Sind gesetzliche Vorgaben teils unklar formuliert, sollte der Verordnungsgeber das eigentlich für eine Interpretation klarstellen können. Für das Arbeiten an Hochvoltsystemen macht das die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung/Berufsgenossenschaft aber nicht und wälzt damit die Interpretation auf die Kfz-Werkstätten ab.
Jeder hat schon davon gehört und niemand dürfte dem ernsthaft widersprechen: Die Absicherung durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als Dachverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BG) sucht ihresgleichen – was Wiedereingliederungsmaßnahmen und finanzielle Hilfen angeht. Dafür verlangen sie Betriebsinhabern, die Arbeitnehmer bei der DGUV versichern müssen, in Sachen Gesundheits- und Arbeitsschutz auch einiges ab. Und das ist gut so.
Nicht gut aber ist, wenn rechtsverbindliche Vorgaben zum Arbeitsschutz ob ihrer schwammigen Formulierung Fragen darüber aufwerfen, wie die Umsetzung in der Praxis auszusehen hat. Und dass die DGUV/BG sich trotz konkreter Bitte um Aufklärung (Nachfrage) um ein offizielles Statement drückt, wie solche Passagen zu interpretieren sind.
Worum es geht: krafthand-Redakteur Sebastian Schuster hat die Neufassung der Vorgaben für Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen für unsere Leser analysiert, um in der Ausgabe 22/2021 in seinem Artikel „Hochvoltfahrzeuge – wer darf was?“ zu erläutern, was sich geändert hat.
Hochvoltfahrzeuge – wer darf was?
Um an Pkw mit HV-System arbeiten zu dürfen, bedarf es einer Qualifikation. 2021 wurde der Leitfaden nun erstmals seit neun Jahren überarbeitet – was neu ist, was geändert wurde und welche Qualifikation zu welchen Arbeiten berechtigt. mehr …
Dabei stieß er im neuen DGUV-Leitfaden mehrmals auf einen mit Ausrufezeichen versehenen und blau hinterlegten – also für die Verfasser des Leitfadens offenbar sehr wichtigen – Abschnitt, der wie folgt lautet: „Nach erfolgreicher Qualifikation sind die Fachkenntnisse durch regelmäßige Teilnahme an Schulungen auf aktuellem Stand zu halten!“ Ihm stellte sich die Frage, was unter „regelmäßig“ zu verstehen ist und welche Schulungen gemeint sind. Das wollte er von der BG wissen und bekam Antworten, die die Interpretation der besagten Klausel im Grunde den Betrieben überlässt – mit Verweis auf die Gefahrenbeurteilung (Details im gennanten Artikel).
Dass er sich konkretere Aussagen gewünscht hätte: geschenkt. Dass jedoch eine Sprecherin der BG einer Veröffentlichung der zuvor schriftlich gelieferten Antworten nicht mehr zustimmte, ist mehr als irritierend. Ihre sinngemäße Begründung: Die BG käme in dem Beitrag schlecht weg und es würde der Anschein erweckt, die BG ließe die Betriebe im Regen stehen. Dabei ist es doch genau ihre unverständliche Reaktion, die diesen Anschein erst erweckt!
Was bedeutet denn nun regelmäßig? Alle zwei Jahre? Oder reicht ein Turnus von zehn Jahren? Und welche Schulung soll es sein – eine zeitaufwendige externe oder eine kurze interne? Kommt ein Unternehmer in seiner Gefährdungsbeurteilung zu dem Schluss, zehn Jahre und kurz/intern sind ausreichend, würde das der BG genügen? Solange nichts passiert: wahrscheinlich. Aber was ist im Fall eines Arbeitsunfalls?