Es passiert in Deutschland täglich tausendfach: Bevor ein Auto gekauft wird, will es der Interessent Probe fahren. Doch was passiert eigentlich, wenn sich der Kaufinteressent als Trickdieb herausstellt und die Probefahrt dazu nutzt, mit dem Fahrzeug zu verschwinden und es wenig später an einen gutgläubigen Dritten verkauft? Der Bundesgerichtshof hat dazu jetzt ein Urteil gefällt. KRAFTHAND hat mit Rechtsanwältin Regine Holtermann-Bendig über das Urteil und die Konsequenzen für Autohäuser gesprochen.
Der Fall (ab Minute 1)
Ein Autohaus hat einem vermeintlichen Kunden eine unbegleitete Probefahrt für einen Mercedes-Benz V 220 d mit sämtlichen notwendigen Papieren gewährt. Als das Auto nicht zurückgebracht wurde, meldete das Autohaus den Wagen als gestohlen. Tatsächlich wurde das Auto einige Wochen später über ein Internetportal zum Verkauf angeboten und verkauft. Die Interessentin erkannte die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht und schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Erst als die Käuferin das Auto zulassen wollte, flog der Schwindel auf, weil das Auto als gestohlen gemeldet worden war. Das Autohaus reichte Klage ein.
Das Urteil (ab Minute 2:30)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu entschieden, dass ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde, dem Eigentümer nicht abhandengekommen ist. Vielmehr ist der BGH der Auffassung, dass das Autohaus den Mercedes freiwillig an den Kaufinteressenten herausgegeben hat. Die Folge: Das während der Probefahrt unterschlagene Kfz konnte gutgläubig von einem Dritten erworben werden.
Was ist die Konsequenz aus dem Urteil für Autohäuser? (ab Minute 2:55)
Konsequenz der Entscheidung ist, dass das Autohaus sein Eigentum an dem Fahrzeug verliert, wenn es nachfolgend durch einen Dritten in gutem Glauben erworben worden ist. Das trifft laut BGH in diesem Fall zu.
Wie ist der Betrug gelungen? (ab Minute 3:20)
Der italienische Kaufinteressent legte hochwertige Fälschungen des Personalausweises, einer Meldebestätigung und eines Führerscheins vor. Auf diese Weise erreichte er, dass ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt wurden.
Sind Sicherheitsvorkehrungen für Autohäuser ratsam? (ab Minute 4:00)
Da hochwertige Fälschungen oft nicht ohne Weiteres erkennbar sind, sollten sich Autohäuser überlegen, ob sie nicht andere Sicherheiten bzw. ein Pfand einbehalten, bis das zur Probefahrt ausgegebene Auto wieder zurückgebracht wurde.
Welche Art von Pfand ist vorstellbar? (ab Minute 4:56)
eventuell ein Geldbetrag/eine Kaution, sofern praktisch umsetzbar
Welche Lehren sollten Autohäuser in Sachen Probefahrt ziehen? (ab Minute 5:24)
Die höchsten deutschen Richter haben sich nicht dazu geäußert, welche Sicherungsvorkehrungen Autohäuser oder auch private Autoverkäufer treffen müssen, um den Besitz an dem Fahrzeug während der Probefahrt nicht zu verlieren. Rechtsanwältin Holtermann-Bendig sagt: Auch, wenn es Autohäuser personell vor eine Herausforderung stellt, sollten Probefahrten nur in Begleitung eines Autohausmitarbeiters angeboten werden, um den gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten gar nicht erst zu ermöglichen. In Zeiten von Corona sollten bei der Probefahrt alle Beteiligten eine Maske tragen.
Fazit für private Autokäufer (ab Minute 6:45)
Autokäufer sind Laien, die nicht ohne Weiteres erkennen können, ob Dokumente gefälscht sind oder nicht. Deshalb sollten private Autokäufer bei einem anonymen Autokauf im Internet ebenfalls Vorsicht walten lassen.