Lohnen sich Auto-Abos für Autohändler und müssen sich Rahmenbedingungen ändern, um diese salonfähig zu machen? Um diese Fragen zu beantworten, hat KRAFTHAND einen Autohändler und den Chef einer Auto-Abo-Plattform zusammengebracht. Dabei kam es zu einem lebhaften Diskurs mit durchaus konträren Meinungen zu Konditionen, Rentabilität und Chancen.
Die Redaktion diskutierte bereits vor der Coronakrise mit Mathias R. Albert, Gründer und Geschäftsführer der Auto-Abo-Plattform Vive la Car, und Christian Sardelic, Neu- und Gebrauchtwagenverkäufer beim Renault-Autohaus Mayer in Mindelheim (Unterallgäu). Hier die interessantesten Auszüge aus einer lebhaften Debatte.
KRAFTHAND: Herr Albert, bevor wir zum Eingemachten kommen, Sie sagen, Auto-Abos sind nicht für jeden interessant und natürlich sollen Autohändler, wenn sie können, Autos lieber verkaufen als über ein Abo in den Verkehr bringen.
Albert: Meiner Meinung nach kommt jeder und auch jede Firma irgendwann in die Situation, kurzfristig ein bestimmtes Auto zu brauchen. Sei es, weil etwa ein Arbeitnehmer Anrecht auf einen Dienstwagen hat, sein Arbeitgeber jedoch die Probezeit erst abwarten will. Oder weil ein Privatkunde keinen Finanzierungskredit bekommt. Oder, weil Kinder auf die Welt gekommen sind oder weil jemand für einen bestimmten Zeitraum weite Strecken fahren muss. Deshalb und weil ein Auto nach Wohneigentum in der Regel immer noch die zweitteuerste Anschaffung ist, haben Auto-Abos Zukunft. Klar ist aber auch, wenn ein Händler ein Auto verkaufen kann, dann weg damit.
„Für das Auto-Abo eignen sich vor allem Fahrzeuge, die schon länger auf dem Hof stehen oder bei denen man weiß, die werden sich schwer verkaufen – etwa wegen ungünstiger Ausstattung oder Farbe.“Mathias R. Albert
KRAFTHAND: Welche Autos sollen dann ins Abo?
Albert: Fahrzeuge, die schon länger auf dem Hof stehen oder bei denen man weiß, die werden sich schwer verkaufen – etwa wegen ungünstiger Ausstattung oder Farbe. Aber auch dann, wenn der zu erwartende Verkaufspreis unter dem Einkaufspreis liegen dürfte. Wenn Sie 50 Autos auf dem Hof haben, nehmen Sie fünf davon für ein Abonnement (sagt er Richtung Sardelic).
In diesem Zusammenhang erklärte Albert, wie seine Plattform im Detail funktioniert und Kunden für die Reservierung eines Abos pauschal einmalig brutto 279 Euro zahlen müssen. Die bekommt dann der Händler für die Fahrzeugaufbereitung und Übergabe – neben den Erlösen aus den monatlichen Abopreisen. An dieser Stelle schaltet sich der Renault-Autoverkäufer Sardelic ein, der bis dato interessiert zuhörte und das Thema Auto-Abo – wie er im Vorgespräch durchblicken ließ – zwar mit Neugier, jedoch auch gesunder Skepsis betrachtet.
Sardelic: Und was kostet es mich, Fahrzeuge auf Vive la Car zum Abo anzubieten und gibt es versteckte Kosten?
Albert: Zur Zeit ist für Händler die Teilnahme kostenlos.
Albert deutet aber auch an, dass für die Zukunft eine Jahresgebühr von 369 Euro geplant sei. Als Gegenwert bekämen die Händler dann beispielsweise lokale Google-Werbung mit dem Ziel, ihm möglichst viele Endkunden zuzuführen. Lokale Pressearbeit und weiteres Onlinemarketing gäbe es noch obendrauf.
