Seit Juli 2008 gilt das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Die damit verbundenen Hoffnungen auf mehr Rechtssicherheit im Kontext eines umfassenden Schadenmanagements wurden nur teilweise erfüllt. Nach wie vor soll primär der Rechtsanwalt die Abwicklung eines Unfalls ‚aktiv’ steuern. Der Spielraum für den Kfz-Profi ist begrenzt.
Der Anspruch war hoch – das neue Rechtsdienstleistungsgesetz sollte die verschiedenen Branchen untereinander verbinden, Rechtsanwälten und vor allem der Kfz-Branche mehr Freiraum für Kooperationen und eine Rechtsberatung außerhalb des Gerichtssaals einräumen. Dem ursprünglichen Anspruch wurde die beschlossene Fassung des RDG nicht gerecht – zu groß war die Lobbyarbeit, welche sich in den Ausschüssen und Lesungen des Gesetzes niederschlug.
Doch eine Revolution im Bereich der außergerichtlichen Rechtsberatung war ohnehin nicht das Ziel des Gesetzgebers. Dies kommt auch in den jeweiligen Regeln des RDG, insbesondere in § 1 Absatz 1 RDG zum Ausdruck. Der Endverbraucher soll in Rechtsangelegenheiten, die nicht vor Gericht geklärt werden, vor ‚unqualifizierten Rechtsdienstleistungen‘ geschützt werden. Ausnahmen von diesem Vorsatz sind nur in engen Grenzen möglich. Bisherige Zugeständnisse an die Praxis wurden in das Gesetz übernommen, wobei der Gesetzgeber dies so umständlich formuliert hat, dass inzwischen eine umfangreiche Judikatur zum neuen RDG existiert.
Die Abrechnung des Schadens als Nebenleistung
Der Kunde ist nach einem Schaden vor allem daran interessiert, möglichst schnell wieder seine Mobilität zu erlangen und vertraut in der Regel bei der Abrechnung mit der gegnerischen Versicherung auf den Sachverstand seiner Werkstatt. Nicht zu Unrecht, denn zahlreiche Kfz-Betriebe können sich auf eine weitreichende Erfahrung mit der Versicherungsbranche berufen. Dieser Tatsache konnte sich auch das RDG nicht verschließen.
Nach § 5 RDG sind derartige Serviceleistungen erlaubt, wenn sie als Nebenleistung das Berufs- oder Tätigkeitsbild einer Werkstatt abrunden. Nach der Rechtsprechung wird eine Tätigkeit dann als Nebenleistung qualifiziert, wenn sie keinen Schwerpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bildet. Dementsprechend können auch rechtsberatende Bestandteile zum Beruf gehören, sie dürfen allerdings die Tätigkeit des Kfz-Profis nicht ‚prägen’. Um das zu beurteilen, sind der „Inhalt, Umfang und der sachliche Zusammenhang mit der Haupttätigkeit“ (LG Koblenz, Az.: 4 HKO 140/08) ausschlaggebend. Gewisse Rechtskenntnisse werden inzwischen zweifellos als notwendig erachtet, um einen Schaden an einem Kundenfahrzeug auch rechtlich erfolgreich abwickeln zu können, notwendig sind sie für die Ausübung des Berufs des Kfz-Mechanikers oder Mechatronikers jedoch nicht (siehe dazu Burmann, Michael: Rechtsberatungsgesetz – Die Auswirkungen des RDG auf das Verkehrsrecht, Deutsches Autorecht [DAR] 2008, 373 f.)
Direkte Abwicklung mit der gegnerischen Versicherung
Folglich erlaubt in diesem engen Rahmen § 5 RDG dem Kfz-Profi, den Kunden nicht nur über die Modalitäten der Abwicklung aufzuklären, sondern auch die Korrespondenz mit der gegnerischen Versicherung vorzunehmen, sofern dies vom Kunden gewünscht ist. Die Abtretung der Ansprüche „erfüllungshalber“ soll dem Kfz-Profi ermöglichen, den Schaden ferner direkt mit der Versicherung abzuwickeln.
