Auf Einkaufstour

Olaf Henning, Geschäftsführer Mahle Aftermarket: Am Ende werden die Marktanteile zwischen OEMs und IAM irgendwo in der Mitte liege . Bild: Mahle

Warum Mahle die Konzernfamilie immer weiter ausbaut und wohin die Zukunft des freien Markts steuert, darüber hat sich KRAFTHAND mit Olaf Henning, Mitglied der Mahle-Konzernleitung und Leiter des Geschäftsbereichs Aftermarket, unterhalten.

Ebenso wie sich Mahle im OE-Sektor durch Zukäufe breiter aufgestellt hat und damit längst nicht mehr nur Zulieferer für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ist, gehen die Stuttgarter diesen Weg auch in ihrer Aftermarket- Sparte. Auffällig ist hier, dass die Erweiterung des Portfolios nicht nur im Teile bereich, sondern auch bei der Werk stattausrüstung vorangetrieben wird.

Herr Henning, sind diese Erweiterungen eine Vorbereitung darauf, dass der Verbrennungsmotor mittel- und langfristig an Bedeutung verliert und somit MAHLE mit seinen ursprünglichen Geschäftsfeldern Motorenteile und Filter irgendwann nicht die Umsätze erreichen kann, wie gewünscht – zumal die Motorinstandsetzung im Pkw-Bereich schon an Relevanz verloren hat?

Wir bei Mahle sind davon überzeugt, dass der Verbrennungsmotor noch lange ein prägender Antrieb bleiben wird. Darum arbeiten wir auch weiter intensiv an neuen Lösungen, um diese Motoren effizienter und emissionsärmer zu machen. Wir sehen hier immer noch ein großes Wachstumspotenzial.

Zu Ihrer Frage: Es ist in der Tat so, wie Sie sagen. Zwar finden noch punktuell Instandsetzungen von Pkw-Motoren statt – es gibt beispielsweise immer mal wieder eine Kette, die nicht funktioniert –, jedoch werden heute bei Pkw die Motoren in der Regel nur noch komplett getauscht. Somit befindet sich die Motorinstandsetzung schon seit Jahren auf einem geringen Niveau, allerdings wächst die Instandsetzung von Oldtimern. Deshalb haben wir dafür einen eigenen Bereich gegründet, nicht nur für Motorkomponenten, sondern für alle Produkte, die wir anbieten – unsere Classic Line.

Im Segment der Filtration wachsen wir. Nicht zuletzt, weil die Ansprüche an Innenraumfilter, aber auch an Öl- und Kraftstofffilter immer weiter steigen. Das Geschäft mit Filtern für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor wird noch lange erhalten bleiben…

… was aber nicht immer so sein wird?

Unsere Prognosen besagen, dass der Verbrenner bis 2030 dominant bleibt. Bedenkt man dann noch, wie lange Fahrzeuge im Bestand sind, dauert es sicher noch bis 2040 oder 2050, bis der Verbrennungsmotor im Service und Ersatzteilmarkt an Bedeutung verliert.

Und Mahle bereitet sich heute schon darauf vor?

Ja. Das beste Beispiel dafür ist, dass wir uns intensiv mit der Elektrifizierung von Nebenaggregaten beschäftigen. Der Trend hin zur Hybridisierung ist für uns eine durchaus positive Entwicklung. Jedoch ist unverkennbar, dass die Zukunft den rein elektrischen Antrieben gehört – auch hier wollen wir ein Treiber sein. Dieser Wandel wird sich allerdings nicht über Nacht vollziehen, zumal es noch viele strukturelle und technische Fragen gibt, zum Beispiel bezüglich der Ladeinfrastruktur. Darüber hinaus entwickeln wir uns bei Mahle Aftermarket schon seit einigen Jahren zum Lösungsanbieter für Werkstätten und stellen uns hier strategisch entsprechend auf. Mit der Übernahme von RTI Technologies und der Mehrheitsanteile an Brain Bee treiben wir dies weiter voran.

Vor 2040 oder gar 2050 wird der Verbrenner seine Bedeutung im  Servicesektor nicht verlieren.

Ändert sich dadurch für Nutzer von Brain-Bee-Geräten etwas?

Die Kunden können sich auf den bekannten Service in gewohnt guter Qualität verlassen und werden weiter von den bisherigen Ansprechpartnern betreut. Für Kunden beider Marken wollen wir das Serviceangebot ausbauen, damit wir dem Handel mit Rat und Tat zur Seite stehen können und gemeinsam den Werkstätten einen optimalen Service bieten.

Wie sieht es mit Brain Bee selbst aus? Wird Mahle bei dieser Marke frischen Wind reinbringen oder wird die Marke womöglich verschwinden?

Zu Mahle Service Solutions gehören ab sofort die Marken Mahle und Brain Bee. Mit Brain Bee haben wir schon in der Vergangenheit eng und sehr gut in Entwicklung, Produktion und Vertrieb zusammengearbeitet. Carlo Rocchi und seine Mitarbeiter bringen ein umfassendes Know-how in Sachen Elektronik und Software mit und entwickeln seit vielen Jahren herausragende Innovationen für Werkstätten. Gemeinsam wollen wir diese Erfolgsgeschichte fortschreiben und das Geschäftsfeld Werkstattausrüstung weiterentwickeln. Brain Bee werden wir als etablierte Marke weiterführen und ausbauen. Auf der Automechanika werden wir das neue Erscheinungsbild von Brain Bee präsentieren, aber da will ich jetzt nicht zu viel verraten. Ihre Leser dürfen gespannt sein.

