Werkzeugwagen
Werkstattpraxis 2025

Bei mitgebrachten Ersatzteilen gehen die Meinungen auseinander

Bild: Schmidt

Die Branche ist in Bewegung – und das nicht nur wegen der voranschreitenden Kfz-Technik, sondern vor allem im Zuge der Digitalisierung und des Onlinehandels von Ersatzteilen. Dieser bringt für Werkstätten drei teils kontroverse Aspekte mit sich. Erstens: Die Preistransparenz für Autofahrer nimmt zu. Zweitens: Kunden können Teile im Internet einkaufen und in die Werkstatt mitbringen. Und drittens haben natürlich auch Kfz-Profis selbst die Möglichkeit, Ersatzteile über Onlineplattformen zu beziehen.

Die Erfahrung vieler Kfz-Betriebe zeigt: Immer mehr Kunden bringen ihre Teile selbst mit, und zwar von Verkaufsplattformen im Internet. Die Werkstatt soll die Teile dann einbauen, lautet inzwischen der Wunsch vieler Kunden. Im Laufe der Zeit haben sich in den Betrieben drei Vorgehensweisen herausgebildet: Kunden wegschicken, Teile einbauen oder ein Mittelweg – nämlich höhere Stundenverrechnungssätze ansetzen.

Zwar sagen viele Werkstätten im Hinblick auf mitgebrachte Ersatzteile: Bauen wir nicht ein! Doch macht es wirklich Sinn, diesen stolzen Anspruch auf Dauer durchzuhalten? Denn es gibt erfahrungsgemäß immer Kollegen ein paar Kilometer weiter, die mitgebrachte Teile dann doch einbauen.

Einfache Teile wie Reifen, Bremsklötze, Öle, Filter oder Auspuffs kaufen viele Autofahrer nicht über die Werkstatt, sondern im Internet.

Wird dies künftig die Regel sein? Wahrscheinlich nicht. Denn nach heutigem Stand sieht es eher danach aus, dass die Kunden ihre Teile mehrheitlich bei einer Werkstatt vor Ort kaufen werden. Doch es wird wohl auch die Zahl derer zunehmen, die ihre eigenen Teile mitbringen. Dies gilt besonders in speziellen Segmenten – beispielsweise bei einfachen Teilen wie Reifen, Bremsklötze, Öle, Filter oder Auspuffs. Auch wenn ein Kauf nicht reibungslos funktioniert, beispielsweise bei Fehlbestellungen, können die entsprechenden Teile dann meist recht unkompliziert zurückgeschickt werden.

Preistransparenz

Wie entwickeln sich künftig die Margen in den Werkstätten beim Teileverkauf? Zumindest werden sie wohl nicht mehr steigen. Denn das Internet schafft Preis transparenz bei Ersatzteilen. Damit verbunden ist sicherlich auch ein Preisdruck, wenn die Kunden erst einmal auf einen erheblich günstigeren Preis im Internet verweisen. Plattformen wie Kfz-Teile 24 oder eBay halten sich stabil im Markt und expandieren. Zudem gibt es dort nicht nur – wie immer wieder behauptet wird – minderwertigen Schrott zu kaufen, sondern auch Markenteile von namhaften Zulieferern. Nach Beobachtung von Rolf Sudmann, Leiter Automotive Aftermarket bei ContiTech, informieren sich Werkstätten bei hochpreisigen Volumenteilen bereits heute regelmäßig vorab auf Onlineplattformen.

Anschlussgeschäfte

Es muss nicht nur Nachteile haben, wenn Kunden ihre Ersatzteile selbst mitbringen. Denn zu bedenken ist auch der Aspekt Anschlussgeschäfte. So kann der Kunde, wenn er schon einmal in der Werkstatt ist, auch von anderen Produkten und Dienstleistungen der Werkstatt überzeugt werden. Und es besteht immerhin die Möglichkeit, dass der Kunde seine Teile zu einem späteren Zeitpunkt wieder in der Werkstatt kauft. Und: Hat der Kunde beispielsweise mal ein falsches Teil bestellt und bringt es mit, kann der Werkstattmitarbeiter auch Überzeugungsarbeit leisten im Sinne von: Hättest Du das Teil doch bei mir in der Werkstatt gekauft, dann wäre das nicht passiert. Es wäre vielleicht ein paar Euro teurer gewesen, aber Dein Auto würde jetzt nicht stehen.