Albert: Ein Händler profitiert von einer 100 Prozent gratis Refinanzierung, drei Prozent Vergütung auf den Fahrzeugwert zuzüglich zum Wertverlust und von entfallenden Standkosten.
Sardelic: Das ist mir zu abstrakt. Das muss ich mir an einem konkreten Beispiel verbildlichen.
An mehreren Beispielrechnungen entspann sich nun ein lebhafter Schlagabtausch. Zugrunde gelegt wurde ein Auto-Abo Paket M mit einem monatlichen Fixpreis von 305 Euro und einem monatlichen Kilometerpaket von 1.250 Kilometern/Monat sowie einer Abolaufzeit von sieben Monaten. Als Fahrzeug wurde ein Renault Twingo limited mit Erstzulassung 6/2018 und 10.000 Kilometer Laufleistung gewählt. Dazu muss man wissen: Auf Vive la Car können auch Gebrauchtwagen mit einem Alter von bis zu zwei Jahren als Aboangebot eingestellt werden. Außerdem erklärt Albert auf Nachfrage von KRAFTHAND, dass nach der Erfahrung aus den ersten Monaten über 70 Prozent der Kunden das Abo durchschnittlich sieben Monate nutzten. „Unsere Idee geht aber eher in Richtung zwölf, 13 oder 14 Monate“, sagt er.
„Wenn ich ein Auto in ein Abo schiebe, was ist dann mit den Prämien der Hersteller auf Vorführer? Diese Prozentpunkte entgehen mir.“ Christian Sardelic
Ein diskutiertes Abobeispiel
Rechnung: Bei einem Auto im Wert von 10.000 Euro steht der Nettopreis 8.400 Euro in den Büchern. Diesen Wert multipliziert Albert mit 16 Prozent (Wertverlustersatz). Das ergibt 1.344 Euro. Zu diesem Betrag bekommt der Händler noch eine Gutschrift über die vom Abokunden zu zahlende Abschlussgebühr (234 Euro netto). Ergebnis: 1.578 Euro. Diese Summe zieht Albert vom Fahrzeugnettowert ab: 8.400 – 1.578 = 6.822 Euro. Die Zinskosten werden zusätzlich erstattet.
Albert: Dann steht in Ihren Büchern nach Ablauf der Abozeit ein bis auf 6.822 Euro getilgter Nettobetrag mal 19 Prozent Umsatzsteuer ergibt 8.118 Euro. Wenn Sie davon ausgehen, dass Sie den Twingo für 8.900 Euro ausschreiben und ihn für 8.500 Euro verkaufen, hätten Sie knapp 400 Euro verdient, wo Sie vorher nichts hatten. Und zudem haben Sie während der Abolaufzeit einen digitalen Neukunden gewonnen und keinerlei Kosten mit dem Fahrzeug. Denn wie gesagt, für Abos sollten Autos in Einsatz kommen, die schlecht gehen beziehungsweise bei denen aufgrund der Marktsituation nichts verdient ist.
Sardelic (zeigt sich wenig überzeugt): Aber ich muss das Auto auch wieder aufbereiten. Außerdem habe ich bei einem Neuwagen eine Werksgarantie. Nach dem Abo aber steht mir das Auto vielleicht eineinhalb Jahre auf dem Hof und ich weiß nicht, wann ich das Auto aktiv verkaufen kann und ob ich noch 8.500 Euro dafür bekomme. Ich habe das Verkaufsrisiko, das ich anfangs mit einem Neuwagen hatte, nach dem abgelaufenen Abo genauso wieder. Außerdem: Ein Auto nur sieben Monate lang vom Hof zu haben, ist mir zu wenig. Dann kann ich auch alles selber machen, ohne Abo! Ganz abgesehen davon, dass eventuell noch kleine Schäden zu beheben sind.
Albert (räumt ein): Natürlich kommt es aufs genaue Rechnen an. Bei einem Neuwagen als Tageszulassung ist es aber sehr oft eine gute Alternative zu einem schnellen Verkauf womöglich mit Verlust. Aber zugegeben, bei kleinen Autos bleibt sicher nicht so viel übrig. Allerdings potenziert sich der Ertrag bei teureren Autos. Statt 400 Euro geht es dann schnell in Richtung 1.300 Euro Ertrag und mehr.
