Digitalisierung im Pkw-Handel

Autokauf in einer Erlebniswelt

Schöne neue Autowelt: Die Hauptbühne im neuen Verkaufsraum ist dieser Riesenbildschirm, der sich aus acht einzelnen Scheiben in einer Gesamtgröße von 4,80 × 2,40 Metern zusammensetzt. Bilder: Thiele

Der Mercedes-Händler hat knapp fünf Millionen Euro in eine neue Verkaufs- und Ausstellungsfläche am Standort Fellbach nach dem vom Hersteller vorgegebenen MAR2020-Konzept investiert. Der Großteil des Tagesgeschäfts läuft seither papierlos per Knopfdruck – in der Werkstatt sowieso.

Wenn Verkaufsleiter Alfonso Torchia seine Kunden in der großzügigen neuen Ausstellungs- und Verkaufshalle in Empfang nimmt, hat er stets sein Laptop unterm Arm. Die schwarze Scheibe dient ihm in Beratungsgesprächen allerdings in erster Linie als Schnittstelle zur sogenannten Mainstage, der Hauptbühne. Diese prangt an der Wand und umfasst als XXL-Bildschirm acht Flächen à 55 Zoll im Format 16:9 mit einer Gesamtgröße von 4,80 × 2,40 Metern.

Dorthin projiziert Torchia das Wunschauto seiner Kundschaft per Knopfdruck, in 360-Grad-Optik, wahlweise der Marken Maybach, AMG oder Mercedes. „Autokauf heute und vor allem morgen geht in eine neue Dimension“, sagen seine Chefs Dietrich Kloz und Dieter Schlatterer, Geschäftsführer der Autohausgruppe Kloz, zu der unter anderem drei weitere, sternförmig um Stuttgart verteilte Verkaufsstandorte gehören. Aus dieser Überzeugung heraus haben sie sich für den Fünf-Millionen-Invest in Fellbach entschieden.

Junge Sterne auf 2.500 qm

Das bestehende Gebäude nach den Vorgaben von Mercedes anzupassen, habe – schon aufgrund der niedrigen Deckenhöhe – keinen Sinn gemacht. „Dann lieber aus einem Guss und nach den neuesten Erkenntnissen mit Zukunftsperspektive“, so das Credo. Der Neubau im vom Hersteller international vorgegebenen Design, dem sogenannten Marken Architektur Retail (MAR 2020), ist 50 Meter lang, 20 Meter breit und acht Meter hoch. Insgesamt misst das Verkaufshaus samt Empore 1.300 Quadratmeter, wovon 600 Quadratmeter Ausstellungs- und Verkaufsfläche sind. Seit dem Umbau nutzt Kloz außerdem das Untergeschoss der an den Neubau angrenzenden Parkgarage, um die „Jungen Sterne“, also Gebraucht- und Jahreswagen, auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern stets wettergeschützt zu präsentieren. Dazu kommt eine Freifläche für Gebrauchtwagen mit circa 500 Quadratmetern.

Selbstverständlich muss der Kunde am Ende in einem Wagen Platz nehmen, um das Auto zu fühlen. Aber von der digitalen Beratung sind alle beeindruckt.

Die virtuelle Welt hält im Vergleich dazu freilich eine fast unendliche Zahl an Ausstattungsvarianten bereit. Zugegeben, sagt Kloz, informieren sich heutzutage viele seiner Kunden vorab selbst im Internet und kommen gut vorbereitet ins Autohaus. Doch inklusive der Beratung durch sein Verkaufsteam, die großformatigen Detail- und Bewegtbilder plus den Vorführwagen im Ausstellungsraum kämen die Kunden in Fellbach in den Genuss einer ganzheitlichen Erlebniswelt: „Selbstverständlich muss der Kunde am Ende in einem Wagen Platz nehmen, um das Auto zu fühlen. Aber von der digitalen Beratung sind alle beeindruckt.“ So komme das Beste aus zwei Welten zusammen.

Es fehlen noch Schnittstellen

Während alle Mitarbeiter die neue Technik laut Kloz „sofort akzeptiert“ haben, räumt er offen ein: „Die Programmwelt läuft technisch noch nicht so, wie wir uns das wünschen.“ Soll heißen, je nachdem, wo das Kundengespräch stattfindet – ob auf der Mainstage oder in einer der ebenfalls mit Bildschirmen ausgestatteten und separierten Verkaufslounges –, müssen die vier Verkäufer momentan noch zwischen Tablet und Laptop hin- und herswitchen. Die notwendigen Schnittstellen sollen aber schnellstmöglich installiert werden. „Hier gibt es noch wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten. Wir sind aber schon jetzt heilfroh, keine 17 Unterschriften mehr von den Kunden einholen zu müssen. Das spart uns allen viel Zeit ein“.

Die Netzanbindung bezeichnen die Geschäftsführer für den Standort zwar schon als sehr gut, doch mit dem geplanten Glasfaserkabel sollen in naher Zukunft noch höhere Übertragungsraten und eine noch schnellere Internetverbindung möglich werden. Das dürfte auch der geplanten vierten E-Ladesäule zuträglich sein.