Geschäftsmodell überdenken

Wer mitgebrachte Teile verbaut, muss allerdings auch sein Geschäftsmodell überdenken und damit die Preisgestaltung – zum Beispiel einen höheren Stundenverrechnungssatz ansetzen. Denn die Mischkalkulation geht aufgrund der mitgebrachten Teile nicht mehr auf – zumindest nicht so, dass die Werkstatt damit eine ausreichende Marge erwirtschaften kann. Eine spannende Frage ist auch: Soll dem Kunden überhaupt mitgeteilt werden, dass ein höherer Stundenverrechnungssatz angesetzt wird? Besser ist es hierbei sicherlich, einen Pauschalpreis anzubieten, wenn der Kunde mit einem mitgebrachten Teil – beispielsweise einem Auspuff – in die Werkstatt kommt. Wichtig hierbei ist es für Werkstätten zudem, sich von der rechtlichen Seite her abzusichern, vor allem im Hinblick auf Garantie und Gewährleistung.

Das Internet schafft Preistransparenz bei Ersatzteilen.

Das Thema Internethandel hat zudem noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Auch die Werkstatt kann den Internethandel aktiv nutzen. Hierzu hat die Initiative Qualität ist Mehrwert, ein Zusammenschluss einiger Automobilzulieferer, im Jahr 2016 eine Umfrage gestartet, um nach den Gewohnheiten freier Kfz-Werkstätten bei der Onlinebestellung von Kfz-Ersatzteilen zu fragen. Es beteiligten sich 1.005 Betriebe. Die Umfrageergebnisse fasst Qualität ist Mehrwert in sieben Sätzen zusammen:

1. Auf die Leistungen und den Service ihres Großhändlers möchte kaum eine freie Werkstatt verzichten.

2. Fast jede freie Kfz-Werkstatt hat Onlineshops für Kfz-Teile schon einmal genutzt.

3. Mehr als die Hälfte der freien Kfz-Werkstätten nutzt Onlineshops für Autoteile regelmäßig.

4. Freie Kfz-Werkstätten nutzen Onlineshops überwiegend für Teile, die der Stammgroßhändler nicht liefern kann.

5. Der günstige Preis ist für Onlinebestellungen die größte Motivation.

6. Die Hälfte der Kfz-Werkstätten bestellt online ausschließlich Markenteile.

7. Freie Werkstätten vermissen im Onlinegeschäft Service und Kulanz.

Die Auswertung der Kfz-Werkstattumfrage lässt den Schluss zu, dass der Onlinehandel den Kfz-Ersatzteilemarkt weniger revolutioniert, sondern vielmehr erweitert. Der Onlinehandel wird zu einem großen Teil für spezielle Produkte genutzt, die renommierte Großhändler nicht anbieten. Der Onlinehandel scheint also einen Komplementärmarkt zu eröffnen. Selbstverständlich werden auch – vor allem des Preises wegen – Teile gekauft, die ebenfalls von Großhändlern angeboten werden. Hier vermissen Werkstätten dann allerdings den Service und die Kulanz des klassischen Großhändlers.

Die Treue zum klassischen Großhandel ist nach wie vor ungebrochen, weshalb sich dieser in einer vergleichsweise guten Position befindet. Um Käufer vom Onlinehandel zurückzugewinnen, sollten die Hebel im Bereich Verfügbarkeit sowie der Beschaffung von Spezial- und Gebrauchtteilen ansetzen. Ein großer Vorteil des klassischen Großhandels gegenüber dem Onlinehandel liegt beim Service und der Kulanz. Diese Stärke sollte an die Kfz-Werkstätten auch auf den Onlineplattformen und -shops der Großhändler transparent kommuniziert werden, rät Qualität ist Mehrwert .

KRAFTHAND hat darüber noch weitere Kfz-Meister und Inhaber von Betrieben gefragt: Woher beziehen Sie Ihre Teile? Und: Verbauen Sie Teile, die Kunden mitgebracht haben? Zum Video „hier“ klicken.