Automobilhandel: Neue Studie der Dekra / des Instituts für Automobilwirtschaft

Seit Jahren investieren Automobilhersteller und Automobilhändler zunehmend in die Steigerung der Kundenzufriedenheit. Ob sich die größeren Aufwendungen aber auch positiv in den Bilanzen niederschlagen, ist bei vielen Händlern aber umstritten.

Zahlt sich also eine höhere Kundenzufriedenheit im Automobilhandel tatsächlich aus? Oder droht der steigende Aufwand den erhofften Nutzen einer höheren Kundenzufriedenheit zu kompensieren? Mit diesem brisanten Thema befasst sich die neueste Dekra/IFA-Studie „Führt Kundenzufriedenheit zu einer höheren Profitabilität im Automobilhandel?“ Die Untersuchung wurde unter Leitung von Professor Dr. Willi Diez am Institut für Automobilwirtschaft (IFA) im Auftrag der Dekra Automobil GmbH erstellt.

Eine hohe Kundenzufriedenheit bietet mehrere positive Effekte: Zufriedene Kunden haben eine höhere "Preisbereitschaft", empfehlen einen Händler eher weiter und sind loyaler als unzufriedene Kunden. Gelingt es, Kunden langfristig zu binden, werden sie im Laufe der Zeit immer höherwertige Fahrzeuge kaufen (Up-Selling-Potenzial) und auch andere Leistungen in Anspruch nehmen (Cross-Selling-Potenzial). Hinzu kommen geringere Vertriebskosten, denn einen Neukunden zu gewinnen ist fünfmal teurer als einen Stammkunden zu halten.

"In einem weitgehend gesättigten Automobilmarkt mit rückläufiger Marken- und Händlerloyalität und hoher Preissensibilität der Kunden muss sich der Handel auf seine Bestandkunden besinnen. Neukunden sind schon aus demografischen Gründen Mangelware. Konzepten zur Sicherung und Steigerung der Kundenzufriedenheit kommt dabei eine große Bedeutung zu", sagt Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands der Dekra SE und Vorsitzender der Geschäftsführung der Dekra Automobil GmbH, bei der Vorstellung der Studie. "Hersteller und Händler dürfen dabei aber nicht den Ertrag aus den Augen verlieren."

Auf den ersten Blick hat der Handel seine Hausaufgaben in punkto Kundenzufriedenheit gemacht. Die Werte für die Kundenzufriedenheit im Neuwagengeschäft, Gebrauchtwagenhandel und im Service liegen seit Jahren konstant auf einem hohen Niveau, stellt die Studie fest. Dieses positive Bild kontrastiert jedoch auffällig mit der angespannten Ertragssituation im Automobilhandel. "Kundenzufriedenheit führt nicht automatisch zu einer höheren Profitabilität", warnt Professor Diez.

Gewinnoptimales Niveau der Zufriedenheit ermitteln
Ob eine höhere Kundenzufriedenheit tatsächlich zu einer höheren Rentabilität führt, hängt entscheidend davon ab, mit welchen Erlösschmälerungen (z.B. Rabatte) oder zusätzlichen Kosten (kostenloses Zubehör) das höhere Zufriedenheitsniveau erreicht wird. Auf hohem Niveau steigen diese Kosten unter Umständen überproportional an. Daher gibt es der Studie zufolge ein gewinnoptimales Niveau der Kundenzufriedenheit. Dieses zu ermitteln, ist der Schlüssel für eine ertragsorientierte Steuerung der Kundenzufriedenheit.

Dies bestätigt auch die Auswertung der Daten von 1.022 Vertragshändlern aller wichtigen Fabrikate: So führt eine zunehmende Kundenzufriedenheit nur zu ei-nem unterdurchschnittlichen Anstieg der Profitabilität. Außerdem nimmt der Profitabilitätszuwachs durch eine höhere Kundenzufriedenheit mit steigendem Kun-denzufriedenheitsniveau tendenziell ab. "Offensichtlich unterliegt auch die Steigerung der Kundenzufriedenheit dem "Gesetz des abnehmenden Grenznutzens", betont Professor Diez.

Erfolgreiche Händler favorisieren nicht-monetäre Faktoren
Eine Sonderauswertung aus dem Schwacke-MarkenMonitor ergab weiter, dass überdurchschnittlich profitable Händler (mit mehr als 1,5 Prozent Umsatzrendite) vor allem auf nicht-monetäre, beziehungsorientierte Faktoren bei der Steigerung der Kundenzufriedenheit setzen. Eine hohe Servicequalität rangiert als Quelle einer hohen Kundenzufriedenheit sehr weit oben. Im Ranking der Erfolgsfaktoren liegen die Freundlichkeit der Mitarbeiter, die kompetente Beratung und Betreuung und eine hohe Servicequalität ganz vorn. Alle drei Faktoren sind dienstleistungsorientiert und lassen sich vom Händler steuern.

Auch die maximal durchschnittlich profitablen Händler (bis 1,5 Prozent Umsatzrendite) sehen die große Bedeutung von nicht-monetären Instrumenten. Sie nutzen jedoch zusätzlich deutlich stärker Kundenincentives, die den Erlös schmälern und die Kosten erhöhen. Allerdings erreichen sie damit keine höhere Zufriedenheit als die überdurchschnittlich profitablen Händler, mindern aber ihre Ertragsquote.