Ein gewisses Verständnis haben die Chefs von insgesamt 243 Mitarbeitern an allen Niederlassungen auch dafür, dass es nach wie vor Kunden gibt, die nach Prospekten zum Mitnehmen fragen. Doch die Fahrzeugtechnik verändere sich zu rasant, als dass es gelingen könnte, mit gedruckten Prospekten auch nur annähernd stets den neuesten Stand der Technik abzubilden. Auch betriebswirtschaftlich rechne sich das nicht. Deshalb gehören bei der Autohausgruppe Hochglanzprospekte der Vergangenheit an.

Der Werkstattbereich gliedert sich im Zuge von MAR2020 nahtlos an den Servicebereich im Bestandsgebäude an. Ein neuer Tresen bildet den Empfang zur Dialogannahme. Dahinter fällt der Blick durch die riesige Glasscheibe direkt auf eine von mehr als 15 Hebebühnen des Betriebs. Direkt daneben das gläserne Büro des Werkstattmeisters, der wahlweise das Geschehen in der Werkstatt oder das der Back-Office-Kollegen im Blick hat. Das CI-Konzept, das alle Mercedes-Vertragspartner übrigens bis spätestens 2025 umsetzen müssen, zieht sich bei Kloz durch bis zu den Schreibtischen des Pkw-Serviceleiters und seiner Mitarbeiter.

Die insgesamt 42-köpfige Mannschaft (28 Pkw, 14 Lkw) in Fellbach arbeitet bereits seit eineinhalb  Jahren mit Tablets im Tagesgeschäft. So läuft schon die Fahrzeugannahme weitestgehend digital. „Wir nutzen mobile Endgeräte, um den Kunden unsere Produkte und Dienstleistungen der Werkstatt noch anschaulicher zu erklären“, sagt Pkw-Serviceleiter Eberhard Renz. Wenn nötig machen die Serviceberater Fotos vom Auto und die Kunden können direkt auf dem Tablet unterschreiben. Von dort geht der Auftrag papierlos per Knopfdruck ins Backoffice, wo der Auftrag erstellt und die benötigten Reparaturteile geordert werden. „Für unsere Kunden, aber auch für uns bedeutet das Zeitersparnis“, sagt die Mannschaft. Abgesehen von diesem voll digitalisierten Annahmeprozess laufen in Fellbach beispielsweise alle Bremsenprüfstände vollautomatisch, Fahrzeugupdates steuern die Kfz-Profis über die entsprechenden Diagnosegeräte.

Vernetzte Werkstatt

„Fahrzeuge, die unterwegs sind, lassen sich mittlerweile über Satellit auslesen“, erklärt Renz. Das Auto meldet sich sowohl beim Fahrer als auch bei der ausgesuchten betreuenden Werkstatt, sobald Teile aufgrund von Verschleiß erneuert werden müssen oder eine turnusgemäße Wartung ansteht. Vernetzung mit dem Handy des Autofahrers erlaubt auch, den Kilometer- oder Kraftstoffstand, den Standpunkt oder bei E-Autos den Ladezustand abzufragen. Außerdem kann per Mobiltelefon beispielsweise die Klimaanlage zum Wunschtermin eingeschaltet werden. Diese Technik ist in Markenwerkstätten state of the art.

Was kann da überhaupt noch kommen? Einen Vorgeschmack darauf hat Dietrich Kloz kürzlich bei einem Berlin-Besuch bekommen: „In Großbetrieben werden Fahrzeuge bei Einfahrt in die Werkstatt komplett gescannt. Das ist der Menge an Kunden geschuldet und dort sicher sinnvoll.“ Diesen Schritt kann das Fellbacher Autohaus aber schon aus räumlichen Gründen nicht gehen. Und, da ist sich der 78-Jährige, der seit seinem 30. Lebensjahr den Betrieb leitet, sicher: Gerade seine Kundschaft und die vieler Betriebe in eher ländlichen Regionen suchten nach wie vor das persönliche Gespräch. Immerhin wünschten in seinem Haus 40 Prozent der Autofahrer eine begleitete Dialogannahme samt Rundgang um ihr Fahrzeug. Kloz’ Fazit: „Für unser Geschäft – sowohl im Service als auch im Verkauf – ist und bleibt die persönliche und auch die emotionale Note nach wie vor wichtig. Zusätzlich haben wir jetzt die Weichen für eine erfolgreiche digitale Zukunft gestellt.“

Steckbrief

Autohausgruppe Kloz

    • Gründung: 1948
    • Mercedes-Benz-Vertragspartner für Pkw und Nfz: seit 1956
    • Drei Verkaufs- und Servicestandorte: Fellbach, Korntal, Stuttgart
    • Zwei Standorte mit Karosserie- und Lackbetrieb: Fellbach, S-Weilimdorf
    • Vier Standorte ADAC-Abschleppdienste: Fellbach, Backnang, Plüderhausen, S-Weilimdorf
    • Mitarbeiter (gesamt): 243