Irgendwann werden auch im Netz die Preise für Ersatzteile steigen.

Sie verfolgen also eine Zweimarken strategie – auch im Bereich Klimaservicestationen, die es ja sowohl von Mahle als auch Brain Bee gibt?

Richtig. Wir bieten sowohl Mahle als auch Brain-Bee-Geräte an. Beides sind starke Marken und wir sehen für beide auch in Zukunft großes Potenzial. Das gilt übrigens ebenfalls für alle Produktbereiche von Mahle Service Solutions, also auch für den Klimaservice. Unsere Geräte differenzieren sich nicht nur in der Marke, sondern auch in den Ausstattungsoptionen, die jeweils ideal auf die Anforderungen von Erstausrüstern, von Großhändlern und von Spezialisten für Werkstattausrüstung ausgerichtet sind.

Welche Risiken und Chancen sehen Sie für den IAM durch die Zunahme des Handels von Ersatzteilen im Internet?

Der Internethandel wird bleiben und noch wachsen. Ich denke aber auch, dass er die traditionellen Kanäle nicht ablöst, sondern ergänzt. 20 Prozent ist eine Zahl, die in der Branche immer wieder auftaucht, wenn es um den möglichen Marktanteil der Onlinehändler geht. Da die Onlinehändler sich mit hohen Logistikkosten, zum Beispiel für kostenlose Rücksendungen, auseinandersetzen müssen, gehe ich davon aus, dass sich die Preise mittelfristig angleichen werden.

Und wie sehen Sie die Aktivitäten der OEMs, ältere Fahrzeuge in ihren Partnerbetrieben zu halten beziehungsweise diese zurückzugewinnen, was die Konkurrenz zu den freien Werkstätten und den freien Teilehändlern verschärft?

Da gibt es für mich unterschiedliche Qualitäten bei den verschiedenen Fahrzeugherstellern. Ich denke, die verstärkte Teilebelieferung über Markenbetriebe in den freien Markt könnte funktionieren. Ältere Fahrzeuge in hoher Stückzahl zur Reparatur in die Markenbetriebe zu bekommen, ist jedoch weniger wahrscheinlich. Von dieser Seite her ist der IAM nicht in Gefahr.

Was aber eine Herausforderung in den nächsten 15 Jahren für den freien Markt wird, ist, an die Daten der vernetzten Fahrzeuge zu kommen. Hier stellt sich die Frage, wie sich aus den Daten neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen. Angesichts dieser Herausforderung braucht es Plattformen wie die IAM-Brancheninitiative Caruso, die sich für faire Wettbewerbsbedingungen einsetzt.

Zu Mahle Service Solutions gehören ab sofort die Marken Mahle und Brain Bee.

Sie sehen also keine signifikanten Veränderungen zu Ungunsten des freien Markts?

Ich denke es gibt keine erdrutschartigen Veränderungen. Wesentlich für die Zukunft ist das Thema Daten. Hier sollten alle Akteure die Möglichkeit zu einem fairen Zugang haben, damit die Kraft des freien Markts wirken kann. Am Ende werden die Marktanteile zwischen OEMs und IAM irgendwo in der Mitte liegen.

Herr Henning, vielen Dank.

Die Fragen stellte Torsten Schmidt.

 

Joint Venture Behr Hella Services

Mahle will komplett übernehmen, Hella sich neu ausrichten

Nach unserem Interviewtermin mit Olaf Henning, Geschäftsführer von Mahle Aftermarket, gab der Stuttgarter Zulieferer bekannt, sämtliche Anteile am bisherigen Gemeinschaftsunternehmen mit Hella, der Behr Hella Service GmbH übernehmen zu wollen und gleichzeitig die Produkte des Joint Venture über die eigene Aftermarketorganisation zu vertreiben. Mit diesem Schritt stellt sich Mahle im Thermomanagement noch stärker auf. Nach einer Übergangszeit will Mahle das Ersatzteilgeschäft für Thermomanagementprodukte ab dem 1. Januar 2020 in Eigenregie weiterführen. Mahle und Hella haben nach übereinstimmenden Angaben außerdem vereinbart, dass Mahle den vollen 50-Prozent-Anteil von Hella übernimmt. Die geplante Transaktion steht allerdings noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Kartellbehörden.

„Mit der geplanten Übernahme ergänzen wir unser Produktangebot im Aftermarket um ein Geschäftsfeld von nachhaltiger und hoher Bedeutung“, betont Olaf Henning, Leiter des Geschäftsbereichs Aftermarket bei Mahle. Effizientes Thermomanagement wird künftig eine immer wichtigere Rolle spielen – und zwar bei allen Antriebstechnologien.

Hella gibt im Zusammenhang mit der Veräußerung an, sich im Aftermarketgeschäft neu aufstellen zu wollen. Künftig werde sich das Unternehmen noch konsequenter auf die eigenen Erstausrüstungskompetenzen, insbesondere in den Bereichen Licht und Elektronik, ausrichten und diese eng mit der Werkstattausrüstungsexpertise des Unternehmens verzahnen. In diesem Kontext soll vor allem das Geschäft mit Reparaturlösungen in den Bereichen Diagnostik und Kalibrierung weiter ausgebaut werden. Zugleich haben die Lippstädter zum 1. August 2018 den neuen Bereich Mobilitätslösungen etabliert, um neue digitale Geschäftsmodelle zu erschließen.