Zur Reifenwechselsaison bieten viele Werkstätten die Einlagerung der Pneus beziehungsweise der Kompletträder im Betrieb an. Damit gehen sie allerdings auch die Verpflichtung ein, für dabei auftretende Schäden haften zu müssen. Wie hoch ein möglicher Schadenersatz ausfällt und was der Kfz-Profi zum exakten Ermitteln des Schadens dokumentieren sollte, hat KRAFTHAND zusammengefasst.
Mit den ersten Frühlings-Sonnenstrahlen werden die weniger ansehnlichen Winterreifen durch die oft schickere Sommerbereifung ersetzt. Viele Kunden nutzen den Service ihrer Kfz-Werkstatt, nicht nur den Wechsel vornehmen zu lassen, sondern auch die Winterreifen (bzw. Kompletträder) bis zum nächsten Termin im Herbst einzulagern. Allerdings ist nicht jedem Kfz-Profi bewusst, dass er damit auch sehr weitreichende Rechtspflichten eingeht.
Verwahrungsvertrag oder Werkvertrag
In den überwiegenden Fällen schreibt der Serviceberater auf den Auftrag, dass nach dem Wechsel die abmontierten Kompletträder eventuell gewaschen und danach eingelagert werden. Mehr wird in der Regel nicht notiert. Aus rechtlicher Sicht stellt ein solcher Auftrag einen Werkvertrag dar, bei dem der Erfolg, nämlich der Reifenwechsel, im Vordergrund steht. Gleichwohl wird durch die Einlagerung sein Pflichtenkreis erweitert. Strittig ist, ob es sich bei diesem Schritt um einen weiteren, eigenständigen Vertrag handelt oder ob nur der ursprüngliche Werkvertrag um weitere rechtliche Aspekte angereichert wird. Die Rechtsprechung äußert sich in diesem Punkt nicht explizit, sondern vermischt in der Regel die Elemente, die in mehreren Vertragstypen zu finden sind (siehe dazu OLG Köln, Az.: 3 U 88/91; AG Gummersbach, Az.: 11 C 340/08).
Das wesentliche Element, welches die Unterbringung der überlassenen Räder auszeichnet, lässt sich mit der sogenannten Obhutspflicht beschreiben. Diese geht über die einem Mietvertrag zugrunde liegende Raumnutzung hinaus und bildet die Grundlage der zivilrechtlichen Verwahrung.
Um bereits auf dieser Ebene Klarheit zu schaffen, sollte der Kfz-Profi rechtlich strikt zwischen dem Reifenwechsel und der anschließenden Einlagerung trennen und mit seinem Kunden deswegen zwei separate, schriftliche Vereinbarungen treffen. Diese Vorgehensweise hat nicht nur den Vorteil, dem Kunden gegenüber die Kosten für die Überlassung der Räder transparenter zu gestalten, sondern für die Verwahrung zusätzliche Bedingungen hinsichtlich Dauer, Haftungsbeschränkungen und Sicherung des Zahlungsanspruchs (Pfandrecht) aufzunehmen. Entsprechende Formulare werden von diversen Innungen angeboten.
Obhutspflicht – Haftung
Entsprechend dem Hauptzweck der Verwahrung schuldet der Kfz-Profi während der Einlagerungsdauer nicht nur den entsprechenden Platz, vielmehr kommt ihm auch eine besondere Obhutspflicht zu. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die überlassenen Räder nach der Verwahrung im selben Zustand zurückgegeben werden wie zum Zeitpunkt der Einlagerung. Ist dies nicht der Fall oder kommen sie gar abhanden – etwa durch Diebstahl – muss der Kfz-Profi dafür gerade stehen. Eine Freizeichnung (Ausschluss) beziehungsweise Einschränkung dieser Haftung ist nur begrenzt möglich, da ansonsten der Vertragszweck und die damit verbundene Obhut ausgehöhlt würden (siehe dazu der BGH zum Versicherungsvertrag, Az.: II ZR 25/59). Das bedeutet: Entsprechende Vereinbarungen seitens der Werkstatt haben keine Gültigkeit.
Im Schadensfall muss der Kfz-Profi beweisen, dass er nicht für das Abhandenkommen oder die Beschädigung der Räder verantwortlich ist (§ 280 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches; BGH, Az.: III ZR 126/88). Eine Verschiebung der Beweislast zulasten des Kunden in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht möglich, da dies dem Vertragszweck zuwider laufen würde (BGH, Az.: II ZR 98/62). Der Kunde hätte ohnehin nicht die Option, einen Beweis anzutreten, da er während der Verwahrdauer über seine Räder nicht verfügen kann.
Schadenshöhe
Zwar soll dem Kunden jegliche Unannehmlichkeit erspart bleiben, allerdings darf er sich daran nicht bereichern, etwa, wenn er für seine ‚an der Profilgrenze’ übergegebenen Reifen Ersatz in Form neuer Pneus einfordert. Ein etwaiger Abzug „neu für alt“ (BGH, Az.: VI ZR 90/58) ist gleichwohl nur dann möglich, wenn der Kfz-Betrieb den Nachweis führen kann, dass die ursprünglich eingelagerten Räder bereits Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen aufwiesen. Somit gilt die Beweislastverteilung grundsätzlich auch für die Schadenshöhe. Sofern das Schadensrisiko ein Versicherer übernimmt, wickelt dieser im Schadensfall in der Regel auch nach dem Zeitwert ab (Ausnahme: Neuwertversicherung).
Führt der Kfz-Profi keine Aufzeichnungen, so könnte er im Extremfall dem Kunden gegenüber zu einem Neuwertersatz verpflichtet sein, seine Versicherung würde dagegen nur einen Minimalersatz leisten. Deswegen ist es wichtig, bei der Einlagerung nicht nur die Anzahl der Räder zu dokumentieren, sondern auch Felgentyp, Größe, Marke, Fabrikationsnummer, Zustand, Reifengröße, DOT-Nummer, Zustand et cetera, um gegebenenfalls gegenüber dem Kunden beziehungsweise dem Versicherer den Beweis führen zu können.
Versicherungsschutz?
Das Verwahrungsrisiko wird in der Regel nicht durch eine Standard-Betriebshaftpflicht abgedeckt. Entsprechende Policen sind beispielsweise davon abhängig, ob die Räder im Hauptgebäude selbst (Keller/Obergeschoss) oder in einem Container beziehungsweise einem angemieteten Gebäude gelagert werden. Zudem bieten diverse Versicherer Komplettpakete an. Ein Schaden strahlt in vielen Fällen allerdings auf das gesamte Paket ab und nicht nur auf das Einzelrisiko, sodass jeder Versicherungsfall zu einer überproportionalen Beitragserhöhung führen kann.
Ob dies zutrifft, muss der Werkstattinhaber mit dem jeweiligen Versicherungsvertreter vor Ort klären. Zudem ist es ratsam, eine Versicherung erst dann abzuschließen, nachdem der Versicherungsvertreter oder ein Sachverständiger das Betriebsgebäude und den Lagerraum begutachtet hat und daraufhin ein individuelles Angebot unterbreitet.
Nicht zuletzt ist zu klären, ob der Versicherer zur allgemeinen Einlagerungsdokumentation zusätzliche Angaben verlangt beziehungsweise besondere Formulare vorschreibt. Nur so wird sichergestellt, dass der Service für den Kunden auch ein Service bleibt!