die konkret angefallenen Reparaturkosten in voller Höhe selbst dann zu ersetzen sind, wenn einzelne Positionen vielleicht nicht erforderlich gewesen wären. Hier liegt der besondere Unterschied zur fiktiven Schadenabrechnung. Der Geschädigte ist von sämtlichen Kosten freizustellen, die sich aus der Reparaturkostenrechnung ergeben. Gleichwohl unternimmt die Versicherungswirtschaft immer wieder den Versuch – gestützt auf Prüfgutachten –, zu Kürzungen zu gelangen.
Wie sinnvoll ist es, bei der Unfallregulierung von Leasingfahrzeugen einen Anwalt einzuschalten?
Bei jedem Unfallschaden ist es sinnvoll, einen Rechtsanwalt in die Unfallschadenregulierung einzubeziehen. Hierbei geht es oft weniger um den Grund des Anspruchs als vielmehr um die immer unüberschaubarere Entwicklung der einzelnen Schadenspositionen wie auch um unterschiedliche Stundenverrechnungssätze. Beim Leasing gilt dies einmal mehr, weil sich der unfallgeschädigte Leasingnehmer hier in einer weiteren vertraglichen Verpflichtung befindet, und zwar gegenüber seinem Leasinggeber wie auch der bei Leasing regelmäßig bestehenden Kaskoversicherung. Hier muss der geschädigte Leasingnehmer aufpassen, dass er nicht zwischen die Fronten gerät.
Welche Besonderheiten gibt es für Kfz-Werkstätten bei der Totalschadenabrechnung zu beachten?
Bei der Totalschadenabrechnung wird häufig voreilig eine Instandsetzung im Rahmen der 130-Prozent-Grenze verworfen. Dies völlig zu Unrecht. Reparaturen im Totalschadenbereich sind immer dann möglich, wenn in einem Sachverständigengutachten zunächst einmal eine sogenannte 130-Prozent-Grenze eingehalten wird. Überschreiten daher die von dem Sachverständigen prognostizierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs um nicht mehr als 130 Prozent, so kommt durchaus eine Reparatur in Betracht. Dies – und das ist wichtig – selbst dann, wenn sich bei tatsächlich durchgeführter Reparatur dann weitere Schäden zeigen – mit der Folge, dass dann der 130-Prozent-Rahmen nicht eingehalten werden kann, was aber völlig unschädlich ist. Dies beruht auf dem sogenannten Prognoserisiko, welches ebenfalls der Schädiger zu tragen hat. Stellt sich nach ausgeführter Instandsetzung heraus, dass die Reparaturkosten 150 Prozent des Wiederbeschaffungswerts betragen, so ist selbst diese Rechnung vollumfänglich auszugleichen.
Bei der Ermittlung des Restwerts gibt es regelmäßig Probleme. Welche besonderen Problematiken haben Kfz-Werkstätten hierbei im Zusammenhang mit Leasingfahrzeugen zu beachten?
Die Sachverständigen haben den Restwert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu ermitteln. Danach sind regelmäßig drei Angebote des örtlichen regionalen Markts zu Grunde zu legen. Das höchste Angebot wird von dem Sachverständigen dann zur Grundlage seines Gutachtens gemacht und stellt den zu berücksichtigenden Restwert dar. Versicherer versuchen nun immer wieder, in Restwertbörsen höhere Restwerte der Regulierung zu Grunde zu legen. Dies ist jedenfalls dann zulässig, wenn eine Veräußerung des Fahrzeugs noch nicht erfolgt ist. Da bei Leasingfahrzeugen der Leasinggeber Eigentümer ist, wird zu beachten sein, dass die Restwerte nur mit dessen Zustimmung oder durch den Leasinggeber selbst veräußert werden. Von daher sollte man hier recht frühzeitig bereits die Zustimmung des Leasinggebers zu einer in Aussicht genommenen Veräußerung einholen.
Was müssen Kfz-Werkstätten bei der Rechnungsstellung beachten?
Im Hinblick auf die Rechnungsstellung ergeben sich keine Besonderheiten. Die Leasingbedingungen sehen regelmäßig vor, dass der Leasingnehmer die Reparatur unverzüglich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen lassen muss. Dies jedenfalls dann, wenn kein Totalschaden vorliegt. Von daher ist die Rechnung auf den Kunden auszustellen, das heißt auf den Unfallgeschädigten. Ist dieser vorsteuerabzugsberechtigt, so hat die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherungsgesellschaft den Nettoschaden und ansonsten die Bruttoschäden auszugleichen. Die Rechnung ist stets, das heißt bei jeder Unfallschadenregulierung, auf den Auftraggeber und mithin im Regelfall auf den Unfallgeschädigten auszustellen. Dies völlig unabhängig davon, wer im Ergebnis diese Rechnung zu begleichen hat.
Sollte die Kfz-Werkstatt in jedem Fall einen Kostenvoranschlag erstellen?
Nach meiner Einschätzung sollten Kfz-Werkstätten insbesondere bei der Schadenregulierung mit Leasingfahrzeugen zurückhaltender sein mit der Erstellung von eigenen Kostenvoranschlägen. Die Versicherungswirtschaft drängt Werkstätten immer wieder dazu, Kostenvoranschläge zu erstellen mit dem Hinweis, dass dann im Folgenden ein kurzfristiger Rechnungsausgleich erfolgen wird und dass letztlich die Beauftragung eines Gutachtens nicht erforderlich sei. Werkstätten, die sich hierauf einlassen, nehmen sozusagen sehenden Auges in Kauf, dass bei Leasingfahrzeugen keine merkantile Wertminderung ermittelt wird. Dies geschieht regelmäßig nur durch in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten. Macht dann die Leasinggesellschaft bei Rückgabe des Fahrzeugs einen Wertminderungsanspruch geltend, so könnte der Werkstattkunde auf die Idee kommen, die Werkstatt insoweit in Regress zu nehmen. Dies ist umso ärgerlicher, wenn zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist gegenüber dem Schädiger bereits abgelaufen ist.
Wie kann die Werkstatt dem entgegen wirken?
Ich rate dazu, bei Schäden über 1.000 Euro regelmäßig ein Sachverständigengutachten einzuholen, damit jedenfalls eine Aussage zur merkantilen Wertminderung getroffen wird. Im Übrigen wird in diesen Fällen die Versicherung nie einen Einwand erheben können, dass unnötige Arbeiten durchgeführt wurden, weil die Werkstatt in diesem Fall nach Maßgabe des Gutachtens instandsetzt – mit der Folge, dass sie auch insoweit ‚aus dem Schneider’ ist.
Herr Becker, herzlichen Dank.
Die Fragen stellte Ralf Lanzinger
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