"Es fällt auf, dass überdurchschnittlich profitable Händler sich die Zufriedenheit ihrer Kunden nicht ‚erkaufen‘ wollen“, heißt es in der Studie. Finanzielle Anreize für Käufer rangieren bei ihnen ganz klar am Ende der Wichtigkeitsskala, zum Beispiel kostenloses Zubehör beim Fahrzeugverkauf, hohe Rabatte beim Neuwagenkauf, Sonderangebote im Gebrauchtwagenverkauf sowie unentgeltliche Zusatzleistungen beim Service.

Schwachstellen im Zufriedenheits-Management
Auf Grundlage von Branchenanalysen und Experteninterviews arbeitet die 70-seitige Dekra/IFA-Studie verbreitete Schwachstellen im Zufriedenheits-Management von Automobilhändlern heraus. Neben dem Einsatz monetärer Instrumente zählen dazu der Verzicht auf ein Händlereigenes Monitoring zur Kundenzufriedenheit, insbesondere mit eigenen Befragungen, eigenem Mystery Shopping sowie eigeninitiierten Werkstatttests, und das Fehlen einer eigenen Zufriedenheitsstrategie. Viele Händler vernachlässigen zudem die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und lassen es an einer wirklich kundenorientierten Unternehmenskultur fehlen.

Daraus leiten sich Empfehlungen für eine ertragsorientierte Steuerung der Kundenzufriedenheit ab. Händler sollten eine ganzheitliche Zufriedenheitsstrategie implementieren, eigene Kundenzufriedenheitsanalysen durchführen und zur Steigerung der Kundenzufriedenheit vor allem nicht-monetäre Instrumente einsetzen. Weiter gilt es, die Mitarbeiterzufriedenheit systematisch zu steuern und eine kundenorientierte Unternehmenskultur aufbauen. Um erfolgreich zu sein, muss Kundenzufriedenheit weiter zu einer hohen Kundenbindung führen. Dies erfordert zusätzliche bindungswirksame Instrumente, wie Kundenkontaktprogramme, Call Center, Kundenclubs sowie Internet / Social Media und, mit höherer Verbindlichkeit, Flat Rates, Bonusprogramme, Reifeneinlagerung sowie Finanzierung und Leasing.

Von den Erfolgreichen lernen
Anhand von Experteninterviews zeigt die Dekra/IFA-Studie auch auf, wie die Erfolgreichen mit dem Thema Kundenzufriedenheit umgehen. Fast alle befragten Autohäuser führen neben dem Herstellermonitoring zeitnah zu Kundenkontakten auch eigene Messungen der Kundenzufriedenheit durch. Ebenso selbstverständlich ist das eigeninitiierte Mystery Shopping sowie Werkstatttests. Zudem kommunizieren die Unternehmen die Ergebnisse von Zufriedenheitsanalysen ihren Mitarbeitern und leiten daraus Coachings ab. Weiter beeinflusst die Kundenzufriedenheit die Vergütung der Verkaufsberater. Auch setzen die meisten befragten Autohäuser unabhängig vom Hersteller ein zusätzliches CRM-System (CRM = Customer-Relationship-Management, dt. Kundenbeziehungsmanagement) ein und kontaktieren ihre Kunden persönlich oder telefonisch zwei- bis viermal im Jahr, schriftlich bis zu achtmal im Jahr.

Eine erfolgsorientierte Steuerung der Kundenzufriedenheit setzt nach Ansicht der Autoren auch die Unterstützung der Händler durch die Hersteller voraus. Der Hersteller beeinflusst die Kundenzufriedenheit seinerseits durch Produktqualität, Lieferzeit und Liefertreue sowie die Garantie- und Kulanzabwicklung. Daher bedarf es partnerschaftlicher Ansätze zur ganzheitlichen Optimierung der Kundenzufriedenheit. Als originäre Handlungsfelder für die Hersteller nennt die Studie, eine hohe Produkt- und Preiszufriedenheit, kundenorientierte Regelungen von Garantie- und Kulanzfällen und die Unterstützung der Händler durch praxistaugliche CRM-Systeme.

Alternativen zu Neuwagenrabatten
Zur häufig diskutierten Frage der Höhe der Neuwagenrabatte stellen die Autoren fest, dass Autokäufer mit Nachlässen über 10 Prozent nur wenig zufriedener sind als Kunden, die unter 10 Prozent erhalten. Auch bei einem geringeren Nachlassniveau lassen sich durch ein hohes Leistungsniveau bei Beratung, Probefahrt und Fahrzeugübergabe hohe Zufriedenheitswerte erzielen. Kunden bewerten andere Formen der Incentivierung ähnlich positiv wie Barrabatte. Leistungen wie Verlängerung der Neuwagengarantie, Mobilitätsgarantie oder Hol- und Bringdienst eröffnen den Herstellern wie Händlern Spielräume, um Rabatte zu reduzieren, ohne die Kundenzufriedenheit zu gefährden.

Die Dekra/IFA Studie kann zum Preis von 89,00 Euro bezogen werden bei Barbara-Jutta Conzelmann, Dekra Automobil GmbH, Tel.: 07 11.78 61-24 14, e-Mail: barbara-jutta.conzelmann@dekra.com.