Das Kolloquium des Zulieferers Schaeffler hat Tradition und einen guten Namen in Entwicklerkreisen. Nicht zuletzt deshalb, weil hier viele Denkanstöße zu aktuellen Technologien und kurz bevorstehenden Marktneuheiten gegeben werden, aber auch weil die Ingenieure des Erstausrüsters die Mobilität der Zukunft im Auge haben.
Bis zum Jahr 2050 werden voraussichtlich zwei Drittel der Menschen in Städten leben. Mit der Verdichtung der Lebensräume verändert sich auch dieArt, mit welchen Verkehrsmitteln sich Menschen in der Stadt bewegen. Vor diesem Hintergrund hat das urbane Fahrzeugkonzept Schaeffler Mover“ auf dem 11. Schaeffler-Kolloquium seine Premiere gefeiert. Dabei handelt es sich um ein Konzeptfahrzeug, das komplett auf elektrischen und autonomen Betrieb ausgelegt ist und dank eines kompakten Radmoduls Antriebs- und Fahrwerkskomponenten vereint.
Dieses sogenannte Intelligent-Corner-Modul soll eine hohe Wendigkeit des Fahrzeugs bei gleichzeitig hohem Komfort für die Insassen sicherstellen. Zudem ist die Plattform des Mover so flexibel ausgelegt, dass verschiedene Fahrzeugaufbauten vom Robo-Taxi bis zum autonomen Lieferfahrzeug denkbar sind. Denn man geht davon aus, dass durch die zunehmende Größe der Metropolen solche Mobilitätslösungen als Ergänzung zum Nahverkehr an Bedeutung gewinnen werden.
Wenden auf der Stelle
Die Flexibilität und zugleich Wendigkeit des Mover gehen auf die platzsparende Radantriebseinheit zurück, die an allen vier Rädern verbaut ist. In der Einheit befinden sich ein Radnabenmotor, die Radaufhängung inklusive Federung und der Aktor für die elektromechanische Lenkung. Die Lenkung des Radmoduls ist als Steer-by-wire-System ausgeführt. Dieses sowie die spezielle Radaufhängung ermöglichen einen Radeinschlag von bis zu 90 Grad. So lässt sich das Fahrzeug in engen Gassen manövrieren und seitlich in kurze Parklücken einscheren, um die Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Der Wendekreis von weniger als fünf Metern macht das Fahr zeug im Stadtverkehr äußerst beweglich. Auch ein Wenden auf der Stelle ist möglich.
Die eigens entwickelte Fahrdynamikregelung des Mover erlaubt eine individuelle Ansteuerung jedes Radmoduls. Außerdem werden die Fahrdynamikregelung (ESP), Drehmomentverteilung zwischen den angetriebenen Rädern (Torque Vectoring) und die Allradlenkung zusammengeführt. So lassen sich seitliche Bewegungen annähernd ohne für die Passagiere spürbare Querkräfte umsetzen; sehr angenehm für beispielsweise lesende Fahrgäste.
Wartungsbedarf wird im Voraus erkannt
Da die Vernetzung bei autonomen Stadtfahrzeugen eine entscheidende Voraussetzung für den reibungslosen Betrieb ist, haben sich die Experten von Schaeffler auch hier etwas einfallen lassen: Zum Konzeptfahrzeug gibt es einen digitalen Zwilling, der ein Abbild des realen Fahrzeugs in der Cloud darstellt. Durch eine laufende Analyse der Betriebs- und Zustandsdaten lässt sich so zum Beispiel künftiger Wartungsbedarf mit zeitlichem Vorlauf erkennen.
Bei all der Zukunftsmusik stellt sich für viele jedoch auch bei einem solchen Fahrzeug die Frage nach technischen Leistungsdaten. Was die Dauerleistung angeht, so gibt jeder der Traktionsmotoren an den vier Radmodulen bei 300-V-Betriebsspannung 13 kW ab. Zeitlich begrenzt ist eine Spitzenleistung von 25 kW drin. Das Nenndrehmoment von 250 Nm pro Motor lässt sich kurzzeitig verdoppeln.
Den Machern der Zukunftsstudie zufolge soll es nicht bei einem Konzept bleiben, vielmehr soll es sukzessive weiterentwickelt werden. Für das laufende Jahr ist sogar geplant, dass ein fahrbereiter Prototyp einschließlich Kabine und Klimatisierung an den Start geht.