KRAFTHAND: Und wovon lebt Vive la Car?
Albert: Von einer geringen Marge. Letztlich machen wir es über die Masse.
Sardelic (hat bezüglich der teureren Autos ebenfalls Zweifel): Denke ich an höherpreisige Renault-Modelle, etwa den Espace oder den Talisman, dann hätte ich große Bauchschmerzen, dass der Wertverlust zu hoch ist. Das scheint unkalkulierbar. Deshalb sehe ich das Abomodell eher geeignet für kleine günstige Autos wie den Renault Twingo.
Dagegen führt Albert gleich mehrere Argumente ins Feld und gibt Grundsätzliches zum Abomodell zu bedenken. So rät er einerseits, ein Auto mehrmals im Abo anzubieten und andererseits müsse man auch sehen, dass ein Abo einem Autohaus neue Kunden zuführe, die man sonst nicht erreicht hätte. Zudem verweist er erneut darauf, dass viele Fahrzeuge quasi ohne Erlöse verkauft würden. Und er wiederholt, dass das Abo den Verkauf ja nicht ersetzen solle. Autos, die sich gut und vergleichsweise schnell verkaufen ließen, würde man natürlich nicht in ein Abo geben, sagt er klar. Aber es ist eben auch ein sehr einfacher Umstieg zur Elektromobilität. Die Hürde ist gering und gerade in Zeiten großer Verunsicherung kann man Endkunden überzeugen, etwas Neues auszuprobieren. Damit gewinnt man völlig neue Kunden.
Sardelic (bringt einen weiteren Aspekt ein): Wenn ich ein Auto in ein Abo schiebe, was ist dann zum Beispiel mit den Prämien der Hersteller auf Vorführer? Diese Prozentpunkte entgehen mir dann.
Albert: Das ist bedingt richtig. Aber ja, leider sind die Prämiensysteme der Hersteller noch nicht so ausgestaltet, dass sie Abomodelle berücksichtigen.
Albert ist in diesem Zusammenhang aber optimistisch, hier etwas bewegen zu können durch Gespräche mit den OEMs oder dass diese in absehbarer Zeit selbst auf die Idee kämen, hier nachzubessern. Auf die Frage von KRAFTHAND, ob er die Gefahr sehe, dass OEMs – etwa wie Volvo schon heute – selbst Abos anbieten und damit Vive la Car Konkurrenz machen könnten, zeigt er sich gelassen. Er meint, eine Plattform wie seine, auf der diverse Marken vertreten sind und nicht nur Autos eines Herstellers, ist für Autofahrer deutlich interessanter.
KRAFTHAND: Herr Sardelic, wir haben jetzt eine Menge gehört und einiges durchgerechnet, wie lautet Ihr Fazit?
Sardelic: Insgesamt ist alles sehr knapp kalkuliert. Ich sehe die Plattform eher als Marketingmöglichkeit denn als zusätzliche Verdienstquelle. Aus diesem Grund ist es durchaus eine Überlegung wert, das neue Mobilitätsmodell mit ein paar Fahrzeugen auszuprobieren.
Albert: Bedenken Sie auch, dass sich das Abomodell lohnen kann, um bei manchen Modellen den Verkaufsdruck herauszunehmen. Abo ist einfach ein vierter Weg, neben Verkauf, Leasing und Finanzierung.
Sardelic (nickt an dieser Stelle): Stimmt, es gibt manchmal tatsächlich eine Lücke zwischen Leasing und Verkauf, wo ein Abo geeignet wäre und auch der Restwert passt. Insgesamt hängt es meiner Meinung nach entscheidend von der Margen- und Prämienpolitik der OEMs ab, ob das Abo für den Handel im größeren Umfang attraktiv wird.
Herr Albert und Herr Sardelic, vielen Dank.
Das Gespräch führten Torsten Schmidt und Kerstin Thiele.