Der Vorteil gegenüber der alten Regelung liegt darin, dass mit der Vereinbarung ‚erfüllungshalber’ der Kfz-Profi immerhin die Wahl hat, die offenen Beträge beim Kunden einzufordern, sofern die gegnerische Versicherung die Zahlung verweigert. Mit der regulären Abtretung war dieser Schritt in der Vergangenheit nicht mehr möglich. Allerdings betrachten Teile der Rechtsprechung den neuen Entscheidungsspielraum kritisch. Bisher wird eine einheitliche Linie vermisst:
Einige Gerichte lehnen insbesondere die direkte Abrechnung der Mietwagenkosten mit der gegnerischen Versicherung ab. Das RDG biete dazu nicht die notwendige Grundlage (LG Stuttgart, Az.: 4 S 154/10; 4 S 278/10, 5 S 207/10; LG Saarbrücken, Az.: 7 O 222/09). Der BGH jedoch sieht in der direkten Abrechnung mit der gegnerischen Versicherung keine Probleme mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (Az.: VI ZR 143/11). Er ließe durchaus eine derartige – in der Praxis übliche – Verfahrensweise zu.
Weitere Spielräume und Grenzen
Neben der direkten Schadensabwicklung lässt das RDG ferner genügend Raum, Rechtsfragen allgemein in einem Kundenmagazin aufzubereiten. Daneben darf der Kfz-Profi mit dem Kunden allgemeine Rechtsfragen, die sich auf die Schadenabwicklung beziehen, klären. Darunter sind insbesondere solche zu fassen, die sich mit den Rechten des Geschädigten auseinandersetzen (beispielsweise mit der freien Wahl des Sachverständigen oder hinsichtlich des Anspruchs auf einen Mietwagen et cetera).
Die Grenze zur aktiven Werbung darf allerdings nicht überschritten werden. Auch wenn der Kfz-Profi faktisch als Service die Schadenabwicklung steuert, darf er damit nicht aktiv nach außen hin auftreten. Denn damit würde er den Rahmen, den die Nebentätigkeit zieht, verlassen und diese ins Zentrum seiner eigentlichen handwerklichen Tätigkeit rücken (LG Koblenz, Az.: 4 HKO 140/08). Anzeigen in Printmedien oder im Internet mit Aussagen wie „Schadenabwicklung mit allen Versicherungsgesellschaften“ (LG Aachen, Az.: 41 O 1/09) oder „komplette Schadenabwicklung“ können folglich von Mitbewerbern abgemahnt werden.
Aufklärung und Verantwortung
Wie schon erwähnt, darf der Kfz-Profi durchaus in gewissen Grenzen den Geschädigten beraten. Ihm gegenüber tritt der Kfz-Fachmann in der Regel als sachkundig und erfahren auf. Der Geschädigte kann sich deswegen – der Rechtsprechung zufolge – auf den Wahrheitsgehalt der getroffenen Aussagen verlassen. Folglich ist der Kfz-Profi auch im Zweifel für Schäden verantwortlich, die der Kunde aufgrund einer falschen Beratung erleidet. Für solche Fälle existiert für den Rechtsanwalt eine Berufshaftpflichtversicherung – ob die Betriebshaftpflicht des Kfz-Profis solche Beratungsschäden abdeckt, mag bezweifelt werden. Eine gerichtliche Entscheidung dazu liegt noch nicht vor.
Das RDG existiert nunmehr seit über vier Jahren. Die ursprünglichen Ziele, das aus dem Jahr 1935 stammende Rechtsberatungsgesetz durch einen modernen Normenkatalog abzulösen, der das „bürgerliche Engagement“ stärkt und damit zu einer „Deregulierung und Entbürokratisierung“ führt, wurden nicht erfüllt. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber Unklarheiten beseitigt und die im Entwurf noch angesprochenen Kooperationen zwischen den Kfz-Betrieben und den rechtsberatenden Berufen im Rahmen der Schadenabwicklung stärkt.