Man kann es fast nicht mehr hören. Und doch steht der Dieselmotor zurecht immer noch im Mittelpunkt, wenn es um Abgasbelastungen und Fahrverbote geht. Wobei inzwischen die Themen Wertverlust von Euro-5-Fahrzeugen und damit einhergehende existenzielle Fragen bei Autohändlern unsere Branche viel mehr beschäftigen als der Aspekt, ob der Diesel auch in Zukunft noch eine Rolle spielt.
Bei allem Hype um die E-Mobilität – geht es nach den Fahrzeugherstellern hierzulande, soll der Selbstzünder noch lange nicht am Ende sein. Diverse Zulieferer sehen das genauso. Beispielgebend dafür ist Bosch. Die Stuttgarter versprechen jetzt gar, eine Lösung für die Stickoxidproblematik des Selbstzünders gefunden zu haben (mehr dazu hier). Kommt diese ab sofort zur Verfügung stehende – nicht zur Nachrüstung gedachte – Innovation in Neufahrzeugen zur Anwendung, dann sollte einer freien Fahrt in die Innenstädte über Jahre hinaus nichts im Wege stehen.
Pro
Benjamin Schleich, Redakteur der KRAFTHAND
Der Diesel bekommt die Kurve
Warum sollte der Diesel bei den Autofahrern keine zweite Chance haben? Klar, man kann nicht leugnen, dass viele Autofahrer verunsichert und deshalb auf Benziner umgestiegen sind. Doch es gibt bereits erste Meldungen, dass sich diese Skepsis legt und die Talfahrt bei den Verkäufen von Dieseln stagniert. Und Flottenbetreiber setzen nach wie vor auf Autos mit diesen Motoren. Der Diesel ist derzeit und sicher noch lange, für geschäftliche und private Vielfahrer einfach der wirtschaftlichste Antrieb. Im Vergleich zu den teuren und derzeit noch wenig alltagstauglichen E-Fahrzeugen sowieso.
Und würden viele Medien, die den Diesel aufs Schafott geschrieben haben jetzt auch mal die neue Entwicklung von Bosch (siehe Seite 36) anerkennen und diese ebenso auf die Titelseiten heben, wäre die derzeit bei vielen Autofahrern herrschende Skepsis gegenüber dem Diesel schnell verflogen. Zumal diese Motoren Fahrfreude pur versprechen und es zudem kaum vorstellbar ist, die voll im Trend liegenden SUV mit Ottomotoren zu bestücken. Denn zur Wahrheit gehört auch: Benziner weisen in Sachen CO2-Ausstoß eine schlechtere Bilanz auf als Diesel. Damit rücken die Klimaziele der Bundesregierung in noch weitere Ferne.
Bei vernünftiger Betrachtung ist und bleibt der Selbstzünder also ein Antrieb, der noch lange nicht vor dem Aus steht und nicht stehen darf. Dafür stecken die alternativen E-Antriebe noch viel zu sehr in den Kinderschuhen. Letztlich glaube ich: Selbst wenn die E-Antriebe, 48-V- und Hochvolthybride oder reine Benziner bei Kleinwagen sicher verstärkt kommen werden, in der Mittelklasse und darüber gewinnt der Diesel bald wieder Marktanteile.
Contra
Torsten Schmidt, Chefredakteur der KRAFTHAND
Talfahrt ohne Ende
Vor etwa einem Jahr habe ich in einem Pro & Contra über das Fehlverhalten hiesiger Fahrzeughersteller geschrieben: Die Abgesänge auf den Dieselmotor sind verfrüht. Trotz aller Verfehlungen sind die deutschen Autobauer sehr innovativ. Sie werden den Dieselmotor perfektionieren. Um es Abzukürzen: Ich war optimistisch, dass der Diesel sauber zu bekommen ist und vor allem, dass er wieder zu alter (Verkaufszahlen-)Stärke finden wird. Wie Bosch zeigt, lässt sich das Stickoxidproblem wohl tatsächlich lösen. Und das ohne höhere Kosten für die Abgasnachbehandlung.
Doch wird das den Diesel als Massenmotorisierung im Pkw retten ? Ich glaube nicht. Viel zu groß ist inzwischen die Verunsicherung bei den Autofahrern in Hinblick auf den Selbstzünder – trotz Verbrauchs- und Steuervorteilen beim Kraftstoff. Die stark gesunkenen Zulassungszahlen sprechen Bände und zeugen von dem Vertrauensverlust, den der Abgasschmu von Volkswagen hinterlassen hat. Zumal das Thema Fahrverbote lange nicht vom Tisch ist.
Doch es gibt noch einen anderen Grund für meinen schwindenden Optimismus: Der Hype um die E-Mobilität hat inzwischen solche Züge angenommen, dass kein Autobauer mehr umhin kommt, dieses Thema zur Chefsache zu machen. Im Grunde übertreffen sich die Hersteller in den Ankündigungen, wie viel neue E-Mobile in den nächsten Jahren kommen sollen. Getrieben ist diese Entwicklung nicht zuletzt durch den chinesischen Markt, der für die deutschen Premiumanbieter der wichtigste geworden ist und auf dem eine staatliche verordnete E-Quote zu erfüllen ist. Hinzu kommt, dass in Asien und Amerika der Diesel sowieso noch nie eine bedeutende Rolle gespielt hat.
Nimmt man all das zusammen, so glaube ich, dass der Diesel in eine Abwärtsspirale geraten ist, die diese Technologie für den Pkw uninteressant macht.