Olaf Henning, Geschäftsführer Mahle Aftermarket
Unternehmen

„Bereits ein Drittel unabhängig vom Verbrenner“

Olaf Henning, Geschäftsführer Mahle Aftermarket: „Wir bereiten derzeit gezielt die Erweiterung unseres Portfolios in den Bereichen Batteriediagnostik und -wartung vor.“ Bild: Mahle

Herr Henning, insgesamt ist die Kfz-Branche bis auf den Autohandel vergleichsweise glimpflich durch die coronabedingte Wirtschaftskrise gekommen. Wobei sich bei den Teilezulieferern und Ausrüstern teils ein differenziertes Bild zeigt. Mahle ist Teilezulieferer und Ausrüster für den IAM zugleich. Welche Sparte ist bei Ihnen besser durch die Krise gekommen?

Lassen sich mich hier zunächst sagen, dass wir uns als Konzern in einer beeindruckenden Geschwindigkeit auf die veränderte Situation eingestellt haben. Aber natürlich lässt sich der massive Einfluss der Coronakrise auf den Geschäftsverlauf nicht leugnen. Wie schnell es zu einer Erholung kommt, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie und der Entwicklung der Märkte ab. Wir gehen aktuell davon aus, dass eine Rückkehr der Fahrzeugmärkte zum Vorkrisenniveau mehrere Jahre dauert.

Nun aber zu Ihrer Frage: Im Bereich Aftermarket stellt sich die Situation positiver dar. Nachdem wir im ersten Halbjahr noch hinter Plan lagen, hat das Geschäft im zweiten Halbjahr stark angezogen. Besonders freut uns das sehr positive Ergebnis unseres Bereichs Service Solutions, also bei der Ausrüstung. Die gute Nachfrage dort zeigt, dass wir die richtigen Lösungen und Konzepte anbieten.

Ähnlich positive Rückmeldungen gibt es auch von anderen Playern des Aftermarkets, sodass die vernetzten Fahrzeuge und der mühsame Zugang zu deren Daten für den freien Markt wohl bedrohlicher ist als die Coronakrise. Denn klar ist: Aufgrund nach wie vor fehlender gesetzlicher Vorgaben, die den Datenzugriff sicherstellen, ist der freie Markt immer noch nicht da, wo er sein müsste, um auf Augenhöhe mit markengebundenen Reparaturbetrieben agieren zu können.

Das ist sicher nicht völlig von der Hand zu weisen. Eine einheitliche Regelung seitens des Gesetzgebers würde hier helfen – das ist richtig. Dafür setzen wir uns auch in Brüssel ein. Solange diese nicht gegeben ist, sind wir als Hersteller von Werkstattausrüstung in der Pflicht, unseren Kunden alltagstaugliche Lösungen bereitzustellen.

Zum Glück sind wir als Erstausrüster mit allen relevanten OEMs gut vernetzt, das hat uns zum Beispiel geholfen, Verträge zum Zugriff auf verschlüsselte Diagnoseports abzuschließen und unsere Kunden so arbeitsfähig zu machen. Der Teufel steckt aber im Detail – hier entsteht eine zunehmend große Anzahl von verschiedenen Systemen, die harmonisiert werden müssen.

Mahle als Konzern stellt sich mit für die E-Mobilität relevanten Unternehmenszukäufen seit geraumer Zeit breiter auf. Das versetzt auch Mahle Aftermarket in die Lage, etwa Komponenten für das Thermomanagement von E- und Hybridautos oder Leistungselektroniken im Portfolio zu haben. Gibt es dafür im freien Markt überhaupt schon Nachfrage?

Die Umsätze mit Bauteilen für rein batterieelektrische Fahrzeuge sind zwar noch überschaubar, wachsen aber stetig mit den zunehmenden jährlichen Zulassungszahlen von Autos mit elektrischem Antrieb. Waren es 2015 erst rund 15.000, so stehen dem im vergangenen Jahr fast 200.000 Einheiten gegenüber. Da aber in der Regel die ersten größeren Reparaturen drei bis fünf Jahre nach dem Kauf anstehen, sehen wir in Deutschland aktuell noch einen bescheidenen Markt für unser Geschäft.

Schauen wir jedoch beispielweise auf die skandinavischen Länder, liegen die Zahlen deutlich höher. Wir müssen deswegen vorausschauend planen und nehmen jetzt die passenden Teile in unser Portfolio auf. Rund ein Drittel davon ist heute schon vollkommen unabhängig vom Verbrennungsmotor, Tendenz steigend.

„Unsere Umsätze mit Bauteilen für rein batterieelektrische Fahrzeuge sind zwar noch überschaubar, wachsen aber stetig mit den zunehmenden jährlichen Zulassungszahlen von E-Autos.“

Wann rechnen Sie denn mit einem echten Nachfrageboom bei Ersatzkomponenten für E-Autos?

Wie schon angedeutet, hängt das ganz klar vom jeweiligen Land ab. Als weltweit agierendes Unternehmen haben wir natürlich die globale Brille auf. In China, Norwegen oder Nordamerika sind wir schon mittendrin. In Großbritannien, Frankreich oder Japan werden wir voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren, in Deutschland in drei bis fünf Jahren einen massiven Anstieg sehen.

Die Werkstätten haben also noch etwas Zeit?

Ja, die haben sie, um sich vorzubereiten. Aber zurücklehnen sollten sie sich deswegen nicht. Nach meinem Eindruck tut die Mehrheit das auch nicht. In Gesprächen mit unseren Kunden stelle ich immer wieder mit Freude fest, mit wie viel Einsatz und Mut dort Zukunftsthemen angegangen werden. Ich bin mir sicher: Die freien Werkstätten werden sich – nicht zuletzt mit unserer Hilfe – auch im Bereich E-Mobilität neue Geschäftsfelder erschließen.

Sie sagen, nicht zuletzt mit Ihrer Hilfe. Können Sie das konkretisieren?

Wir legen nicht nur seit geraumer Zeit viel Wert darauf, dass unsere Servicegeräte eine möglichst hohe Zahl alternativ angetriebener Fahrzeuge abdecken. Darüber hinaus bereiten wir derzeit gezielt die Erweiterung unseres Portfolios in den Bereichen Batteriediagnostik und -wartung vor.

Und das eröffnet dann Werkstätten neue Geschäftsfelder?

Auf jeden Fall. Rund um die Batterietemperierung liegen Potenziale, die Werkstätten in Zukunft mit unseren Geräten heben können. Aber auch das Thema Ladeinfrastruktur haben wir im Blick. Auf dem Weg dahin sind wir sehr agil – von der Zusammenarbeit mit Start-ups über den Zukauf von Unternehmen bis zur klassischen Eigenentwicklung schließen wir nichts aus. Zugute kommt uns auch hier das Know-how aus der Erstausrüstung, das sich sehr schnell in den Bereich Aftermarket übertragen lässt – zugunsten unserer Kunden.

Herr Henning, vielen Dank.

Die Fragen stellte Torsten Schmidt.